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Fehlender Nachweis von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen: Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes, wenn außerhalb der Zurechnungssphäre der Eltern liegende Hinderungsgründe nicht bereits während der in § 7 Abs 2 KBGG angeführten Frist vorlagen

KRISZTINAJUHASZ
§ 7 Abs 2 und Abs 3 Z 1 und Z 2 KBGG

Bei systematischer Betrachtung kann § 7 Abs 3 Z 1 KBGG nur dahin verstanden werden, dass eine Kürzung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld nur dann zu unterbleiben hat, wenn die Vornahme oder der Nachweis der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen innerhalb der in § 7 Abs 2 KBGG genannten Frist aus Gründen, die nicht von den Eltern zu vertreten sind, unterbleibt.

SACHVERHALT

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Reduktion des Kinderbetreuungsgeldanspruchs der Kl um € 1.300,- mangels rechtzeitigen und ausreichenden Nachweises der zweiten bis fünften Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen des Kindes. Die Kl übermittelte der Bekl keinen Nachweis über die 491zweite bis fünfte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung des Kindes bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes (am 1.11.2018). Bei einem Sprechtag am 14.1.2019 legte die Mutter der Kl bei der Bekl die Kopie einer in slowakischer Sprache verfassten Urkunde vor, in der in tabellarischer Form jeweils das zu einem bestimmten Datum gemessene Gewicht und die Körpergröße des Kindes eingetragen waren. Mit Schreiben vom 8.3.2019 teilte die Bekl der Kl mit, dass sie zur Bearbeitung des Antrags „Nachweise über Kindesuntersuchungen mit Datum, Stempel und Unterschrift des Arztes im Zeitraum zwischen der 4. Lebenswoche und des 14. Lebensmonats des Kindes“ benötige. Die Kl übermittelte daraufhin im April 2019 eine Kopie der gleichen Urkunde, diesmal versehen mit dem Stempel und der Unterschrift einer Ärztin. Bei einem Telefonat mit der Bekl im Dezember 2019 wurde der Mutter der Kl mitgeteilt, dass der Mutter-Kind-Pass fehle. Diese gab noch am gleichen Tag neuerlich eine Kopie der Urkunde mit Stempel und Unterschrift der Ärztin ab. Hierbei wurde ihr mitgeteilt, dass mit der Abgabe nun alles in Ordnung sei. Dennoch reduzierte die Bekl mit Bescheid den Anspruch der Kl auf Kinderbetreuungsgeld um € 1.300,-.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Dagegen richtet sich die Klage, mit der die Kl einen „ärztlichen Bericht“ einer slowakischen Ärztin über die durchgeführten Kindesuntersuchungen unter Angabe der Art der Untersuchungen vorlegte. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge.

Die Revision der Kl war zulässig, weil erstmals die Frage des Verhältnisses von § 7 Abs 3 Z 1 zu Z 2 KBGG an den OGH herangetragen wurde. Sie war jedoch nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1. […] Werden die im § 7 Abs 2 KBGG vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht bis zu den vorgesehenen Zeitpunkten nachgewiesen, so reduziert sich der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für jeden Elternteil um 1.300 EUR (§ 3 Abs 4 KBGG).

§ 7 Abs 3 KBGG sieht Ausnahmen von dieser Kürzungsregel vor: Nach § 7 Abs 3 KBGG besteht Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe, wenn (Z 1) die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen nur aus Gründen, die nicht von den Eltern zu vertreten sind, unterbleibt oder (Z 2) die jeweiligen Nachweise bis spätestens zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes nachgebracht werden.

2. § 7 Abs 3 KBGG enthält in seinen Z 1 und 2 zwei Tatbestände, die durch das Wort „oder“ verbunden sind. Nach dem Wortlaut der Bestimmung handelt es sich demnach um alternative, nicht um kumulativ anzuwendende Voraussetzungen der Erbringung der Untersuchungsnachweise.

§ 7 Abs 3 Z 1 KBGG nennt keine gesonderte Frist, innerhalb derer sich die Gründe, die von den Eltern nicht zu vertreten sind, auswirken müssen. Die Nachweisfrist findet sich allerdings bereits in der unmittelbar davor stehenden Bestimmung des § 7 Abs 2 (hier: Z 2) KBGG, an den die Bestimmung des Abs 3 auch ihrem Wortlaut nach anknüpft („ungeachtet des Abs 2“). Bei systematischer Betrachtung kann § 7 Abs 3 Z 1 KBGG daher nur dahin verstanden werden, dass eine Kürzung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld nur dann zu unterbleiben hat, wenn die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen innerhalb der in § 7 Abs 2 KBGG genannten Frist aus Gründen, die nicht von den Eltern zu vertreten sind, unterblieb.

[…]

Diese Auslegung des § 7 Abs 3 Z 1 KBGG schließt nicht aus, dass bei Vorliegen derartiger Hinderungsgründe während eines längeren, über die Vollendung des 15. (auch des 18.) Lebensmonats des Kindes hinausgehenden Zeitraums der ungekürzte Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld erhalten bleiben kann. Eine derartige Konstellation wäre etwa im Fall der späteren Adoption eines Kindes (vgl ErlRV 229 BlgNR 23. GP 6) denkbar.

Hinderungsgründe, die erst nach Ablauf der Frist des § 7 Abs 2 KBGG (hier: nach Ablauf der Nachweisfrist bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes) entstehen, erfüllen die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 Z 1 KBGG jedoch nicht. Zutreffend führte bereits das Berufungsgericht aus (§ 510 Abs 3 ZPO), dass bei der von der Klägerin angestrebten Auslegung, wonach es auf die Gründe des Unterbleibens des Nachweises während der Nachweisfrist des § 7 Abs 2 Z 2 KBGG (bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes) nicht ankomme und der ungekürzte Kinderbetreuungsgeldanspruch erhalten bleibe, sofern nur zwischen dem Beginn des 16. bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes von den Eltern nicht zu vertretende Hinderungsgründe vorliegen, kein Anwendungsbereich für die Nachweisfrist des § 7 Abs 2 Z 2 KBGG verbliebe (§ 510 Abs 3 ZPO). Dies widerspräche dem Grundsatz, dass Gesetze wörtlich nicht so auszulegen sind, dass ihnen kein Anwendungsbereich verbleibt (vgl RS0010053RS0010053).“

ERLÄUTERUNG

Gegenstand des Revisionsverfahrens war die Reduktion des Kinderbetreuungsgeldes mangels rechtzeitigen und ausreichenden Nachweises der zweiten bis fünften Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen des Kindes.

Gem § 7 Abs 2 Z 2 KBGG besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe, wenn die 492zweite bis fünfte Untersuchung des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats nach der Mutter-Kind-Pass-Verordnung 2002 (MuKiPassV, BGBl II 2001/470BGBl II 2001/470 idF BGBl II 2013/420BGBl II 2013/420) vorgenommen und spätestens bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes durch Vorlage der entsprechenden Untersuchungsbestätigungen nachgewiesen werden, widrigenfalls reduziert sich das Kinderbetreuungsgeld iHv € 1.300,- je Elternteil.

§ 7 Abs 3 Z 1 und Z 2 KBGG sieht, durch das Wort „oder“ bedingt, zwei alternative Ausnahmegründe vor. Demnach kann der Nachweis ohne Reduktion des Kinderbetreuungsgeldes auch zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden, wenn hierfür nicht von den Eltern zu vertretende Gründe vorliegen (Z 1) oder wenn der Nachweis der Untersuchungen bis spätestens zum 18. Lebensmonat des Kindes erfolgt (Z 2).

Der OGH führt aus, dass § 7 Abs 3 Z 1 KBGG keine gesonderte Frist nennt, innerhalb derer sich die Gründe, die von den Eltern nicht zu vertreten sind, auswirken müssen. Umso interessanter ist daher die weitere systematische Interpretation des OGH, wonach dieser dennoch eine einschränkende Nachweisfrist aus der Bestimmung des § 7 Abs 2 (hier: Z 2) KBGG ableitet und eine Verknüpfung zwischen § 7 Abs 2 und 3 KBGG annimmt.

Somit kommt der OGH zum Ergebnis, dass die außerhalb der Zurechnungssphäre der Eltern liegenden Hinderungsgründe innerhalb der in § 7 Abs 2 KBGG angeführten Nachweisfrist (hier: bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes) zum Tragen kommen müssen. Hinderungsgründe, die erst nach Ablauf der Frist des § 7 Abs 2 KBGG (hier: nach Ablauf der Nachweisfrist bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes) entstehen, erfüllen die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 Z 1 KBGG daher nicht. Diese Auslegung des § 7 Abs 3 Z 1 KBGG schließt aber nicht aus, dass in bestimmten Konstellationen bei Vorliegen von Hinderungsgründen über die Vollendung des 15. (auch des 18.) Lebensmonats des Kindes hinausgehenden Zeitraums der ungekürzte Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld erhalten bleiben kann.

Da von der Kl keine Gründe behauptet wurden, aus denen sie am Nachweis der zweiten bis fünften Mutter-Kind-Pass-Untersuchung bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes gehindert war, konnte sie ihren Anspruch auf ungekürztes Kinderbetreuungsgeld nicht aus § 7 Abs 3 Z 1 KBGG ableiten. Innerhalb der Nachfrist des § 7 Abs 3 Z 2 KBGG legte die Kl nur eine Urkunde über Gewicht und Maße des Kindes ohne ärztlichen Stempel oder Unterschrift und ohne Angabe der durchgeführten Untersuchungen (abgesehen von Wiegen und Messen) vor. Diese Urkunde stellte keinen tauglichen Nachweis der Durchführung der zweiten bis fünften Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen des Kindes dar. Ein anderer Nachweis wurde innerhalb der Frist des § 7 Abs 3 Z 2 KBGG nicht vorgelegt. Auch aus dieser Bestimmung konnte daher die Berechtigung des Klagebegehrens nicht abgeleitet werden. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.