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Keine materielle Beschwer bei Nichtfeststellung von Schwerarbeitsmonaten, wenn erforderliche Anzahl bis zum Regelpensionsalter nicht mehr erreichbar

ALEXANDERDE BRITO

Mit Bescheid vom 16.4.2019 stellte die bekl Pensionsversicherungsanstalt aufgrund des Antrags des am 7.12.1960 geborenen Kl vom 21.2.2019 fest, dass der Kl zum 1.5.2019 501 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, vier Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Teilversicherung und acht Ersatzmonate, insgesamt somit 513 Versicherungsmonate erworben hat. Die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten in der Zeit von 1.9.2009 bis 31.3.2019 wurde abgelehnt. Der Kl begehrt in seiner Klage die Feststellung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1.9.2009 bis 31.3.2019.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten zur Gänze ab. Nach seinen Feststellungen leistete der Kl im gesamten Zeitraum vom 1.9.2009 bis 31.3.2019 insgesamt nur zwölf Schwerarbeitsmonate. Der Kl könne also bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht 120 Schwerarbeitsmonate erreichen.

In seiner Berufung beantragte der Kl die Festellung der genannten zwölf Monate Schwerarbeitszeit. Das Berufungsgericht wies die Berufung mangels Beschwer zurück. Zum für das Feststellungsinteresse maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz habe objektiv Ungewissheit über das festzustellende Recht bestanden, weil der Kl sein Begehren auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten zur Gänze aufrecht erhalten habe. Mit der in der Berufung begehrten Feststellung von insgesamt zwölf Schwerarbeitsmonaten könne der Kl sein Ziel, eine Schwerarbeitspension zu erlangen, nicht erreichen. Selbst bei Annahme von bisher zwölf Schwerarbeitsmonaten sei die Erreichung von 120 Schwerarbeitsmonaten bis zum Regelpensionsalter nicht mehr denkbar. Dem Kl fehle deshalb die materielle Beschwer.

Der Rekurs des Kl war nach § 519 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kl brachte vor, dass nach dem eingeholten ­berufskundlichen Sachverständigengutachten die Feststellung von zwölf Schwerarbeitsmonaten gerechtfertigt sei. Dem Kl habe es zum maßgeblichen 480Zeitpunkt der Einbringung der Klage nicht am Feststellungsinteresse gefehlt; der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz sei insoweit irrelevant. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass eine Feststellung von Schwerarbeitszeiten voraussetze, dass der Kl bzw Antragsteller tatsächlich in Schwerarbeitspension gehen könne. Entscheidend sei, ob im Zeitpunkt der Antragstellung bzw Klageeinbringung angenommen werden könne, dass die Voraussetzungen für die Schwerarbeitspension erfüllt werden könnten. Da dies zweifelsfrei zu bejahen sei, habe der Kl ein rechtliches Interesse an der Feststellung von Schwerarbeitszeiten.

Der OGH unterschied zwischen formeller und materieller Beschwer. Die Beschwer muss sowohl im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über dieses bestehen. Fehlt sie, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Der Kl war formell beschwert, weil die Entscheidung zu seinem Nachteil von seinem Sachantrag abwich. Die formelle Beschwer reicht aber nach stRsp nicht immer aus, um eine Entscheidung in der Sache über die Berufung herbeizuführen.

Zu klären war die materielle Beschwer: Nach § 247 Abs 2 ASVG hat der leistungszuständige Pensionsversicherungsträger die Schwerarbeitszeiten iSd § 607 Abs 14 und des § 4 Abs 3 APG festzustellen, wenn die versicherte Person dies frühestens 10 Jahre vor Vollendung des Anfallsalters nach § 607 Abs 12 ASVG oder frühestens 10 Jahre vor Vollendung des frühestmöglichen Anfallsalters nach § 4 Abs 3 APG beantragt und aufgrund der bisher erworbenen Versicherungsmonate anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen nach § 607 Abs 14 ASVG oder nach § 4 Abs 3 APG (mindestens 120 Schwerarbeitsmonate innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag) vor Erreichen des Regelpensionsalters erfüllt werden. Das Verfahren zur Feststellung von Schwerarbeitszeiten nach § 247 ASVG soll dem Versicherten eine Grundlage für die Entscheidung geben, ob er einen Pensionsantrag stellt und ob dieser bei einer geforderten Mindestanzahl von Versicherungszeiten für eine bestimmte Pensionsleistung sinnvoll ist, oder ob er weiter im Erwerbsleben bleibt, um weitere Zeiten zu erwerben. Für diese Entscheidung ist die hier begehrte Feststellung von zwölf Schwerarbeitsmonaten bedeutungslos. Die Voraussetzung des Vorliegens von mindestens 120 Schwerarbeitsmonaten kann der Kl bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres am 7.12.2025 nicht erfüllen, auch wenn für den Zeitraum von 1.9.2009 bis 31.3.2019 insgesamt zwölf Schwerarbeitsmonate festgestellt werden. Pensionsrechtlich nützt dem Kl diese in der Berufung begehrte Feststellung nichts. Materiell war der Kl daher nicht beschwert. Das Berufungsgericht hat die Berufung somit zu Recht zurückgewiesen.