228

Keine Verlängerung des Krankengeldanspruchs nach der Satzung bei schon anfänglichem Nichtvorliegen von Arbeitsunfähigkeit ­infolge Krankheit

ELISABETHHANSEMANN
§§ 99, 100, 139 ASVG; § 29 Abs 3 ­Satzung der ÖGK

Der Kl wurde am 10.3.2019 mit der Diagnose „Reaktion auf schwere Belastung und Anpassungsstörung“ arbeitsunfähig gemeldet. Die Bekl gewährte Krankengeld bis zum 29.4.2020 (52 Wochen). Nachträglich stellte sich heraus, dass der Kl im Zeitraum vom 10.3.2019 bis 29.10.2020 trotz der gesundheitlichen Beschwerden imstande war, seine Tätigkeit als Kellner auszuüben.

Mit Bescheid vom 25.9.2020 sprach die Bekl aus, dass der Kl Anspruch auf Krankengeld für die Höchstdauer von 52 Wochen habe. Das Mehrbegehren des Kl auf Verlängerung der Höchstanspruchsdauer auf 78 Wochen wurde abgelehnt, da ein Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit bzw eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess iSd § 29 Abs 3 der Satzung der Bekl bis zum Erreichen der 78. Woche ausgeschlossen sei.

Der Kl begehrte mit seiner Klage die Zuerkennung von Krankengeld über die Höchstdauer hinaus für insgesamt 78 Wochen aufgrund des am 10.3.2019 eingetretenen Versicherungsfalles. Die Bekl wandte im Verfahren schließlich ein, dass der Kl die ganze Zeit arbeitsfähig gewesen sei und der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit nie eingetreten sei. Schon aus diesem Grund komme eine Verlängerung des Krankengeldanspruchs nicht in Frage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, dass sich die objektive Grundlage für die Zuerkennung der Leistung nicht geändert hätte und daher die Rechtskraft des Gewährungsbescheides einer „Entziehung“ entgegenstehe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der Bekl dahingehend ab, dass es das Klagebegehren abwies. Die Bekl habe dem Kl das Krankengeld nicht entzogen. Der Anspruch sei vielmehr mit dem Erreichen der Höchstdauer von 52 Wochen erloschen. Die Voraussetzungen für eine Weitergewährung nach § 29 Abs 3 Satzung der Bekl seien nicht erfüllt, da weder der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit eingetreten noch im Beurteilungszeitpunkt das Erreichen der Arbeitsfähigkeit nach Ablauf der Zeitspanne zu erwarten sei.

Die außerordentliche Revision des Kl wurde mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO vom OGH zurückgewiesen.

Gem § 99 Abs 1 ASVG ist die Leistung nur dann zu entziehen, wenn nicht der Anspruch darauf gem § 100 Abs 1 ASVG ohne weiteres Verfahren erlischt. Dies ist gem § 100 Abs 1 lit a ASVG etwa für den Anspruch einer laufenden Leistung aus der KV vorgesehen, wenn die Voraussetzungen für diesen Anspruch weggefallen sind. Das ist beim Krankengeld etwa durch Zeitablauf, oder wenn Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht mehr vorliegt, der Fall.477

Nach Ablauf von 52 Wochen erlischt der Anspruch auf Krankengeld somit ohne weiteres Verfahren. Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Rsp zu § 99 ASVG kommt daher nicht zum Tragen.

Zwar sieht § 29 Abs 3 Satzung der ÖGK die Möglichkeit der Verlängerung des Krankengeldes im Einzelfall auf bis zu 78 Wochen vor, wenn aufgrund einer ärztlichen Begutachtung durch den medizinischen Dienst das Erreichen der Arbeitsfähigkeit des/der Versicherten bzw dessen/deren Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess innerhalb dieses Zeitraumes zu erwarten ist. Erste Voraussetzung für eine Erhöhung der Höchstdauer des Krankengeldanspruchs ist aber auch im Anwendungsbereich der Satzung das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (vgl § 29 Abs 1 Satzung der ÖGK, auf den in § 29 Abs 3 ausdrücklich verwiesen wird). An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Auf den vom Kl hervorgehobenen Umstand, dass seine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nach 78 Wochen möglich sei, kommt es daher nicht an. Der OGH stellt abschließend klar, dass der Satzung der Bekl eine Bindung dahingehend, dass die Gewährung von Krankengeld für 52 Wochen jedenfalls auch einen Anspruch auf „Verlängerung“ für weitere 26 Wochen verschafft, nicht zu entnehmen ist.