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Nach der Berichtstagsatzung entstandene Masseforderungen bei fehlender Massearmut in Folgeinsolvenz nicht gesichert

MARGITMADER

Sonderzahlungen und bestrittene Ansprüche, die nach Berichtstagsatzung, aber vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstehen, sind im laufenden Insolvenzverfahren nur im Fall der Masseunzulänglichkeit iSd § 3a Abs 4 IESG gesichert. Sind sie wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen in diesem Verfahren nicht gesichert, führt auch eine spätere weitere Insolvenz des Schuldners nicht zu einer Sicherung im zweiten Insolvenzverfahren.

SACHVERHALT

Mit Beschluss vom 16.11.2016 wurde über das Vermögen des Einzelunternehmers P* das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Am 9.1.2017 fand die Berichts- und Prüfungstagsatzung statt. Der Kl wurde vom Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens von 1.3. bis 22.5.2017 als Arbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst. Es bestand keine Masseunzulänglichkeit. Da die Entgeltansprüche des Kl nicht bezahlt wurden, brachte er eine Klage gegen den Insolvenzverwalter ein. Diese wurde dem Insolvenzverwalter erst einen Tag nach der Sanierungsplantagsatzung – diese fand am 23.8.2017 statt – zugestellt. Nach Annahme und Bestätigung des Sanierungsplans wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 11.9.2017 aufgehoben. Das Verfahren des Kl, das dieser gegen den Insolvenzverwalter angestrengt hatte, wurde gegen den Schuldner selbst weitergeführt und endete am 15.2.2019 mit einem Vergleich, in dem sich der Schuldner zur Zahlung eines Betrags von € 3.155,24 brutto samt Zinsen und Kosten verpflichtete. Am 2.3.2019 wurde über das Vermögen des Schuldners neuerlich ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Kl meldete den sich aus dem Vergleich ergebenden Nettobetrag von € 3.816,- in diesem Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung an und stellte einen korrespondierenden Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH. Die IEF-Service GmbH lehnte den Antrag des Kl ab.

Der Kl brachte dagegen Klage ein. Seine Ansprüche seien nach der Berichtstagsatzung entstandene Masseforderungen und als solche im ersten Insolvenzverfahren nur im Rahmen der Ausfallhaftung nach § 3a Abs 4 IESG gesichert. Es handle sich dabei um eine subsidiäre Haftung, die nur dann eintrete, wenn eine – vom Insolvenzverwalter auch als solche deklarierte – Massearmut bestehe. Dies sei jedoch im ersten Insolvenzverfahren nicht der Fall gewesen. Er habe auch keine Austrittsobliegenheit verletzt, weil diese für bestrittene Ansprüche nicht bestehe. Seine Forderungen seien daher im zweiten Insolvenzverfahren gesichert.

Die Bekl bestritt und brachte vor, es handle sich bei den Ansprüchen des Kl um Masseforderungen des ersten Insolvenzverfahrens, deren Begleichung der Masseverwalter hätte vornehmen müssen. Die Masseforderungen des ersten Insolvenzverfahrens seien nicht als Insolvenzforderungen des zweiten Insolvenzverfahrens gesichert. Andernfalls würde Zahlungsunwilligkeit der Masse oder eine willkürliche Bestreitung des Massever461walters zu einer unzulässigen Entlastung der Masse zu Lasten des IEF führen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Ansprüche des Kl seien Masseforderungen iSd § 46 Z 3 IO, die nach der Berichtstagsatzung entstanden seien. Solche Ansprüche seien grundsätzlich als Ausfallshaftung nach § 3a Abs 4 IESG gesichert. § 3a Abs 4 IESG finde allerdings keine Anwendung auf jenes Entgelt, wegen dessen ungebührlicher Schmälerung oder Vorenthaltung der Austritt erklärt worden sei. Nichts Anderes könne für die Sicherung jener Entgeltforderungen gelten, die – wie im konkreten Fall – bestritten und vorenthalten worden seien, für die aber keine Austrittsobliegenheit bestehe. Daraus folge, dass die Entgeltansprüche des Kl im ersten Insolvenzverfahren gesichert gewesen wären. Dort seien sie aber verspätet geltend gemacht worden. Im zweiten Insolvenzverfahren bestehe dagegen keine Sicherung der Ansprüche.

Der OGH schloss sich der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht an, kam aber mit einer anderen Begründung zum gleichen Ergebnis und wies die außerordentliche Revision des Kl ab.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

[…]

3. Die Ansprüche des Klägers stammen unstrittig zur Gänze aus einem Zeitraum, zu dem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet war und die Berichts- und Prüfungstagsatzung bereits stattgefunden hatte. Seine Ansprüche auf laufendes Entgelt für diesen Zeitraum sind damit Masseforderungen im Sinn des § 46 Z 3 IO.

4. Nach § 3a Abs 2 Z 5 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für Ansprüche auf Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses als Ausfallhaftung (Abs 4), wenn (ua) nach der Berichtstagsatzung bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Arbeitnehmer infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgelts wegen der ungebührlichen Schmälerung oder Vorenthaltung des gebührenden Entgelts seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt oder das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen gelöst wird. Diese Austrittsobliegenheit gilt nicht für Sonderzahlungen und bestrittene Ansprüche. Abs 4 findet jedoch keine Anwendung für jenes Entgelt, wegen dessen ungebührlicher Schmälerung oder Vorenthaltung der Austritt erklärt wurde. § 3a Abs 4 IESG ordnet an, dass der Anspruch auf Insolvenzentgelt in den Fällen des Abs 2 Z 5 und Abs 3 nur dann und nur insoweit gebührt, als der zuständige Verwalter entweder schriftlich erklärt, dass die Insolvenzmasse bzw der Arbeitgeber zur Zahlung nicht oder nicht vollständig in der Lage ist oder die Masseunzulänglichkeit nach § 124a IO dem Insolvenzgericht angezeigt hat.

5. Die „Austrittspflicht“ des Arbeitnehmers verfolgt den Zweck, dass die Fortführung des Unternehmens trotz weiterer Zahlungsschwierigkeiten und die daraus resultierende Pflicht zur Begleichung der laufenden Arbeitnehmeransprüche nicht mehr zu Lasten des Fonds gehen soll. Das wesentliche Risiko liegt darin, dass der Arbeitnehmer von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses absieht, obwohl das laufende Entgelt nicht mehr aus der Masse getragen werden kann (RS0119116). In den Fällen, in denen Masseunzulänglichkeit nicht vorliegt, sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers diese Ansprüche „zu 100 %“ aus der Masse zu ersetzen sein (ErläutRV 737 BlgNR 20. GP 10).

6. Für Arbeitnehmeransprüche, die nach der Berichtstagsatzung, aber vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstehen, bedeutet dies, dass

  • das erste nicht vollständig bezahlte Entgelt, wegen dessen Vorenthaltung der vorzeitige Austritt erklärt wird, zur Gänze gesichert ist. Dabei gilt nach der Rechtsprechung, dass dann, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass die Verletzung der Austrittsobliegenheit auf den Umfang der Leistungspflicht keinen Einfluss hatte, die Verletzung der Austrittsobliegenheit nicht anspruchsvernichtend wirkt (8 ObS 7/05w mwN).

  • sonstige Ansprüche gesichert sind, wenn der Arbeitnehmer infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgelts ausgetreten ist und zusätzlich die Zahlungsunfähigkeit der Masse formell durch den zuständigen Verwalter gegenüber der Beklagten oder dem Insolvenzgericht deklariert wurde (vgl 8 ObS 2/19f).

7. Durch das IRÄG 2010 wurde in § 3a Abs 2 Z 5 dahin ergänzt, dass die Austrittsobliegenheit nicht für Sonderzahlungen und bestrittene Ansprüche gilt. In den Erläuterungen (RV 612 BlgNR 24. GP 41) wurde dazu ausgeführt, dass in Bezug auf die Verpflichtung zur Erklärung des berechtigten vorzeitigen Austritts und um den Anspruch auf IEG dann zu wahren, wenn der Insolvenzverwalter nicht mehr in der Lage ist, das laufende Entgelt zu zahlen, klargestellt wird, dass ein solcher Austritt (nur) hinsichtlich von strittigen Ansprüchen, über die zB ein Verfahren vor den Arbeitsgerichten anhängig ist, nicht notwendig ist.

Durch diese Novelle ist somit eine Klarstellung erfolgt, dass keine Austrittsobliegenheit besteht, wenn bloß Sonderzahlungen oder bestrittene Ansprüche offen sind (Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3a IESG Rz 6). Allerdings lässt der 462Gesetzestext offen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen derartige Ansprüche gesichert sind. Aus der Regierungsvorlage lässt sich jedoch ableiten, dass es die Intention des Gesetzgebers war, dass hinsichtlich dieser Ansprüche zwar ein Austritt nicht Voraussetzung ist, der Anspruch auf Insolvenzentgelt aber nur besteht „wenn der Insolvenzverwalter nicht mehr in der Lage ist“, zu zahlen. Entsprechend der Systematik des § 3a Abs 2 Z 5 IESG ist daher auch bei solchen Ansprüchen von einer bloßen Ausfallhaftung des Fonds auszugehen, weshalb ein Anspruch im Insolvenzentgelt nur unter den Voraussetzungen des § 3 Abs 4 IESG besteht. Insbesondere bestünde sonst das Risiko, dass allein die Bestreitung der Arbeitnehmeransprüche zu einer generellen Zahlungspflicht des Fonds für Arbeitnehmeransprüche führen würde, was der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte. Für die vom Berufungsgericht angenommene Gleichstellung dieser Ansprüche mit denen, wegen derer der Austritt erklärt wurde und die jedenfalls gesichert sind, bietet das Gesetz dagegen keine Grundlage.

8. Im konkreten Fall lag keine von § 3 Abs 4 IESG geforderte Deklaration des Masseverwalters hinsichtlich der Masseunzulänglichkeit vor. Darüber hinaus bestand nach den Feststellungen auch tatsächlich keine Masseunzulänglichkeit. Richtig ist daher mit der Revision davon auszugehen, dass die Entgeltforderung des Arbeitnehmers im ersten Insolvenzverfahren des Arbeitgebers nicht gesichert war.

Das führt aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu, dass in einer nachfolgenden Insolvenz ein Anspruch auf Insolvenzentgelt besteht. Durch die den Anspruch auf Insolvenzentgelt einschränkende Regelung des § 3a Abs 2 Z 5 iVm Abs 4 IESG hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass nicht sämtliche Arbeitsentgelte, die nach der Berichtstagsatzung anfallen, gesichert sind, sondern nur jene, für die die gesetzlichen Voraussetzungen bestehen. Liegt daher keine Masseunzulänglichkeit vor, sind mit Ausnahme des Arbeitsentgelts, wegen dem der Austritt erklärt wurde, die offenen Ansprüche des Arbeitnehmers nicht gesichert. Korrespondierend sieht für den Fall des Sanierungsverfahrens § 152a Abs 1 Z 2 IO vor, dass die Bestätigung des Sanierungsplans erst zu erteilen ist, wenn alle fälligen und feststehenden Masseforderungen gezahlt sind, sowie die bei Gericht oder Verwaltungsbehörde geltend gemachten Masseforderungen, von deren Geltendmachung der Insolvenzverwalter in Kenntnis gesetzt wurde, sichergestellt sind. Damit wird grundsätzlich gewährleistet, dass bei Annahme eines Sanierungsplans Masseforderungen, selbst wenn sie strittig sein sollten, aus der Masse befriedigt wurden bzw sobald sie festgestellt werden, befriedigt werden können.

Im vorliegenden Fall ist es offenbar deshalb zu keiner Sicherstellung gekommen, weil die Klage dem Insolvenzverwalter erst nach der Sanierungsplantagsatzung zugestellt wurde. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass in einem nachfolgenden weiteren Insolvenzverfahren diese Arbeitnehmerforderungen gegenüber den Insolvenz-Entgeltfonds geltend gemacht werden können. Das würde in Widerspruch zu dem zuvor dargestellten Zweck des § 3 Abs 2 Z 5 IESG stehen, da das dazu führen würde, dass im ersten Insolvenzverfahren nach dem Gesetz ausdrücklich von einer Deckung ausgenommene Ansprüche bei nachträglich eintretender neuerlicher Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Deckung finden.

Zusammengefasst bedeutet das, dass Sonderzahlungen und bestrittene Ansprüche, die nach der Berichtstagsatzung, aber vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstehen, im laufenden Insolvenzverfahren nur im Fall der Masseunzulänglichkeit iSd § 3a Abs 4 IESG gesichert sind. Sind sie wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen in diesem Verfahren nicht gesichert, führt auch eine spätere weitere Insolvenz des Schuldners nicht zu einer Sicherung in dem zweiten Insolvenzverfahren. Im Ergebnis hat daher das Berufungsgericht zu Recht die Klage abgewiesen. […]

ERLÄUTERUNG

Wenn ein Unternehmen nicht kurz nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geschlossen wird, ist abzuwarten, welche Beschlüsse vom Insolvenzgericht in der Berichtstagsatzung getroffen werden. Wird das Unternehmen fortgeführt, steht den AN kein insolvenzbedingtes Austrittsrecht nach § 25 IO zu. Die Entgeltansprüche der AN sind durch die Ausfallshaftung des IEF bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens gesichert, sollte der Insolvenzverwalter das laufende Entgelt nicht mehr bezahlen können.

Gem § 3a Abs 2 Z 5 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses als Ausfallshaftung, wenn der AN nach der Berichtstagsatzung oder – findet keine solche statt – nach Ablauf des Zeitraums nach § 3a Abs 5 oder 6 bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgelts (ausgenommen Sonderzahlungen und bestrittene Ansprüche) wegen der ungebührlichen Schmälerung oder Vorenthaltung des gebührenden Entgelts seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt oder das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen gelöst wird.

Das IESG sieht somit eine Austrittsobliegenheit der AN vor. Die AN müssen demnach bei der ersten Nichtbezahlung des fälligen Entgeltes – nach Setzung einer angemessenen Nachfrist – das Arbeitsverhältnis berechtigt vorzeitig auflösen. Reagieren die AN nicht unverzüglich, sind die Ansprüche auf laufendes Entgelt nur in dem Ausmaß 463gesichert, in dem sie entstanden wären, wenn die AN in Folge der ersten nicht vollständig erfolgten Zahlung ausgetreten wären. Bei der Beurteilung der Frage der Sicherung der offenen Entgeltansprüche wird also ein hypothetischer Austritt zugrunde gelegt. Die Beschränkung der Sicherung jener Lohnansprüche, die erst nach der Berichtstagsatzung entstehen, auf eine bloße Ausfallshaftung, soll gewährleisten, dass die Fortführung des Unternehmens nicht zu Lasten des IEF erfolgt.

Anspruch auf Insolvenz-Entgelt aufgrund der Ausfallshaftung nach § 3a Abs 4 IESG besteht jedoch nur dann, wenn der Insolvenzverwalter entweder schriftlich gegenüber der IEF-Service GmbH erklärt, dass die Insolvenzmasse zur Zahlung nicht oder nicht vollständig in der Lage ist, oder er dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit nach § 124a IO angezeigt hat.

Im vorliegenden Fall wurde das Arbeitsverhältnis des Kl erst nach der Berichtstagsatzung begründet und vor der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens durch einvernehmliche Lösung beendet. Die Ansprüche des Kl auf laufendes Entgelt sind damit unstrittig Masseforderungen iSd § 46 Z 3 IO. Eine Bestätigung des Insolvenzverwalters iSd § 3a Abs 4 IESG, wonach die Masse zur Begleichung der fälligen Masseforderungen nicht in der Lage sei, lag nicht vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichts bestand auch keine Masseunzulänglichkeit. Die Entgeltforderung des AN ist folglich im ersten Insolvenzverfahren des AG nicht gesichert.

Dies führt aber – entgegen der Ansicht des Kl – nicht dazu, dass die Ansprüche jedenfalls in einer nachfolgenden Insolvenz des AG gesichert sind. Nach Ansicht des OGH hat der Gesetzgeber auf Grund der einschränkenden Regelung des § 3a Abs 2 Z 5 iVm Abs 4 IESG in Kauf genommen, dass nicht sämtliche Arbeitsentgelte, die nach der Berichtstagsatzung entstehen, gesichert sind, sondern nur jene, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Liegt keine Masseunzulänglichkeit vor, sind die offenen Ansprüche der AN nicht gesichert. Ausgenommen ist hierbei nur jenes Entgelt, wegen dessen Nichtzahlung der Austritt erklärt wurde. Die Bestimmungen des IESG, die die Sicherung der Ansprüche im Falle der Unternehmensfortführung regeln, stehen laut OGH auch im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der IO.

Nach § 152a Abs 1 Z 2 IO ist ein von den Insolvenzgläubigern angenommener Sanierungsplan seitens des Insolvenzgerichts erst dann zu bestätigen, wenn alle fälligen und feststehenden Masseforderungen bezahlt sind, sowie die bei Gericht oder Verwaltungsbehörde geltend gemachten Masseforderungen – von deren Geltendmachung der Insolvenzverwalter in Kenntnis gesetzt wurde – sichergestellt sind. Mit der Sicherstellung des strittigen Betrags wird gewährleistet, dass bei Annahme eines Sanierungsplans selbst strittige Masseforderungen befriedigt werden können, sobald sie festgestellt sind. Ist eine Sicherstellung vorzunehmen, wird diese durch den Insolvenzverwalter aus den Mitteln der Insolvenzmasse durch Erlag bei Gericht (§ 56 ZPO) vorgenommen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine Masseforderung fällig ist und feststeht, ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Erteilung oder Versagung der Bestätigung des Sanierungsplans. Fällige und feststehende Masseforderungen müssen daher spätestens im Zeitpunkt der Beschlussfassung gezahlt sein, andernfalls ist dem Sanierungsplan die Bestätigung zu versagen. Der Beschluss über die Bestätigung des Sanierungsplans kann bereits in der Sanierungsplantagsatzung gefasst werden.

Die IO kennt kein Verfahren zur Feststellung der Masseforderungen. Die Prüfung der Richtigkeit obliegt dem Insolvenzverwalter. Um eine Haftung zu vermeiden, muss der Insolvenzverwalter bekannte fällige Masseforderungen bezahlen (vgl § 150 Abs 1 IO) oder ausdrücklich bestreiten. Gem § 152a Abs 1 Z 2 IO sind fällige Masseforderungen zu bezahlen, wenn sie feststehen. Von einer feststehenden Forderung ist auszugehen, wenn es sich um eine unstrittige – vom Insolvenzverwalter anerkannte – Masseforderung handelt. Bei Verweigerung oder Verzögerung der Leistung können sich die Massegläubiger an das Insolvenzgericht um Abhilfe wenden oder ihre Ansprüche mit Klage gegen den Insolvenzverwalter geltend machen (§ 124 IO). Bestreitet der Insolvenzverwalter die Masseforderung und liegt kein rechtskräftiger Titel zugunsten des Massegläubigers vor, steht die Masseforderung nicht fest. Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter nur die Fälligkeit einer Masseforderung bestreitet. Forderungen, deren Berechtigung oder Fälligkeit vom Insolvenzverwalter bestritten wird, müssen nicht gezahlt werden.

Eine fällige – aber nicht feststehende – Masseforderung ist gem § 152a Abs 1 Z 2 IO sicherzustellen, wenn sie „bei Gericht oder einer Verwaltungsbehörde geltend“ gemacht und der Masseverwalter hiervon in Kenntnis gesetzt wurde. Eine bloße Zahlungsaufforderung reicht nicht aus. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Massegläubiger infolge der Behauptung einer „zweifelhaften Forderung in utopischer Höhe“ eine Sicherstellung erwirkt, die den erfolgreichen Abschluss des Sanierungsverfahrens vereitelt. Unter der gerichtlichen Geltendmachung ist die Einbringung einer Klage oder die Stellung eines entsprechenden außerstreitigen Antrags zu verstehen. Die Geltendmachung bei einer Verwaltungsbehörde erfolgt entweder durch den dazu notwendigen verfahrenseinleitenden An464trag oder durch einen entsprechenden amtswegigen Akt der Verwaltungsbehörde selbst (zB die Ausstellung eines Rückstandsausweises).

Der Insolvenzverwalter ist über die gerichtliche Geltendmachung in Kenntnis zu setzen. Hierbei ist auf den Zugang abzustellen. Die diesbezügliche Information muss also in die Sphäre des Insolvenzverwalters gelangen, das bloße Absenden ist nicht ausreichend. Es ist aber unerheblich, von wem der Insolvenzverwalter verständigt wird. Die Zustellung der Klage durch das Prozessgericht genügt.

Massegläubiger, deren fällige Forderungen nicht zu bezahlen – und auf Grund fehlender Voraussetzungen auch nicht sicherzustellen – sind, sind nach erfolgter Bestätigung des Sanierungsplans auf die – gem § 60 Abs 1 Satz 2 IO eingeschränkte – Haftung des Schuldners zu verweisen. Danach können Massegläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen lediglich „auf das zur freien Verfügung bleibende oder nach der Konkursaufhebung erworbene Vermögen des Schuldners geltend machen“. Wird später eine neuerliche Insolvenz eröffnet, wandelt sich die ursprüngliche Masseforderung in eine Insolvenzforderung.

Im Anlassfall ist es offenbar deshalb zu keiner Sicherstellung gekommen, weil die Klage dem Insolvenzverwalter erst nach der Sanierungsplantagsatzung zugestellt wurde. Das Unterlassen der rechtzeitigen Information des Insolvenzverwalters bzw des Begehrens der Sicherstellung der strittigen Forderungen kann laut OGH jedoch nicht dazu führen, dass diese Ansprüche in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren erfolgreich gegenüber dem IEF geltend gemacht werden können.