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Wirksamwerden des Kündigungsschutzes von begünstigten behinderten Arbeitnehmern mit Beginn des Tages der Antragstellung

MARTINACHLESTIL

Der Kl wurde am 15.10.2014 gekündigt. Am selben Tag beantragte er die Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten behinderten Personen. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 3.2.2015 Folge gegeben und festgestellt, dass der Kl rückwirkend ab 15.10.2014 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten mit einer Behinderung von 50 vH angehört.

Dementsprechend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der Kl nur mit Zustimmung des Behindertenausschusses gekündigt werden durfte. Diese lag bei der Kündigung nicht vor und wurde auch über Antrag der bekl AG nicht nachträglich erteilt; die Kündigung wurde daher als rechtsunwirksam angesehen. Der OGH schloss sich den Vorinstanzen an und führt aus wie folgt:

Begünstige behinderte Personen sind nach § 2 Abs 1 BEinstG österreichische Staatsbürger – und diesen gleichgestellte Personen – mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten behinderten Personen gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH (ua) des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen (Anm: nunmehr Sozialministeriumservice). Die Begünstigungen nach dem BEinstG werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrags beim Bundessozialamt, wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monats wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung gestellt wird (§ 14 Abs 1, Abs 2 BEinstG).

Die Kündigung eines begünstigten behinderten AN darf nach § 8 Abs 2 BEinstG von einem AG erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12 BEinstG) zugestimmt hat. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt. Der Kündigungsschutz ist von der Kenntnis des AG von der Behinderung unabhängig. Entscheidend ist allein, ob die Begünstigungen im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits eingetreten waren.

Die bekl AG meint in der außerordentlichen Revision, es liege eine uneinheitliche Rsp vor, weil nach einem Teil der Judikatur die Begünstigungen nach dem BEinstG frühestens mit dem Zeitpunkt der Antragstellung wirksam werden, nach der von den Vorinstanzen zitierten OGH-E vom 8.8.2007, 9ObA61/06w&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 61/06w, jedoch schon mit Beginn des Tages der Antragstellung.

Nach dem OGH liegt der von der bekl AG behauptete Widerspruch nicht vor. In der Mehrzahl der bisher zu entscheidenden Fälle kam es nur auf den Tag an, an dem die Begünstigungen nach dem BEinstG wirksam werden, in diesen wurde daher verkürzt von „frühestens mit der Antragstellung“ gesprochen (vgl etwa OGH 17.12.2018, 9ObA86/18i&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 86/18i; OGH 8.10.2008, 9ObA120/08z&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 120/08z). In der – soweit überblickbar – einzigen Entscheidung, in der auch die Frage des Zeitpunkts der Antragstellung von Relevanz war, wurde klargestellt, dass nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 14 Abs 2 dritter Satz BEinstG die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrags beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam werden und dass damit nicht auf den Zeitpunkt, sondern den Tag des Einlangens, also dem Beginn dieses Tages, abgestellt wird (OGH 8.8.2007, 9ObA61/06w&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 61/06w). Warum diese in Einklang mit § 903 ABGB stehende Rechtsauffassung unrichtig sein soll, lässt sich auch der außerordentlichen Revision nicht entnehmen.

Dem folgend sind die Vorinstanzen aber richtig davon ausgegangen, dass der Zugang der Kündigung jedenfalls nach Tagesbeginn des 15.10.2014 anzusetzen ist, als die (rückwirkende) Begünstigung des Kl schon (mit Beginn des Tages) eingetreten war.

Den Argumenten der bekl AG, dass ihr bei Ausspruch der Kündigung die Behinderteneigenschaft des Kl nicht bekannt war, eine Klagsstattgebung sie unbillig hart treffen würde und der Kl durch die Antragstellung nur die Folgen der Kündigung abwenden wolle, kommt demgegenüber nach dem Gesetz und der Rsp keine Relevanz zu. Ebensowenig ist bei Kündigung eines begünstigten behinderten AN ohne Zustimmung des Behindertenausschusses von den Gerichten zu prüfen, ob er durch sein Verhalten Anlass zur Kündigung gegeben hat. Die außerordentliche Revision der bekl AG ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.457