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Arbeitsverhältnisse auf Basis der Weiterverwendungspflicht des § 18 BAG unterliegen dem allgemeinen Kündigungsschutz

KLAUSBACHHOFER

Der Kl stand bei der Bekl von 30.4.2018 bis zum Abschluss der Lehre am 5.10.2019 in einem Lehrverhältnis. Ab 6.10.2019 war er bei der Bekl unbefristet als Arbeiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 6.3.2020 kündigte die Bekl das Arbeitsverhältnis zum 5.4.2020 auf. Auf das Arbeitsverhältnis ist der KollV für ArbeiterInnen im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe anzuwenden.

Der Kl focht die Kündigung wegen eines verpönten Motivs iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG an.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (ohne Feststellungen zum behaupteten Kündigungsmotiv zu treffen) ab und vertrat die Rechtsauffassung, dass eine Kündigungsanfechtung iSd ArbVG in Bezug auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Ablaufs der Behaltefrist nach einem Lehrverhältnis nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kl erhobenen Berufung Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Da das zwischen den Parteien neu begründete Arbeitsverhältnis das Lehrverhältnis nicht fortsetze, unterliege dieses dem allgemeinen Kündigungsschutz der §§ 105 ff ArbVG. Die während der Behaltefrist zu dessen Ende wirksam und termingerecht ausgesprochene Kündigung der Bekl sei daher nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG anfechtbar.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den OGH für zulässig, weil zur Frage, ob allein wegen der noch nicht abgelaufenen Behaltefrist und trotz Arbeitsvertragsabschluss das Auflösungsregime der §§ 14, 15 BAG noch anwendbar sei, keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Der Rekurs der Bekl gegen den Aufhebungsbeschluss wurde vom OGH für zulässig, aber nicht als berechtigt erkannt.

Gem § 18 Abs 1 Berufsausbildungsgesetz (BAG) ist der Lehrberechtigte verpflichtet, den Lehrling, dessen Lehrverhältnis mit ihm gem § 14 Abs 1 oder § 14 Abs 2 lit e endet, im Betrieb drei Monate im erlernten Beruf weiter zu beschäftigen. Die Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Kl ab 6.10.2019 lag hier vor, weil der Kl nach erfolgreicher Lehrabschlussprüfung seine Lehre am 5.10.2019 beendet hatte. Gem Art IV Z 7 des KollV beträgt die Behaltefrist sechs Monate.

Die Weiterverwendungspflicht des ausgelernten Lehrlings bewirkt nicht schon einen automatischen Vertragsabschluss ex lege. § 18 Abs 1 BAG normiert lediglich eine einseitige Verpflichtung des Lehrberechtigten zum Abschluss eines entsprechenden Arbeitsvertrags. Bei der Weiterbeschäftigung des Lehrlings nach dem Ende der Lehrzeit wird nicht das bestehende Arbeitsverhältnis (= Lehrverhältnis) fortgesetzt, sondern ein neues Arbeitsverhältnis begründet. In diesem Sinne haben die Parteien (unstrittig) schlüssig ab 6.10.2019 ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen.

Wurde der Behaltepflicht durch Abschluss eines neuen unbefristeten Arbeitsverhältnisses entsprochen, kann dieses vom AG durch Kündigung aufgelöst werden.

Das iSd § 18 Abs 1 BAG zur Erfüllung der Weiterverwendungspflicht des ausgelernten Lehrlings (befristet oder unbefristet) abgeschlossene neue Arbeitsverhältnis unterliegt grundsätzlich dem allgemeinen Kündigungsschutz der §§ 105 ff ArbVG.

Der allgemeine Kündigungsschutz greift dann aber nach Wegfall des besonderen Kündigungsschutzes im neuen Arbeitsverhältnis zur Erfüllung der Weiterverwendungspflicht des ausgelernten Lehrlings iSd § 18 Abs 1 BAG.

Zusammengefasst sind auf ein in Entsprechung der Weiterverwendungspflicht nach § 18 BAG auf unbestimmte Zeit neu eingegangenes Arbeitsverhältnis die Bestimmungen über den allgemeinen Kündigungsschutz der §§ 105 ff ArbVG anzuwenden.456