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Korrektur des Vorrückungsstichtags wegen Altersdiskriminierung: 30-jährige Verjährungsfrist beginnt erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2000/78/EG zu laufen

RICHARDHALWAX

Der Kl stand vom 1.9.1980 bis 31.8.1983 in einem Lehrverhältnis zur Bekl. Nach Ablauf der Behaltefrist begründeten die Parteien am 1.1.1984 ein Dienstverhältnis, in dessen Rahmen der Kl nach wie vor als Vertragsbediensteter im handwerklichen Dienst bei der Bekl beschäftigt ist.

Der Kl begehrte mit der am 24.10.2019 beim Erstgericht eingebrachten Klage von der Bekl die Zahlung von € 8.494,32 sA an offenem Differenzentgelt seit November 2014 sowie die Feststellung, dass der Anspruch des Kl auf Entlohnung nach dem Vorrückungsstichtag 1.1.1981 zu erfolgen habe. Seitens der Bekl sei ein unrichtiger, weil altersdiskriminierender, Vorrückungsstichtag für den Kl festgesetzt worden, weshalb er ein geringeres Einkommen beziehe. Er habe am 29.11.2017 erstmals bei der Bekl beantragt, den Vorrückungsstichtag neu festzusetzen und ihm darüber hinaus die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verjährten Bezugsdifferenzen nachzuzahlen. Da die gegenständliche Rechtsproblematik auf der GleichbehandlungsrahmenRL 2000/78/EG beruhe und deren Umsetzungsfrist erst per 3.12.2003 geendet habe, sei das Recht des Kl mit dem Ablauf dieses Tages entstanden und habe er seinen Antrag auf Korrektur des Vorrückungsstichtags objektiv erst dann einbringen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene außerordentliche Revision des Kl mit einem auf Klagsstattgebung gerichteten Abänderungs-, hilfsweise mit einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Die Revision ist – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – laut OGH zulässig und iS ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt, weil sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen zur Verjährung als korrekturbedürftig erweist.

Richtig ist, dass für die Frage der Verjährung von Entgeltansprüchen gem § 1480 ABGB zwischen der Verjährung des Gesamtrechts an sich und der Verjährung der einzelnen Nachforderungen zu unterscheiden ist. Der OGH hat bereits klargestellt, dass das Gesamtrecht, eine Entgeltaufwertung (Korrektur der Einstufung) zu fordern, gem § 1480 ABGB nach 30 Jahren verjährt. In dem Zusammenhang hat er auch ausgeführt, dass die Verjährungsfrist ab der unrichtigen Einstufung durch den AG, frühestens also mit Beginn des Arbeitsverhältnisses, zu laufen beginnt (OGH 26.2.2015, 8 ObA 11/15y; OGH 27.6.2013, 8 ObA 20/13v [Vorabentscheidungsersuchen]; OGH 23.2.1994, 9 ObA 343/93).

Der Beginn der Verjährung eines Anspruchs setzt ganz grundsätzlich das Entstehen des Anspruchs und die zumindest objektive Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung voraus (OGH 26.1.2005, 3 Ob 234/04i). Entscheidend ist daher der Zeitpunkt, in welchem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht.

Zu Recht rügt der Kl, dass die Vorinstanzen von dieser Rechtslage abgewichen sind, indem sie die Verjährung des auf Unionsrecht gestützten Anspruchs des Kl zu einem Zeitpunkt (1984) beginnen ließen, in dem Österreich noch nicht einmal Mitglied der Europäischen Union war. Vor Geltung des hier in der GleichbehandlungsrahmenRL 2000/78/EG konkretisierten Verbots der Altersdiskriminierung bestand gar kein Anspruch des Kl auf Korrektur des Vorrückungsstichtags, sodass die objektive Verjährungsfrist auch keinesfalls vorher zu laufen beginnen konnte. In Einklang mit der OGH-E vom 24.9.2012, 9 ObA 70/12b, ist davon auszugehen, dass erstmals nach Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2000/78/EG am 3.12.2003 der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis mehr im Weg stand.

Da die Vorinstanzen daher fälschlich Verjährung des Gesamtrechts angenommen haben, war die Aufhebung ihrer Entscheidungen zur inhaltlichen Prüfung des Klagebegehrens erforderlich.