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Über den Nichtigkeitsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs hat das Berufungsgericht mittels Beschluss zu entscheiden

PIA ANDREAZHANG

Der Kl leidet an einer durch den Lärm während seiner Berufsausübung bedingten Schwerhörigkeit, die als Berufskrankheit anerkannt ist. Zusätzlich leidet er auch an einer lärmfremden Innenohrschwerhörigkeit. Der Kl beantragte bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt die Gewährung einer Versehrtenrente, was mangels entsprechender Minderung der Erwerbsfähigkeit abgelehnt wurde.

Der Kl erhob dagegen Klage.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und begründete dies damit, dass laut dem eingeholten HNO-Sachverständigengutachten die Minderung der Erwerbsfähigkeit 0 vH betrage. Der Kl habe dieses elektronisch zugestellte Gutachten nicht in Zweifel gezogen und sei auch nicht zur mündlichen Streitverhandlung erschienen, weshalb davon auszugehen sei, dass er keine Einwendungen dagegen habe.

Der in erster Instanz unvertretene Kl erhob dagegen Berufung aufgrund von Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Er brachte vor, dass weder das Gutachten noch die Ladung wirksam zugestellt worden seien. Er sei nicht durch E-Mail informiert worden und erst die nachträgliche Nachschau habe ergeben, dass die Unterlagen mit der Zustellqualität „Rsa“ im elektronischen Postfach hinterlegt worden seien.

Das Berufungsgericht trug dem Erstgericht zunächst Erhebungen zum Nachweis der elektronischen Zustellung nach § 35 Abs 3 ZustG auf. Daraus ergab sich, dass die Dokumente erfolgreich zugestellt wurden und Zustellnachweise versendet, aber vom Kl nicht abgeholt wurden. Der Kl behauptete, dass die verwendete E-Mailadresse im Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr aktiv und gelöscht gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl in Form eines Urteils nicht Folge und stellt fest, dass es zu einer wirksamen elektronischen Zustellung an der dem Gericht bekanntgegebenen und für die Verständigung gespeicherten E-Mailadresse gekommen sei. Dass der Kl über die Möglichkeit der Abholung der Dokumente keine Kenntnis erlangt habe, sei ausschließlich Folge einer Verletzung seiner Obliegenheit, die Änderung der elektronischen Adresse bekannt zu geben.

Die Revision wurde zugelassen.

Der OGH hielt in seinem Beschluss zunächst fest, dass das Rechtsmittel als Rekurs (Anm: und nicht als Revision) zu werten, aber nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO unzulässig sei.

Der Kl machte in seinem Rechtsmittel ausschließlich den Nichtigkeitsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend. Seiner Auffassung nach wurde er infolge einer jeweils gesetzwidrigen Zustellung von der Teilnahme an der einzigen mündlichen Streitverhandlung ausgeschlossen und konnte sich zu dem ebenfalls nicht zugestellten Sachverständigengutachten als wesentlichem Beweismittel nicht äußern. Über eine derartige Berufung hätte das Berufungsgericht durch Beschluss zu entscheiden gehabt. Gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem es einer Berufung wegen Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nicht Folge gibt, ist ein Rekurs nach § 519 Abs 1 ZPO jedenfalls unzulässig. Diese Beschränkung kann nicht dadurch umgangen werden, indem der Anfechtungsgrund der Nichtigkeit in der Berufung als Mangelhaftigkeit des Verfahrens bezeichnet wird.

Der Entscheidung des Berufungsgerichts ist eindeutig zu entnehmen, dass das Gericht über den Berufungsgrund der Nichtigkeit entscheiden wollte. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist klar erkennbar zu Unrecht als Urteil bezeichnet worden. Das als Revision bezeichnete Rechtsmittel ist dem Gesetz entsprechend als Rekurs zu behandeln, der aber zufolge § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig ist.

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