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Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld trotz vierwöchiger bezahlter Dienstfreistellung im Beobachtungszeitraum

SOPHIAMACIAN

Die Kl war seit 2016 bei ihrem DG beschäftigt. Am 6.3.2019 wurde das Dienstverhältnis einvernehmlich zum 31.7.2019 gelöst. Dabei wurde vereinbart, dass die Kl nach Verbrauch ihres Resturlaubes bis zum Eintritt des Mutterschutzes am 7.5.2019 gegen Fortzahlung des Entgelts dienstfrei gestellt wird.

Mit Bescheid vom 7.1.2020 lehnt die Bekl den Antrag auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens im Zeitraum von 4.7.2019 bis 2.7.2020 ab, da nach Ansicht der Bekl durch die Dienstfreistellung von vier Wochen im Beobachtungszeitraum die Voraussetzung einer „tatsächlichen Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen durchgehenden Erwerbstätigkeit“ iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG iVm § 24 Abs 2 KBGG nicht erfüllt sei.

Das Erstgericht bestätigte den Anspruch der Kl und sah die Dienstfreistellung als unschädlich an. Das Berufungsgericht hingegen folgte der Berufung der Bekl und änderte das Urteil iS einer vollständigen Klageabweisung ab und begründete dies damit, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Begriff der „tatsächlichen“ Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 erster Satz KBGG an eine faktische Erbringung der Arbeitsleistung anknüpft und das bloße Bestehen eines Arbeitsvertragsverhältnisses nicht ausreiche, weshalb eine vierwöchige Dienstfreistellung gegen Entgeltfortzahlung sehr wohl anspruchsschädlich sei.

Dagegen richtete sich die Revision der Kl, welche sich im Wesentlichen auf das zuvor ergangene Urteil des OGH vom 13.10.2020, 10 ObS 99/20m, stützte und brachte in der Revision vor, dass es der Wille des Gesetzgebers war, missbräuchliche „Scheinerwerbstätigkeiten“ vom Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld auszuschließen und nach dem Gesetzesbegriff keine konkrete Ausübung der Erwerbstätigkeit erforderlich sei.

Der OGH sah die Revision der Kl als zulässig und auch als berechtigt an. In Anlehnung an die E zu 10 ObS 99/20m, in welcher es um die Frage des Anspruchs auf Familienzeitbonus bei Sonderurlaub ohne Entfall der Bezüge ging, sprach der OGH auch im gegenständlichen Fall aus, dass das Erwerbstätigkeitserfordernis als erfüllt anzusehen ist, wenn die Erwerbstätigkeit weiterhin der Sozialversicherungspflicht unterliegt und dafür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, unabhängig davon, ob faktisch Arbeitsleistung erbracht wird. Dies trifft sowohl beim Sonderurlaub als auch bei einer Dienstfreistellung – wenn weiterhin Entgelt bezogen wird (Weiterbestehen der Pflichtversicherung) – zu. Anders wäre das im Fall eines unbezahlten Urlaubs unter Wegfall der Pflichtversicherung oder bei Bezug einer Urlaubsersatzleistung. Somit unterscheidet sich der Begriff der „tatsächlichen“ Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach dem KBGG und FamZeitbG von jenem der Schwerarbeit, wo physische Arbeitstätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrages notwendig ist.

Anders als das Berufungsgericht sah der OGH daher im Fall der Kl die Voraussetzungen der tatsächlichen Erwerbstätigkeit im 182-tägigen Beobachtungszeitraum aufgrund der Tatsache der Fortzahlung des Entgelts und damit des Weiterbestehens der Sozialversicherungspflicht während der vierwöchigen Dienstfreistellung als erfüllt an und stellte das klagsstattgebende Ersturteil wieder her.