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Universitätsrat: vollständige Sitzungsunterlagen und Protokolle sowie Sitzungsteilnahme bei Rektorswahl für Betriebsräte

HANNESSCHNELLER

Es besteht der Anspruch des BR wissenschaftliches Personal und des BR allgemeines Personal, zu allen Tagesordnungspunkten einer Sitzung des Universitätsrats spätestens eine Woche vor der Sitzung jene vollständigen Informationen zu erhalten, die dem Universitätsrat (seinem Vorsitzenden) selbst schriftlich zur Verfügung stehen. Weiters besteht Anspruch auf Übermittlung jedes ausgefertigten Sitzungsprotokolls an die Vorsitzenden der beiden Betriebsräte spätestens drei Wochen nach erfolgter Sitzung. Ebenso besteht Anspruch auf Teilnahme der Vorsitzenden auch an jenen Sitzungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rektoratswahl (mit Ausnahme des Wahlvorgangs) stattfinden.

Sachverhalt

Mit Feststellungsklage(n) begehrten einerseits die Betriebsratsorgane einer österreichischen Universität, andererseits auch die Vorsitzenden dieser Organe, die weitgehende Gleichbehandlung mit den (sieben) Mitgliedern des Universitätsrats. Hintergrund dieser klagsweise geltend gemachten Forderung nach Mitwirkung im Aufsichtsorgan „auf Augenhöhe“ ist die folgende Bestimmung zu diesem sehr speziell geregelten Organ der Universitäten, nämlich § 21 UG 2002:

Universitätsrat

§ 21. (1) Der Universitätsrat hat in seiner Funktion als begleitend und vorausschauend tätiges Aufsichtsorgan folgende Aufgaben:

1. Genehmigung des Entwicklungsplans, des Organisationsplans, des Entwurfs der Leistungsvereinbarung sowie der Geschäftsordnung des Rektorats;

2. Ausschreibung der Funktion der Rektorin oder des Rektors […];

3. Erlassung der Bestimmungen für die Wahl der Rektorin oder des Rektors nach Einholung einer Stellungnahme des Senates […];

4. Wahl der Rektorin oder des Rektors aus dem Dreiervorschlag des Senats innerhalb von vier Wochen ab Vorlage des Vorschlags […]

(3) Der Universitätsrat besteht aus fünf, sieben oder neun Mitgliedern, die in verantwortungsvollen Positionen in der Gesellschaft, insbesondere der Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft, tätig sind oder waren und auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Universität leisten können. Über eine Änderung der Größe des Universitätsrats entscheidet der Senat mit Zweidrittelmehrheit. […]

(6) Dem Universitätsrat gehören nach Maßgabe des Abs. 3 folgende fünf, sieben oder neun Mitglieder an:

1. zwei, drei oder vier Mitglieder, die vom Senat gewählt werden;

2. zwei, drei oder vier Mitglieder, die von der Bundesregierung auf Vorschlag der Bundesministerin oder des Bundesministers bestellt werden;

3. ein weiteres Mitglied, das von den unter Z 1 und 2 genannten Mitgliedern einvernehmlich bestellt wird. […]

(15) […] Die Vorsitzenden der beiden Betriebsräte gemäß § 135 Abs. 3 sind einzuladen und haben jeweils das Recht, an den Sitzungen teilzunehmen, Anträge zu allen Tagesordnungspunkten zu stellen sowie zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung setzen zu lassen, die mit der Ausübung ihrer Funktion als Betriebsrat im Rahmen ihrer innerbetrieblichen Interessenwahrnehmungskompetenz nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) unmittelbar in Zusammenhang stehen und in die Zuständigkeit des Universitätsrats fallen. Sie sind297 bei diesen Punkten stimmberechtigt, wobei diesbezügliche Beschlüsse der Zweidrittelmehrheit der Anwesenden bedürfen. Den Vorsitzenden der beiden Betriebsräte ist unverzüglich jeweils eine Abschrift der Protokolle der Sitzungen des Universitätsrats zu übermitteln.“

Die beiden Betriebsratsvorsitzenden hatten Sitzungsunterlagen „erst anläßlich der Sitzung“ erhalten und auch die Protokolle waren ihnen viel zu spät übermittelt worden, nämlich erst in der Folgesitzung „vor Ort“ ausgehändigt – und noch dazu erst nach „Beschlussfassung über den Protokollinhalt“ (vulgo „Genehmigung“ des Protokolls). Die Einladung zur Rektorswahl war nur an die Mitglieder des Universitätsrats, nicht aber an die gem § 21 Abs 15 teilnahmeberechtigten Betriebsratsvorsitzenden ergangen. Die letzte Rektorswahl vom 1.6.2017 hatte ohne vorherige Diskussion über den Dreiervorschlag des Senats stattgefunden.

Gegen all diese Vorkommnisse richteten sich die Feststellungsbegehren der Betriebsräte und der Betriebsratsvorsitzenden.

Verfahren und Entscheidung

Die Feststellungsklagen (§ 228 ZPO), für die ein „rechtliches“ und nicht bloß faktisches Interesse Voraussetzung ist, – woran Kl immer wieder scheitern – wurde letztlich zugelassen (siehe ganz am Ende der folgenden „Originalzitate“). Das Erstgericht ASG Wien hatte sämtliche Feststellungsbegehren noch zurückgewiesen, also gar nicht „zugelassen“, und außerdem als „zu weit gefasst“ beurteilt. Das OLG Wien erkannte im Berufungsverfahren hingegen auf Vorliegen rechtlicher Interessen, also Klagsführung und Rechtsschutzinteresse berechtigt, allerdings nicht für die Betriebsratsvorsitzenden: Ihnen stünden die Vertretungsrechte nicht persönlich zu, sondern nur den gem § 53 Abs 1 ASGG als parteifähig erklärten Betriebsräten (Organe der Belegschaft). Der OGH bestätigte das OLG-Urteil weitgehend und fügte noch Ergänzungen zur Rechtzeitigkeit der Protokollübermittlung an.

Originalzitate aus der Entscheidung

Die Geschäftsordnung (GO) des Universitätsrats finde keine Anwendung auf die Betriebsratsvorsitzenden, „die keine „echten“ Mitglieder des Universitätsrats sind, sondern in diesem Gremium lediglich bestimmte Mitwirkungsbefugnisse haben (vgl § 21 Abs 3 UG 2002; Kucsko-Stadlmayer, Die Mitwirkungsbefugnisse der Betriebsratsvorsitzenden im Universitätsrat, zfhr 2011, 217 ff, Pkt III.3.). […]

Der Anspruch der Betriebsräte gegen die Universität, im Sinne des § 21 Abs 15 UG 2002 zu allen Tagesordnungspunkten einer Sitzung des Universitätsrats im Voraus jene vollständigen Informationen zu erhalten, die dem Universitätsrat (seinem Vorsitzenden) selbst schriftlich zur Verfügung stehen, besteht mit der Maßgabe zu Recht, dass ihnen diese schriftlichen Unterlagen spätestens eine Woche vor der Sitzung zugeleitet werden. Soweit aber dem Universitätsrat selbst solche Unterlagen erst später zukommen, [erfolgt] die Weiterleitung umgehend mit der Einschränkung, dass nur in Papierform und nicht EDV-mäßig vorliegende Unterlagen dann nicht zugeleitet werden müssen, sondern in Bezug auf sie lediglich eine Einsichtsmöglichkeit zu eröffnen ist, wenn sie einen außerordentlichen Umfang (mindestens 50 DIN A4-Seiten entsprechend) haben.

Das UG 2002 definiert das „Protokoll“ nicht näher. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist dabei eine – üblicherweise vom Schriftführer des Gremiums verfasste – schriftliche Zusammenstellung über die Sitzung des Gremiums zu verstehen, aus der ua hervorgeht, wann und wo diese Sitzung stattgefunden hat, wer daran teilgenommen hat, was besprochen wurde, welche Anträge von wem gestellt wurden und insbesondere, welche Beschlüsse gefasst wurden. In der nachfolgenden Sitzung wird üblicherweise dieses Protokoll über die vorhergehende Sitzung vom Gremium dann „genehmigt“.

Die auch im vorliegenden Fall nach § 4 Abs 4 GO vorgesehene Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung besagt nicht, dass damit das Protokoll „rechtsverbindlich“ wird. Die förmliche Genehmigung des Protokolls bedeutet lediglich, dass die Mitglieder des Universitätsrats bestätigen, dass das Protokoll die Tatsachen (den Ablauf der Sitzung), also insbesondere deren Teilnehmer, die gestellten Anträge und die gefassten Beschlüsse richtig wiedergibt. Es ist zwar richtig, dass die Betriebsratsvorsitzenden kein förmliches Einspruchsrecht gegen das vom Schriftführer verfasste und zunächst nur vom Vorsitzenden des Universitätsrats unterfertigte Protokoll haben. Da aber auch sie das Recht haben, Anträge im Sinne des § 21 Abs 15 Satz 2 UG 2002 zu stellen, muss ihnen auch die Möglichkeit gewährt werden, insofern auch am Tagesordnungspunkt „Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung“ mitzuwirken, als sie allfällige Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten des verfassten Protokolls vor der förmlichen Genehmigung durch den Universitätsrat aufzeigen können. Dies können die Betriebsratsvorsitzenden aber nur dann, wenn ihnen – wie den sieben Mitgliedern des Universitätsrats (§ 21 Abs 3 UG 2002 iVm § 1 GO) – das Protokoll der vorangegangenen Sitzung des Universitätsrats schon vor der darauffolgenden Sitzung zugekommen ist (aA Kucsko-Stadlmayer, Die Mitwirkungsbefugnisse der Betriebsratsvorsitzenden im Universitätsrat, zfhr 2011, 217 ff, Pkt VI.6.).

Das Sitzungsprotokoll muss spätestens drei Wochen nach der Sitzung vorliegen, also „ausgefertigt“ sein, weil andernfalls der Universitätsrat seiner Verpflichtung, das ausgefertigte Protokoll seinen Mitgliedern spätestens drei Wochen nach erfolgter Sitzung zu übermitteln, nicht nachkommen könnte. […] Von diesem ausgefertigten Protokoll ist eine Abschrift298 (vom Original) herzustellen und diese den Vorsitzenden der beiden Betriebsräte unverzüglich zu übermitteln. Dass der unbestimmte Gesetzesbegriff „unverzüglich“ im Anlassfall im Sinne von „spätestens drei Wochen nach erfolgter Sitzung“ verstanden werden kann, wird in der Revisionsbeantwortung nicht weiter in Frage gestellt. Mit dieser Zeitbestimmung ist auch ein sachgerechter Gleichklang mit § 10 Abs 4 erster Satz GO hergestellt. In diesem Umfang besteht daher das Feststellungsbegehren betreffend die Übermittlung des Protokolls der Sitzung des Universitätsrats zu Recht. […]

Im Revisionsverfahren ist weiters strittig, ob die Vorsitzenden der Betriebsräte bzw deren Stellvertreter das Recht haben, auch an jenen Sitzungen des Universitätsrats teilzunehmen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rektoratswahl (mit Ausnahme des Wahlvorgangs selbst) stattfinden. Auch dieses Recht stützen die Revisionswerber auf § 21 Abs 15 UG 2002. Das in § 21 Abs 15 Satz 2 UG 2002 normierte Recht der Betriebsräte der Beklagten, an den Sitzungen des Universitätsrats teilzunehmen, erfährt nach dem Gesetzeswortlaut keine Beschränkung auf die Teilnahme nur an jenen Sitzungen, die mit der Ausübung der Funktion als Betriebsrat im Rahmen ihrer innerbetrieblichen Interessenwahrnehmungskompetenz unmittelbar in Zusammenhang stehen und in die Zuständigkeit des Universitätsrats fallen. Weder die Einladung zu noch die Teilnahme an den Sitzungen des Universitätsrats ist an bestimmte Sitzungsinhalte gebunden. Schon in der Stammfassung des UG 2002 (BGBl I 2002/120) war festgehalten, dass die Betriebsratsvorsitzenden zu allen [Fettdruck in der originalen OGH-Entscheidung; Anm] Sitzungen des Universitätsrats einzuladen und im Rahmen der ihnen nach dem ArbVG zukommenden Aufgaben anzuhören sind. […]

Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung ist dem Zweit- und den Viertkläger schon deshalb nicht abzusprechen, weil die Beklagte das geltend gemachte Recht des Zweit- und des Viertklägers durchgehend bestreitet (OGH9 Ob 85/14m Pkt. 3.; RS0037422 [T5]), sodass es zweckmäßig ist, die strittige Rechtsbeziehung zwischen den Parteien zu klären, um weitere Streitigkeiten zu vermeiden (RS0037422).

Erläuterung

Der Entscheidung ist aus meiner Sicht zuzustimmen. Es ist anzunehmen, dass die Leitsätze zur „Gleichberechtigung“ von AN-VertreterInnen hinsichtlich vorbereitender Sitzungsunterlagen und Protokoll auch auf Aufsichtsräte von Kapitalgesellschaften (AG und GmbH va), Genossenschaften, großen Vereinen und ähnlichen Rechtsträgern judiziell übertragen werden, falls dort ähnliche Missstände vor Gericht gebracht werden müssten.

Denn für die Effizienz der Belegschaftsinteressenvertretung im Aufsichtsrat (meist gem § 110 ArbVG, hier aber § 21 Abs 15 UG) sind vollständige vorbereitende Sitzungsunterlagen und ein relativ zeitnah verfügbares Protokoll unerlässlich!

Weil § 110 Abs 3 ArbVG Betriebsratsmitgliedern im Aufsichtsrat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die „gleichen Rechte und Pflichten“ verleiht, welche die „KapitalvertreterInnen“ haben – also eine noch stärker angeglichene Rechtsstellung als nach § 21 UG –, müssen die oben angeführten OGH-Sentenzen zu vorbereitenden Unterlagen und zum Protokoll umso mehr gelten.

Echte Mitbestimmung, also wirksame Vertretung der Belegschaftsinteressen (vgl § 38 ArbVG) „auf Augenhöhe“ mit dem AG, entspricht den Normzwecken des Arbeitsverfassungsgesetzes und wird durch diese klug begründete Gerichtsentscheidung gestärkt.