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Entgeltfortzahlungsanspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds: Mutmaßlicher Karriereverlauf ist entscheidend

MARTINACHLESTIL

Der Kl ist seit 1999 freigestellter Personalvertreter und Betriebsratsmitglied. Seit 1.12.2009 ist er als „L*leiter 2“ (kurz: „L 2“) eingestuft und wird als solcher entlohnt. Mit den eingebrachten Klagen begehrt er nun eine ergänzende Gehaltszahlung für den Zeitraum 2014 bis 2019 entsprechend der Gehaltsdifferenz zwischen der Position eines „L 2“ und der Position eines „L*leiters 1“ (kurz: „L 1“) sowie die Feststellung, dass er auch hinkünftig entsprechend der Position eines „L 1“ entlohnt werde.

Die Vorinstanzen wiesen beide Klagebegehren ab. Der OGH folgt deren Rechtsansicht und führt aus wie folgt:

Gem § 117 Abs 1 ArbVG ist den freigestellten Betriebsratsmitgliedern das Entgelt fortzuzahlen. Die Höhe dieses Entgelts richtet sich danach, was das Betriebsratsmitglied verdient hätte, wenn es während dieser Zeit gearbeitet hätte. Es gilt daher das Ausfallsprinzip. Zu ersetzen ist nur der mutmaßliche Verdienst. Dieser umfasst das, was der betreffende AN, hätte er nicht eine die Freistellung erfordernde Betriebsratsfunktion bekleidet, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge – also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – weiterhin bezogen hätte.

Dies trifft auch auf die Ermittlung des mutmaßlichen Verdienstes eines länger freigestellten Betriebsratsmitglieds und dessen festzustellender mutmaßlicher betrieblicher Karriere bei länger andauernder Freistellung zu. Der Karriereverlauf ist anhand von AN, die mit dem Betriebsratsmitglied vor dessen Freistellung weitgehend vergleichbar waren, zu fingieren. Auch der fiktive Karriereverlauf muss überwiegend wahrscheinlich sein, also einer typischerweise verlaufenden betrieblichen „Durchschnittskarriere“ entsprechen.

Diese Grundsätze entsprechen dem Beschränkungs- und Benachteiligungs- bzw dem Privilegierungsverbot. Betriebsratsmitglieder dürfen insb hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten nicht benachteiligt werden (§ 115 Abs 3 ArbVG). Andererseits ist aber auch eine höhere bzw günstigere Entgeltfortzahlung für die Betriebsratstätigkeit im Hinblick darauf unzulässig, dass die Zuwendung jeglicher materieller Vorteile aus dem Anlass der Betriebsratstätigkeit rechtswidrig ist.

Gegenständlich ist nur noch strittig, ob der Kl, der als freigestelltes Betriebsratsmitglied im Jahr 2009 auf eine Planstelle „L 2“ eingestuft worden war, fiktiv schon am 1.5.2005 dauerhaft die Position „L 2“ erreicht hätte. Dann wäre er nämlich in den Genuss einer im Jahr 2014 zwischen dem Zentralbetriebsrat und der bekl AG getroffenen Vereinbarung gekommen, nach der die von dieser Vereinbarung erfassten L*leiter ungeachtet der mittlerweiligen Abschaffung der Position des „L 1“ nach wie vor entsprechend dieser Position entlohnt werden.

Das Erstgericht hat anhand der oben wiedergegebenen Kriterien detaillierte Feststellungen zur überwiegend wahrscheinlichen Karriereentwicklung des Kl bis 2005 getroffen. Aus diesen Feststellungen ist hervorzuheben, dass von den 600 vergleichbaren, für die Position eines L*leiters in Frage kommenden AN insgesamt nur 15 AN (somit nur 2,5 %) diese Position jemals erreichen, der Kl (trotz Einräumung entsprechender Möglichkeiten) seit 2002 keine Weiterbildungen mehr besucht und285 die für die Position eines L*leiters vorgesehene Dienstprüfung nicht abgelegt hat. Diese und weitere Beweisergebnisse (ua dass sich der Kl zuletzt 1997 um diese Position beworben hatte) mündeten in die negative Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kl nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge schon vor dem 1.1.2005 dauerhaft die Stellung eines „L 2“ erreicht hätte, wenn er nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied gewesen wäre.

Ist dem Kl dieser Nachweis nicht gelungen, ist die Beurteilung der Vorinstanzen, er komme nicht in den Genuss der von ihm begehrten Vergünstigung nach der Lage des Falls nicht zu beanstanden. Dass er die Position eines „L 2“ trotz Erfüllung aller dafür notwendigen Voraussetzungen nur deshalb nicht schon 2005 erhalten hätte, weil er als freigestelltes Betriebsratsmitglied benachteiligt worden wäre, hat der Kl nicht behauptet.

Die außerordentliche Revision des Kl ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage daher zurückzuweisen.