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Umqualifizierung eines dem VBG unterliegenden Dienstverhältnisses: Berechnung der Urlaubsersatzleistung nach dem zwingenden Entgeltschema des VBG

RICHARDHALWAX

Der Kl, der als selbständiger Medienberater tätig war, schloss nach einem Vergabeverfahren am 3.6.2002 mit der K* als deren Auftragnehmer einen unbefristeten PR-Beratungsvertrag (in Form eines Werkvertrags). Aufgrund einer 2010 eingeleiteten GPLA-Prüfung war mit dem Abschluss mehrerer Verwaltungsverfahren ab 7.6.2017 klargestellt, dass der PR-Vertrag mit dem Kl samt Zusatzverträgen rechtlich nicht als Werkvertrag, sondern als Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Der Kl wurde rückwirkend mit 3.2.2002 als DN bei der Kärntner Gebietskrankenkasse gemeldet.

Über Weisung des Aufsichtsrats wurde im Jahr 2009 der Vertragsteil betreffend das K*-Management zum 31.1.2010 gekündigt. Das vorerst weiterlaufende befristete unkündbare Vertragsverhältnis betreffend das K* K* wurde mit Schreiben vom 30.8.2011 mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund aufgelöst. Die folgenden Rechtsstreitigkeiten über den Fortbestand des (gesamten) Vertragsverhältnisses wurden am 28.1.2014 vergleichsweise beendet. Zum Jahresende 2015 wurde die Tätigkeit des Kl einvernehmlich beendet.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kl ua Urlaubsentschädigung. Strittig im Revisionsverfahren war die Frage, ob die Berechnung der Urlaubsentschädigung auf Grundlage des monatlich zur Auszahlung gelangten Werkvertragshonorars zu erfolgen hat oder ob auf das – niedrigere – zwingende Entgeltschema nach dem K-LVBG 1994 Bedacht zu nehmen ist. Der Kl bringt dazu zusammengefasst vor, hätte die Bekl im Jahr 2002 rechtskonform einen Dienstvertrag abgeschlossen, wäre dieser ohne Zweifel als Sondervertrag bezeichnet worden. Einem Dienstvertrag auf Grundlage des K-LVBG 1994 (mit entsprechend niedriger Entlohnung) hätte er niemals seine Zustimmung erteilt. Als Bemessungsgrundlage für die Urlaubsentschädigung sei daher das tatsächlich zwischen den Streitteilen vereinbarte Entgelt für eine Vollzeitbeschäftigung heranzuziehen. Die Bekl wandte ein, der Abschluss eines Dienstvertrags (Sondervertrags) sei nicht in ihrer Intention gestanden. Als Bemessungsgrundlage für die Urlaubsentschädigung seien die zwingenden Entgeltbestimmungen des K-LVBG 1994 heranzuziehen; darüber hinaus habe der Zeitaufwand für die vom Kl zu erbringenden Leistungen nicht einer Vollzeitbeschäftigung entsprochen.

Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt und legte der Urlaubsentschädigung als Bemessungsgrundlage den Werkvertragslohn zugrunde. Zwar stellte es fest, dass Sonderverträge bei der K* grundsätzlich nur in einem (hier nicht vorliegenden) Ausnahmefall geschlossen würden und dass im Fall des Kl von Seiten der Bekl der Abschluss eines Sondervertrags nicht gewollt gewesen sei, weil man den Einkauf der Leistung eines Unternehmers und den Abschluss eines Werkvertrags beabsichtigte. Der hypothetische Parteiwille des Kl sei aber dahin gegangen, dass er eine Tätigkeit als PR-Berater für ein Entgelt, wie im K-LVBG 1994 festgelegt, nicht aufgenommen hätte, dies auch nicht als Vollzeitbeschäftigung mit dem vierfachen Bezug. Es sei daher davon auszugehen, dass es im Jahr 2002 zum Abschluss eines entsprechenden – in der Dispositionsmöglichkeit der Parteien stehenden – Sondervertrags gekommen wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu. Laut OGH war diese auch berechtigt. Im vorliegenden Fall bedarf laut OGH die Annahme der Vorinstanzen, es liege eine mittels ergänzender Vertragsauslegung (durch Rückgriff auf einen Sondervertrag) zu schließende Vertragslücke vor, einer Korrektur, weil sie mit den Auslegungsregeln nicht in Einklang steht:

Dienstrechtsgesetze für öffentlich Bedienstete sind dadurch gekennzeichnet, dass sie für die Dienstverhältnisse zu bestimmten Körperschaften den wesentlichen Inhalt des Dienstvertrags zwingend, also weder durch KollV noch BV noch Einzelvertrag abdingbar festlegen. Die gesetzlichen Rechte und Pflichten von Vertragsbediensteten können nur unter den im Gesetz vorgesehenen Rahmenbedingungen geändert werden. Die Entlohnung der Vertragsbediensteten hat daher grundsätzlich nach den jeweiligen, zwingenden Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften zu erfolgen. Jede nicht dem Gesetz276 entsprechende Gestaltung ist rechtswidrig und hat jedenfalls pro futuro keinen Bestand. Auch die Einstufungsvorschriften des K-LVBG 1994 sind zwingendes Recht, von dem grundsätzlich nicht abgegangen werden kann. Ihre Geltung ist nicht von einer Vereinbarung im Dienstvertrag abhängig. Entlohnungen, die über die zwingenden Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften hinausgehen, können nur in begründeten Ausnahmefällen in Sonderverträgen (§ 36 VBG, § 8 K-LVBG 1994) vereinbart werden (OGH 28.3.2007, 9 ObA 143/06d).

Auch bei Berechnung der Urlaubsentschädigung ist auf das zwingende Entgeltschema nach K-LVBG 1994 Bedacht zu nehmen. Dies trifft grundsätzlich auch dann zu, wenn ein Vertragsverhältnis erst im Nachhinein rechtlich in ein Dienstverhältnis nach dem K-LVBG 1994 umqualifiziert wird:

Zur Entgeltanpassung bei rechtlicher Umqualifizierung von Vertragsverhältnissen in einen echten Arbeitsvertrag wurde zur Urlaubsersatzleistung bereits ausgesprochen, dass deren Geltendmachung nicht einmal dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, wenn sie mit dem früheren Verhalten eines AN im Widerspruch steht, weswegen bei der Berechnung dieses Anspruchs die von den Parteien getroffene Entgeltabrede zugrunde zu legen ist (OGH 17.2.2005, 8 ObA 20/04f; OGH 26.7.2012, 8 ObA 56/11k; OGH 24.9.2012, 9 ObA 51/12h). Im Fall der Umqualifizierung eines freien Dienstverhältnisses in ein dem VBG unterliegendes Dienstverhältnis hat die Entlohnung im Hinblick auf den zwingenden Charakter der Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften des VBG jedoch nach den jeweils geltenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen. Entlohnungen, die darüber hinaus gehen, können nur in Sonderverträgen (§ 36 VBG) vereinbart werden. Einem Vertragsbediensteten, der aufgrund unrichtiger Qualifikation seines Dienstverhältnisses tatsächlich keinen Erholungsurlaub konsumiert hat, steht nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein prinzipieller Anspruch auf Urlaubsersatzleistung zu, bei deren Berechnung auf das zwingende Entgeltschema nach dem VBG Bedacht zu nehmen sei (OGH 25.11.2015, 8 ObA 78/15a).

Diese Rsp hat auch für den vorliegenden Fall Gültigkeit, weil die Rechtsfolgen eines Sondervertrags nach § 8 K-LVBG 1994 im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht herbeigeführt werden können: Treten nach Abschluss einer Vereinbarung Konfliktfälle bzw Störungen in der Vertragsabwicklung auf, die von den Parteien nicht bedacht und auch nicht geregelt wurden, ist eine ergänzende Vertragsauslegung zur Beseitigung der aufgetretenen Vertragslücke vorzunehmen. Diese ergänzende Vertragsauslegung hat also nur dann Platz zu greifen, wenn eine Vertragslücke vorliegt. Ganz allgemein kann nicht bereits dann vom Wegfall einer Entgelt- oder sonstigen Gegenleistungsvereinbarung und folglich vom Entstehen einer Lücke ausgegangen werden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Leistungspflichten eines Vertragspartners geringer oder größer als ursprünglich vereinbart sind, auch wenn es gegenüber der ursprünglichen Parteienabsicht zu einer Veränderung des Äquivalenzverhältnisses kommt.

Das Berufungsgericht hat die zwischen den Parteien getroffenen vergleichsweisen Vereinbarungen hinsichtlich des Entgelts als lückenhaft mit der Begründung angesehen, die Parteien hätten nicht bedacht, dass im Fall der Feststellung der DN-Eigenschaft des Kl der Dienstvertrag in den Anwendungsbereich des K-LVBG 1994 fällt und das dort normierte zwingende Entgeltschema zur Anwendung gelangt. Diese Ansicht stellt auf die falsche Vorstellung der Parteien darüber ab, welche Rechtsfolgen unabhängig vom Willen der Parteien von der Rechtsordnung vorgesehen sind und leitet daraus das Vorliegen einer Vertragslücke ab. Nach stRsp ist für den Bereich des zwingenden Rechts ein Rechtsfolgenirrtum aber unbeachtlich. Dieser Grundsatz gilt auch bei zwingenden Bestimmungen des Arbeitsrechts.

Der Kl hat im Vergleich eine Nachzahlung der rückständigen Entgelte durchgesetzt und erreicht, dass die weitere Zusammenarbeit auf Basis der bestehenden Werkverträge erfolgen sollte. Auch für die Zeit nach Abschluss der damals noch anhängigen Verwaltungsverfahren wurde bereits eine Regelung getroffen, indem die zukünftige „Fortführung“ des Vertrags entsprechend den Ergebnissen dieser Verfahren – allenfalls auch als echter Dienstvertrag – vereinbart wurde. Der Kl (bzw sein damaliger Rechtsvertreter) musste davon ausgehen, dass auf das Dienstverhältnis das K-LVBG 1994 zur Anwendung gelangt und dessen zwingende Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften eingreifen, mögen diese auch niedrigere Entgelte enthalten als der vereinbarte Werkvertragslohn.

Der Ansicht, bei Berechnung der eingeklagten Urlaubsentschädigung sei von einer Vertragslücke auszugehen, der dadurch zu begegnen sei, dass die Rechtsfolgen eines Sondervertrags durch ergänzende Vertragsauslegung begründet werden, kann daher nicht gefolgt werden. Auch im vorliegenden Fall war bei der Berechnung der Urlaubsersatzleistung auf das zwingende Entgeltschema des K-LVBG 1994 Bedacht zu nehmen.

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