Kallab/BachhoferDienstnehmerhaftpflichtgesetz

Verlag des ÖGB, Wien 2020, 304 Seiten, broschiert, € 59,–

GLORIAPARSHAD (SALZBURG)

Dieser Kommentar zum Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) erschien 2020 in erster Auflage. Gleich vorweg kann erwähnt werden, dass der Leser sich auf eine komprimierte und sehr anschauliche Darstellung der zum DHG ergangenen Judikatur und einschlägigen Literatur gefasst machen kann.

Während die letzte Novelle des DHG mittlerweile schon längere Zeit zurückliegt (BGBl 1983/169), ist die in der Zwischenzeit stattgefundene rege Weiterentwicklung von Rsp und wissenschaftlichen Diskussionen nicht zu übersehen. Diese Umstände waren für Thomas Kallab und Klaus Bachhofer Stein des Anstoßes für diese Neukommentierung, deren Zielgruppe aber nicht nur im wissenschaftlichen Bereich Tätige, sondern explizit auch die mit diesem Rechtsgebiet regelmäßig konfrontierten PraktikerInnen, so vor allem BetriebsrätInnen, sind. Deswegen ist das Werk so konzipiert, dass die Kommentierungen mit Beispielen, Grafiken und stellenweise mit Zusammenfassungen versehen sind, um den LeserInnen die Inhalte in einer möglichst verständlichen Form zu vermitteln. Das ist – insb vor dem Hintergrund, dass das allgemeine Schadenersatzrecht für diejenigen, die nicht oder kaum mit dieser komplexen Materie vertraut sind – ausgesprochen gut gelungen: In der Kommentierung bspw zu § 2 DHG finden sich hilfreiche Erläuterungen zu den Voraussetzungen des allgemeinen Schadenersatzrechts (Rz 29 ff), das ja die nötige Basis für das DHG bildet.

Eine zentrale Voraussetzung für eine Haftung des DN ist, dass dieser seinem DG „bei Erbringung der Dienstleistung“ einen Schaden zufügt (§ 2 Abs 1 DHG). Das Haftungsprivileg soll demnach nur dann greifen, wenn der DN im Interesse oder zum Nutzen des DG tätig wird und dadurch naturgemäß einem erhöhten Haftungsrisiko ausgesetzt ist (RIS-Justiz RS0054575). Kurz gesagt, muss es einen unmittelbaren Konnex zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Arbeitsverhältnis geben. Von einem Teil der Lehre wird vertreten, dass der notwendige Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis eng zu interpretieren wäre. So verweist etwa Windisch-Graetz (in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 [2018] Rz 10 ff mwN) mit Berufung auf Schrammel (ZAS 1985, 203) darauf, dass der Anwendungsbereich vor allem im Lichte der gesetzgeberischen Wertungen des DHG eng zu ziehen ist. Dies ergebe sich aus dem vorgegebenen Rahmen, der sich aus den in § 2 Abs 2 explizit genannten Mäßigungskriterien ableiten lässt. Auf dieser Basis sollen die Haftungserleichterungen zugunsten des schädigenden DN etwa bei der Verrichtung von privaten Tätigkeiten (zB bei Arbeitsunterbrechungen oder bei Schädigungen am Heimweg) nicht zur Anwendung kommen. Die – dieser Ansicht diametral gegenüberstehende – OGH-Judikatur sei in diesem Punkt zu großzügig. Sie wird von diesem Teil der Lehre grundlegend kritisch betrachtet.

Gegen so ein enges Verständnis des Anwendungsbereichs des DHG spricht aber der Schutzzweck des DHG, wonach das Haftungsprivileg aus Sicht der Autoren eher extensiv ausgelegt werden muss (§ 2 Rz 28 mwN). Das Argument, der Gesetzgeber habe wegen der Anführung bestimmter Mäßigungskriterien nach § 2 Abs 2 im Hinblick auf den Anwendungsbereich des DHG bestimmte Grenzen gezogen, vermag nicht zu überzeugen: Denn es handelt sich dabei um eine demonstrative Aufzählung, die zweifelsohne sogar durch Umstände, die jenen in dieser Aufzählung gleichwertig sind, ergänzt werden können, welche schließlich in die Einzelfallbeurteilung einzukalkulieren sind. In diesem Sinne hatte selbst die RV zur DHG-Novelle 1983 (RV 1280 BlgNR 15. GP) den Katalog erweitert und sogar grob fahrlässig handelnde DN, deren Existenzgrundlage durch die Zahlungspflicht gefährdet werden könnte, in den Schutzbereich aufgenommen. § 2 liegt demnach ein „bewegliches System“ zugrunde. All das indiziert, dass der Gesetzgeber zur Verwirklichung des dem DHG zugrundeliegenden Schutzgedankens weitere, eine Haftungserleichterung für DN rechtfertigende Umstände für eine Mäßigung der Ersatzpflicht miteinbeziehen wollte. Gerade dies spricht gegen ein angeblich vom Gesetzgeber gewolltes restriktives Verständnis.

Ein weiteres Themenfeld, das allgemein im Arbeitsrecht gerade in den letzten Jahren in den Fokus gerückt ist und nach wie vor laufend für Diskussionsstoff sorgt, sind Verfallsfrist- und Verjährungsfristen. Im Schrifttum wurde neben den allgemeinen Bestimmungen im ABGB auch der Verfallsfrist in § 6 DHG nähere Beachtung geschenkt: Demnach müssen Schadenersatz- und Rückgriffsansprüche nach § 2 Abs 1, § 3 Abs 2 bis 4, § 4 Abs 2 und 4 binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden. Diese Frist gilt für Schäden, die auf ein leicht fahrlässiges Verhalten von AN beruhen.

Die Qualifikation der Frist in § 6 als sogenannte Präklusivfrist wurde bereits 1978 von Reischauer grundsätzlich in Frage gestellt. Im darauffolgenden wissenschaftlichen Diskurs ging es zusammengefasst darum, die Rechtsnatur von Verfallsfristen und die dazu ergangene Judikatur kritisch zu beleuchten und sich die grundlegende Frage zu stellen, ob denn eine klare Abgrenzung zu den allgemeinen Verjährungsvorschriften überhaupt geboten ist. Denn insb das ABGB kennt ein eigenständiges Rechtsinstitut des Verfalls nicht (vgl dazu eingehend Jabornegg, Verjährung und Verfall von Arbeitnehmerrechten, in FS Reischauer [2010] 191). Infrage gestellt wurde bei der Untersuchung von § 6 auch die den Verfallsfristen sonst innewohnende Bereinigungsfunktion, die im Anwendungsbereich des DHG gerade nicht vorhanden sei: Für eine Haftung des 360 DN ist das Verschuldensausmaß maßgeblich, sodass in jedem Fall eine Grenzlinie zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit zu ziehen ist. Diese zentrale Frage zieht aber im Regelfall längere Rechtsstreitigkeiten nach sich, sodass das Argument des Interesses an einer möglichst raschen Rechtsbereinigung und damit des Vorliegens einer Verfallsfrist hier ins Leere greift. Zudem ist § 6 offenkundig eine AN-Schutzvorschrift zugunsten des bloß leicht fahrlässig handelnden AN. Aus diesem Grund sei (siehe zB Eypeltauer, § 6 DHG: Präklusiv- oder Verjährungsfrist?

) die Norm doppelt teleologisch zu korrigieren: Einerseits solle bei DN-Ansprüchen bei leichter Fahrlässigkeit des DN die längere, dreijährige Frist gem § 1486 Z 5 ABGB gelten, bei grober Fahrlässigkeit hingegen die kurze, sechsmonatige Frist. Die Autoren präsentieren an dieser Stelle (§ 6 Rz 7) auch andere Ansichten. Eine amtswegige Wahrnehmung soll zudem zu Recht nur zugunsten der DN stattfinden. Die Verfallsfrist soll weiters – entgegen der Judikatur – aufgrund von § 5 DHG weder verlängerbar noch verzichtbar sein (§ 6 Rz 2 mwN). Außerdem ist der Wortlaut trotz der ausdrücklichen Erwähnung von „§ 3 Abs 2-4“ laut Spielbüchler/Grillberger (Arbeitsrecht I4 [1998] 2015) insofern korrigierend auszulegen, als § 6 auf diese Vergütungsansprüche von DN nicht anzuwenden sei. Vielmehr unterliegen diese der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 6 Rz 9). Die Diskussion rund um das Thema Verfallsfristen hat in diesem Kontext wegen des Normzwecks zweifelsohne eine weitere Dimension gewonnen.

Das Fazit zu diesem Werk ist eindeutig: Mit diesem Kommentar wird dem Leser nicht nur ein hervorragender Literatur- und Judikatur-Überblick und ein Update zum DHG zur Verfügung gestellt, sondern auch ein aufschlussreicher Ratgeber, der sowohl für die Praxis, aber auch für den wissenschaftlichen Bereich einen Nutzen bringt. Er besticht durch seine Kompaktheit, die gute inhaltliche Strukturierung und die praxisnahe Gestaltung. Der Kommentar ist daher in jedem Fall für einen breitgefächerten Adressatenkreis empfehlenswert.