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Kein Export von Rehabilitationsgeld bei fehlender Nahebeziehung zum österreichischen System der sozialen Sicherheit

PIA ANDREAZHANG

Der 1964 geborene Kl erwarb in Österreich zwischen 1980 und 1988 insgesamt 98 Versicherungsmonate. Seit 1989 lebt er in Deutschland und erwarb dort 242 Versicherungsmonate. Zwischen 1.6.2016 und 31.10.2018 bezog er eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente in Deutschland, deren Weitergewährung bereits beantragt, aber noch nicht entschieden wurde.

Der Kl beantragte im Jahr 2015 in Österreich die Gewährung einer Invaliditätspension. Mangels Vorliegens dauerhafter Invalidität wurde dies abgewiesen, zugleich aber festgestellt, dass vorübergehende Invalidität ab 1.12.2015 vorliegt. Es bestehe jedoch kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der österreichischen KV. Der Kl brachte Klage ein und begehrte die Zuerkennung einer Invaliditätspension, hilfsweise das Rehabilitationsgeld ab 1.12.2015. Im Laufe des Verfahrens änderte er sein Klagebegehren auf die Feststellung, dass vorübergehende Invalidität vorliege und deshalb Anspruch auf Rehabilitationsgeld bestehe. Eventual begehrte er die Invaliditätspension. Die Pensionsversicherungsanstalt wandte ein, dass der Kl aufgrund seines Wohnsitzes in Deutschland auch dort krankenversichert sei und es kein Naheverhältnis zu Österreich gebe. Österreich sei daher für die Gewährung von Rehabilitationsgeld nicht zuständig.

Das Erstgericht stellte fest, dass vorübergehende Invalidität ab 1.12.2015 vorliege und der Kl Anspruch auf Rehabilitationsgeld habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Das Rehabilitationsgeld sei aufgrund seines Sondercharakters an der Schnittstelle zwischen Krankheit und Invalidität auch an Personen mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zu zahlen. Dafür spreche auch, dass es sich um eine Gegenleistung zu den in Österreich gezahlten Versicherungsbeiträgen handle.

Der OGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Im Urteil des EuGH vom 5.3.2020, C-135/19, Pensionsversicherungsanstalt, zum Verfahren OGH10 ObS 66/18f (vgl dazu DRdA-infas 2020/123, 260) stellte dieser klar, dass das Rehabilitationsgeld eine Leistung bei Krankheit iSd Art 3 Abs 1 lit a der VO 883/2004 ist und die damalige Kl als nicht erwerbstätige Person somit unter Art 11 Abs 3 lit e VO 883/2004 fällt. Sie unterlag damit ausschließlich den Bestimmungen des Wohnmitgliedstaates. Die Kl dieses Verfahrens war österreichische Staatsbürgerin, hatte in Österreich 59 Versicherungsmonate erworben und lebte seit 1990 in Deutschland, wo sie insgesamt 235 Versicherungsmonate erworben hat.

Der OGH stellte nun fest, dass im vorliegenden Verfahren eine vergleichbare Situation vorliegt, weshalb auch der Kl unter Art 11 Abs 3 lit e VO 883/2004 fällt. Er unterliegt somit den deutschen Rechtsvorschriften und es besteht keine Verpflichtung Österreichs, Rehabilitationsgeld zu exportieren.34

Da dem Hauptbegehren auf Feststellung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld keine Berechtigung zukommt, ist aber über das Eventualbegehren auf Zuerkennung einer Invaliditätspension zu entscheiden. Dafür reichen die bisherigen Feststellungen nicht aus. Nachdem das Erstgericht den Hauptanspruch auf Rehabilitationsgeld bejaht hat, wurden bisher keine Feststellungen zur Verweisbarkeit des Kl und zum Leistungskalkül getroffen, weshalb die Sache zur ergänzenden Erörterung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.

ANMERKUNG DER BEARBEITERIN:

Mit dem vorliegenden Urteil wendet der OGH die Rsp des EuGH zu C-135/19 auf einen ähnlich gelagerten Fall an. Auch wenn der Kl in diesem Verfahren deutlich mehr Versicherungsmonate in Österreich gesammelt hat, kann wohl von einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation ausgegangen werden. Es bleibt abzuwarten, wie die vom EuGH geforderte Einzelfallprüfung in den Fällen durchgeführt wird, in denen unter Umständen ein primärrechtlicher Anspruch auf Export des Rehabilitationsrechtes vorliegt.