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Tatbestand der Vereitelung setzt Zuweisung der Beschäftigung durch das Arbeitsmarktservice voraus

BIRGITSDOUTZ

Der Beschwerdeführer war zuletzt von 21.7.1980 bis 31.3.2015 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt; seit 1.4.2015 bezieht er Leistungen aus der AlV. Auf ein Inserat der Firma *, in dem eine Stelle als Bürokraft im Teilzeitausmaß mit kollektivvertraglicher Mindestentlohnung angeboten wurde, übermittelte der Beschwerdeführer am 23.9.2018 ein E-Mail mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrte Damen und Herren,Über Wunsch des AMS darf ich mich um EINE Stelle bewerben bzw. um Vormerkung ersuchen. Nicht unbedingt um die im Inserat genannte Stelle. Anbei mein Lebenslauf. Ich bin an einem unbefristeten 15-20-Stunden-Job in Wien interessiert. Auch nicht unwesentlich: Mein letztes Gehalt auf Vollzeitbasis 38,5 Stunden waren ca. EUR 7.100,- p.M. brutto / 15x. Demzufolge sollten sich im finanziellen Bereich bei einer zukünftigen etwaigen Firma auch meine beruflichen Jahre, Erfolge, Qualifikationen sowie Erfahrungswerte in entsprechender Höhe wiederfinden. Vielen Dank!“

Die Stelle als Bürokraft bei der Firma * wurde dem Beschwerdeführer seitens des AMS nicht zugewiesen, die Bewerbung durch den Beschwerdeführer erfolgte aus Eigeninitiative.

Das AMS entzog dem Beschwerdeführer daraufhin mit Bescheid vom 9.10.2018 für den Zeitraum 25.9. bis 5.11.2018 den Anspruch auf Notstandshilfe, da er die Aufnahme einer Beschäftigung als Bürokraft vereitelt habe. In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm vom DG zu keinem Zeitpunkt ein Dienstverhältnis angeboten worden sei. Er habe sich weder um die Stelle als Bürokraft beworben, noch eine Zusage für eine solche erhalten, sodass der Tatbestand des § 10 AlVG nicht erfüllt sei.

Das AMS legte die Beschwerde am 16.10.2018 ohne Beschwerdevorentscheidung dem BVwG zur Entscheidung vor. Das BVwG gab der Beschwerde Folge und behob den Bescheid ersatzlos. 29

Das AMS stützt den Verlust der Notstandshilfe darauf, dass der Beschwerdeführer die Aufnahme einer Beschäftigung als Bürokraft beim DG vereitelt habe. Dabei übersieht es laut BVwG jedoch, dass die Bewerbung eigeninitiativ erfolgt ist, weswegen der Tatbestand der „Vereitelung“ iSd § 10 Abs 1 Z 1 AlVG, der voraussetzt, dass dem Arbeitslosen die Beschäftigung von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesen wurde, nicht erfüllt ist. Zwar ergäbe sich aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 9 und 10 AlVG ebenso wie aus dem Zweck dieser Regelungen, Leistungsbezieher zu verhalten, ehestmöglich durch die Aufnahme einer Beschäftigung aus dem Leistungsbezug wieder auszuscheiden, dass die in § 10 AlVG vorgesehenen Sanktionen auch bei der Ausschlagung einer „sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit“ in Frage kommen (VwGH 7.5.2008, 2007/08/0163). Eine sonst sich bietende Arbeitsmöglichkeit unterscheide sich von der Vermittlung durch die regionale Geschäftsstelle jedoch dadurch, dass sich eine Arbeitsmöglichkeit idR erst dann „bieten“ wird, wenn es entweder nur mehr am DN liegt, dass ein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt oder wenn zumindest der potenzielle DG (bzw Bevollmächtigte) direkt mit der arbeitsuchenden Person in Kontakt tritt (zB im Zuge einer Jobbörse) und ihr zumindest ein Vorstellungsgespräch offeriert. Da sich aus den Feststellungen ergibt, dass sich der Beschwerdeführer eigeninitiativ auf ein Inserat des DG bewarb, worauf er eine Absage erhielt, lag es aber weder nur mehr an ihm, dass das Beschäftigungsverhältnis zustande kam, noch wurde ihm seitens des AG ein Vorstellungsgespräch offeriert, weswegen auch eine Sanktion aufgrund der Ausschlagung einer „sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit“ nicht in Betracht kommt.

Schließlich ergeben sich laut BVwG auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer nicht im ausreichenden Maße eigeninitiativ tätig wurde, um seine Arbeitslosigkeit ehestmöglich zu beenden. Zwar räumte dieser ein, dass der Hinweis auf seine vorherige Stellung beim ersten Kontakt mit einem potenziellen AG den Erfolg seiner Bemühungen, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, zunichtemachen könnte. Der Tatbestand des § 10 Abs 1 Z 4 AlVG werde dadurch aber nicht erfüllt, weil es anders als bei der Verweigerung oder Vereitelung einer zugewiesenen Beschäftigung beim Nachweis ausreichender eigener Anstrengungen nicht notwendigerweise auf eine einzelne konkrete Bewerbung ankomme, sondern das Gesamtverhalten des Arbeitslosen zu würdigen sei (VwGH 24.4.2014, 2013/08/0070). Dass das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers Anlass bot, eine Sanktion gem § 10 Abs 1 Z 4 AlVG zu verhängen, wurde aber weder vom AMS behauptet noch konnte dies der Aktenlage entnommen werden. Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Ausschlussfrist im gegenständlichen Fall lagen daher laut BVwG nicht vor, weswegen der Beschwerde stattzugeben war.