PullacherSocial-Media-Aktivitäten als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Verlag des ÖGB, Wien 2020 132 Seiten, broschiert, € 24,90

JOHANNANADERHIRN (LINZ)

Das vorliegende Buch von Fabian Josef Pullacher basiert auf der von ihm verfassten Diplomarbeit und nimmt sich eines in der Praxis immer wichtiger werdenden Themas an. Im Internet, auf Facebook, Twitter etc getätigte Äußerungen, gepostete Bilder uä erscheinen dem Äußernden häufig anonym und daher „ungefährlich“, was aber ein großer Trugschluss ist, wie die mittlerweile immer wieder vorkommenden Arbeitsvertragsbeendigungen aufgrund solcher Aktivitäten zeigen. Pullacher hält dies bereits im Vorwort fest, indem er als Ziel der Arbeit erklärt, im Leser das Bewusstsein zu wecken, dass bereits wenige Tastenschläge bzw Mausklicks genügen, um einen Beendigungstatbestand zu erfüllen und folglich Aussagen in84den sozialen Medien unbedingt mit Bedacht getätigt werden sollen. Naturgemäß hatten die gesetzlichen Entlassungstatbestände aufgrund des Zeitpunkts ihrer Schaffung solche Fälle noch nicht im Auge, sie können aber dessen ungeachtet auch bei Aktivitäten im Zusammenhang mit sozialen Medien zum Tragen kommen, wie das vorliegende Buch deutlich macht. Es geht dem Autor in seiner Arbeit vorrangig darum, die Frage zu klären, welche Aussagen und Verhaltensweisen Gründe für die zulässige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den AG darstellen.

Zu Beginn nimmt Pullacher eine – vor allem für weniger Social-Media-affine Personen wie die Rezensentin, die diesen „Errungenschaften“ schon an sich eher skeptisch gegenübersteht – sehr nützliche und für das Verständnis vieler weiterer Ausführungen in diesem Buch wichtige Erklärung des Begriffs Social Media und der Arten sozialer Medien vor. Auch deren Funktionsweise wird anschaulich dargelegt. Immer wieder in Gebrauch ist das Wort „Posting“. Hierunter versteht man einen Beitrag auf einer Social-Media-Plattform, wobei es sich dabei um Bilder, Videos, Textfassungen etc handeln kann.

Im Anschluss daran erläutert der Autor die Arten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Verständlicherweise kann er dabei nicht auf sämtliche Details eingehen, zu verkürzt ist es jedoch, wenn er auf S 25 darauf hinweist, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen grundsätzlich kein Recht auf Kündigung besteht, eine Auflösungsvereinbarung (?) jedoch nach der Rsp des OGH frei vereinbart werden könne. Indes ist die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit beim befristeten Arbeitsverhältnis nach der Judikatur – vgl jüngst zB OGH 17.12.2018, 9 ObA 104/18m – nicht jedenfalls, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, vgl näher zB Mathy/Naderhirn in Kozak (Hrsg), ABGB und Arbeitsrecht (2019) § 1158 Rz 12 ff; Jabornegg, Zur Kündigung befristeter Arbeitsverhältnisse, in FS Löschnigg (2019) 121 ff jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

Auf den S 26 ff finden sich Ausführungen zum allgemeinen Kündigungsschutz mit Hinweisen auf einschlägige Judikatur und Literatur. An dieser Stelle vermisst man jedoch Verweise auf die gängigen Kommentare zum ArbVG, etwa auf den von Jabornegg/Resch herausgegebenen mit der äußerst umfangreichen Kommentierung von Trost zu den §§ 105 ff ArbVG oder jenen, der von Gahleitner/Mosler herausgegeben wird. Einschlägige Kommentare zum AngG, wie etwa die von Reissner und Löschnigg herausgegebenen, werden in der gesamten Arbeit nicht berücksichtigt.

Auf S 47 beginnt das Kernkapitel der Arbeit, in dem geprüft wird, inwieweit Social-Media-Aktivitäten tatsächlich einen Beendigungsgrund darstellen können. Ausgangspunkt ist dabei zunächst die Feststellung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung Grenzen hat. Pullacher widmet sich der Frage, ob und inwieweit Hasspostings in sozialen Medien den Entlassungsgrund nach § 27 Z 6 AngG bzw § 82 lit g GewO 1859 erfüllen können. Während in Lehre und Rsp unbestritten ist, dass Postings in sozialen Medien – meist handelt es sich dabei um Schimpfwörter – grundsätzlich eine erhebliche Ehrverletzung hervorrufen können, gibt es verschiedene Meinungen zur Frage, ob ein Hassposting den Tatbestand der erheblichen Ehrverletzung erfüllen kann. Die Beantwortung hängt davon ab, wie man „Hassposting“ definiert. Nach einer in der Lehre geäußerten Meinung unterscheiden sich Hasspostings von Ehrverletzungen dahingehend, dass sich erstere nicht gegen eine oder mehrere konkrete Personen, sondern gegen eine Gruppe Dritter richten. Der Autor vertritt hingegen die Ansicht, dass auch Einzelpersonen wie der AG Adressaten von Hasspostings sein können. Im Ministerialentwurf zum Hass-im-Netz-Bekämpfungs-G (48/ME 27. GP) wird offenbar davon ausgegangen, dass Adressaten von Hasspostings auch einzelne konkrete Personen sein können (vgl § 20 Abs 2 ABGB idF ME und die Erläuterungen zum ME 4).

Dass auch sehr alte, lange vor der Zeit von Social Media ergangene Rsp für die gegenständliche Thematik fruchtbar gemacht werden kann, zeigt der Autor sehr anschaulich (S 56) durch Bezugnahme auf eine E des LGZ Wien aus dem Jahre 1935. In dieser E hat das LGZ Wien das Vorliegen eines Entlassungsgrundes verneint, wenn der AN in seinem Tagebuch eine verletzende Äußerung über seinen AG niedergeschrieben hatte, das Tagebuch aber in einer versperrten Schublade aufbewahrt wurde. Im Lichte dieser E verneint Pullacher bei einem Posting, das nur der AN selbst sehen kann, das Vorliegen einer erheblichen Ehrverletzung.

Eine sprachliche Ungenauigkeit findet sich auf S 58 im Zusammenhang mit dem besonderen Entlassungsschutz für Belegschaftsvertreter: „Daher ist es dem Arbeitgeber im Falle eines erheblich ehrverletzenden Postings möglich, die Entlassung des Arbeitnehmers auszusprechen und dessen (?) Zustimmung bei Gericht im Nachhinein einzuholen.

Es gibt mittlerweile mehrere einschlägige Entscheidungen zum Thema, die vom Verfasser dargestellt und unter Berücksichtigung diesbezüglicher Lehrmeinungen gewürdigt werden. Zur E des OLG Linz vom 27.5.2013 führt er die Frage aus, ob ein im Konjunktiv geäußertes Posting oder die Verwendung von Platzhaltern (wie konkret o***a[r]sch) eine abschwächende Wirkung besitzen kann. Richtigerweise wird mit dem Verfasser davon auszugehen sein, dass Platzhalter so ausgelegt werden müssen, wie sie von einem objektiven Menschen aufgefasst werden. Auch die Verwendung des Konjunktivs kann nicht zur Abschwächung der erheblichen Ehrverletzung beitragen, wenn ein objektiver Mensch eine Äußerung trotz Verwendung des Konjunktivs als ehrverletzend gemeint verstehen musste.

Begrüßenswert ist die Feststellung des Autors, dass sich die Intensität eines getätigten Postings an der „analogen Welt“ orientieren muss. So wird die Bezeichnung eines Vorgesetzten als „Arsch“ bzw „Arschloch“ (wie dies der E des OLG Linz vom 1.3.2017 zugrunde lag) nur in speziellen Fällen keinen Entlassungsgrund begründen, gleichgültig, ob diese Äußerungen auf Facebook oder „analog“ getätigt werden.

Pullacher geht auch auf die Frage ein, ob „bloße“ Zustimmungsbekundungen auf Social Media (etwa durch Likes) ebenfalls einen Entlassungsgrund darstellen können, was er im Anschluss an die Lehre bejaht. Auch zu Fragen der Verlinkung auf Postings Dritter und zu Postings Dritter auf der Profilseite des AN – und das kann in der Praxis durchaus relevant sein – wird Stellung bezogen.

In jüngerer Zeit hatten auch immer wieder Hasspostings, die sich gegen dritte Personen richteten, arbeits-85rechtliche Auswirkungen. Der Autor beruft sich auf Kainz, wenn er ausführt, dass ein Hassposting diffamierender sein kann, wenn es von einem Angestellten unterer hierarchischer Ebene gesetzt wird, als eines von einem Angestellten höherer hierarchischer Ebene (S 67). Liest man bei Kainz (ARD 6468/5/2015) nach, steht dies allerdings dort so nicht. Kainz führt lediglich – und zutreffend – aus, dass der Umstand, dass an das Verhalten von Personen in Vertrauenspositionen idR ein strengerer Maßstab angelegt wird, nicht dazu verleiten darf, zu glauben, dass sich ein Mitarbeiter in untergeordneter Position gravierendere Hasspostings erlauben kann als ein Vorgesetzter. Nach einer Darstellung der strafrechtlichen Seite von Hasspostings geht der Autor auf Praxisfälle ein, wobei vor allem das Posting eines Lehrlings zum Bild eines syrischen Flüchtlingsmädchens unter der Wasserdusche (Stichwort: „Flammenwerfer währe [!] da die bessere Lösung“) viel Aufsehen erregt hat. Prinzipiell ist festzuhalten, dass eine derartige Äußerung völlig untragbar ist und verständlich ist, dass der AG das Lehrverhältnis beendet hat, zumal er aus dem Profil des Lehrlings ersichtlich war und – wie den Medienberichten entnommen werden kann – auch von aufgebrachten UserInnen mit der Äußerung des Lehrlings konfrontiert wurde. Dessen ungeachtet darf die rechtliche Seite nicht außer Betracht bleiben. Da es sich um einen Lehrling handelte, muss das Berufsausbildungsgesetz (BAG) zur Anwendung gekommen sein, ein Umstand, der in der Diskussion zu diesem Fall insgesamt zu kurz gekommen ist. Der einzige hier in Betracht kommende Entlassungstatbestand ist – soweit ersichtlich – § 15 Abs 3 lit a BAG (sonstige strafbare Handlung, die den Lehrling des Vertrauens des Lehrberechtigten unwürdig macht). Im vorliegenden Fall stellte die zuständige Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, da sie keine strafbare Handlung sah, weder gefährliche Drohung noch Verhetzung. Daher wäre interessant gewesen, was herausgekommen wäre, wenn der Lehrling die Unwirksamkeit der Entlassung geltend gemacht hätte (was er offenbar nicht getan hat). Die Arbeits- und Sozialgerichte sind bei der Beurteilung der Frage, ob ein AN eine Straftat begangen hat, zwar rechtlich nicht an strafgerichtliche Verurteilungen oder Freisprüche gebunden (vgl Rauch, ASoK 2004, 418 mwN, RIS-Justiz RS0106015), natürlich auch nicht an die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Arbeits- und Sozialgerichte können und werden idR jedoch diesbezügliche Entscheidungen in ihre Rechtsfindung einbeziehen (vgl Strohmayer in Aust/Gittenberger/Knallnig-Prainsack/Strohmayer, BAG2 § 15 Erl 72). Noch eine andere Dimension erhält der Fall, wenn der Lehrling – wie in Arbeit&Wirtschaft 7/2015, 32 (Irene Steindl, Wer Hass sät, wird Entlassung ernten) angegeben – gleichzeitig auch Vorsitzender des Jugendvertrauensrates gewesen ist. Hier wäre dann jedenfalls die – zumindest nachträgliche – Einholung der Zustimmung des Gerichts zur Entlassung erforderlich gewesen (vgl § 130 Abs 1 iVm § 122 [insb Abs 1 Z 2] ArbVG). Wie immer der Fall genau gelegen war, es wird zumindest eines deutlich: Auch wenn der AG verpönte Social-Media-Aktivitäten des AN verständlicherweise sanktionieren möchte, ist die Rechtslage zu prüfen und sollten „Schnellschüsse“ vermieden werden, um nicht unliebsame arbeitsrechtliche „Überraschungen“ zu erleben.

In der Folge behandelt der Autor den Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Postings. Dabei geht er zu Recht von der in der Lehre vertretenen Auffassung aus, dass es nicht darauf ankommt, ob Betriebs- bzw Geschäftsgeheimnisse in der „analogen Welt“ oder in sozialen Medien verraten werden. Auch der nicht unerheblichen Problematik der Nutzung von Social Media in Unternehmen wird Augenmerk geschenkt. Der Autor folgt dabei der Ansicht, dass ein generelles Verbot der Privatnutzung des Internets überschießend sein kann und vertritt, dass in Notsituationen zumindest die Nutzung eines 1:1-Mediums eines sozialen Netzwerks gestattet ist.

Eine heikle Angelegenheit sind Social-Media-Aktivitäten während des Krankenstandes. Das Problem Krankenstandsmissbrauch/genesungsverzögerndes Verhalten während des Krankenstandes ist generell schon seit langer Zeit von hoher Relevanz, wie auch die zahlreichen Entscheidungen dazu zeigen. Tatsächlich kann es Social Media dem AG in manchen Fällen erleichtern, dem AN hier Fehlverhalten nachzuweisen, etwa wenn der sich in Krankenstand befindliche AN von sich Bilder in der Disco postet. Möchte der AG den AN in der Folge entlassen, kann dies für den AG dennoch ein gewisses Risiko bedeuten, wenn er – wie so häufig – über die konkrete Art der Krankheit des AN nicht Bescheid weiß. Anders ist die Lage, wenn sich der AN in der – vermeintlichen – Anonymität des Internets so sicher fühlt, dass er sogar Details zu seiner Krankheit postet (S 97 f). Überlegungen zur Rechtfertigungsmöglichkeit einer sozialwidrigen Kündigung mit Social-Media-Aktivitäten des AN und zur Zulässigkeit der Informationsbeschaffung durch den AG runden das Werk ab.

Der große Vorzug des Buches liegt in der Aktualität und Praxisrelevanz des behandelten Themas und darin, dass die diesbezüglichen Problembereiche übersichtlich dargestellt werden. Der/dem LeserIn liegt die zu den einzelnen Themenblöcken bestehende, mittlerweile schon recht umfangreiche Literatur und Judikatur „auf einen Blick“ vor, was den Vorteil hat, dass man das Buch bei einschlägigen Fragen auch als Nachschlagewerk verwenden kann. Der Autor bringt zudem immer wieder seine eigene Meinung zu den von ihm zitierten Lehrmeinungen und Judikaten zum Ausdruck. Insofern schließt das Buch eine Lücke, wobei die wissenschaftliche Diskussion zu den vielfältigen Rechtsfragen, die dieses Thema mit sich bringt, noch lange nicht – wahrscheinlich gar nie – abgeschlossen sein wird.