48

Ein Maturaball, zwei Betriebe; ein oder zwei Dienstgeber?

HARUNPAČIĆ (WIEN)
  1. Gem § 35 Abs 1 ASVG gilt als DG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der DN in einem Beschäftigungsverhältnis steht.

  2. Unter einem Betrieb iSd § 35 Abs 1 ASVG ist – unter Rückgriff auf die Judikatur zu § 34 Abs 1 ArbVG – jede organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer jemand mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht.

  3. Ein Maturaball kann ein Betrieb iSd § 35 Abs 1 ASVG iVm § 34 Abs 1 ArbVG sein.

1.1. Die belangte Behörde erkannte mit Straferkenntnis vom 9.7.2015 die Revisionswerberin schuldig, sie habe es als DG unterlassen, 22 näher genannte – am 25.1.2014 um 18.30 Uhr an einem näher genannten Ort im Rahmen eines Maturaballs als Barpersonal beschäftigte – nach dem ASVG in der KV (Vollversicherung) pflichtversicherte DN vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Sie habe hierdurch Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs 1 iVm § 111 Abs 1 Z 1 ASVG begangen und werde hierfür mit 22 Geldstrafen von jeweils € 730,– (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen) zuzüglich Kosten belegt. [...]

2.2. Das Verwaltungsgericht legte seiner E die nachstehenden Feststellungen zugrunde:

Die Revisionswerberin habe im Tatzeitpunkt eine Eventagentur betrieben und in deren Rahmen auch einige Maturabälle organisiert.

Was den hier gegenständlichen, mit Beginn am 25.1.2014 in der Halle der Stadtwerke H veranstalteten Maturaball der Handelsakademie H betreffe, so habe die Revisionswerberin vorweg Kontakt mit dem aus sechs Maturanten bestehenden Ballkomitee aufgenommen. Dieses habe den Ball zu organisieren gehabt, wozu (insb auch) die Anmietung der Halle, der Abschluss von Versicherungen, die Bestimmung der Verantwortlichkeiten, die Dekoration, die Organisation der Sponsoren, der Musik, der Getränke und des Personals gehörten. Haupteinnahmequelle des Balls seien Sponsoring, Loseverkauf, Mehlspeisenverkauf und Getränkeverkauf in den Bars gewesen.

Die Revisionswerberin habe ein Angebot über ihre Leistungen (Abnahme durch die Feuerwehr, Security, Organisation und Einteilung des Barpersonals, Warenübernahme, Bestückung der Bars mit Getränken, etwaige Nachbestellungen, Warenrückgabe) zum Preis von € 900,– gelegt. Das Ballkomitee habe dieses Angebot angenommen.

Die Revisionswerberin habe in den Gesprächen mit dem Ballkomitee auch darauf hingewiesen, dass dieses die Verträge mit dem Barpersonal abschließen müsse. Eine Woche vor dem Ball habe sie eine entsprechende Anzahl inhaltsgleicher Werkverträge (in denen als Auftraggeber jeweils das Ballkomitee angeführt war) übermittelt. Die Namen der Auftragnehmer seien in den Verträgen noch nicht enthalten und die Unterschriften noch nicht geleistet gewesen. In der Folge hätten Mitglieder des Ballkomitees die Verträge blanko unterfertigt, „ohne sich über allfällige Rechtsfolgen Gedanken zu machen und als werkvertragliche Auftraggeber auftreten zu wollen“.

Wesentlicher Punkt der (schon erörterten) Vereinbarung zwischen der Revisionswerberin und dem Ballkomitee sei die Akquirierung des Barpersonals durch die Revisionswerberin gewesen. Diese habe in der Folge das Barpersonal organisiert, indem sie Bekannte angesprochen habe, wobei der größte Teil schon einmal auf Bällen für sie gearbeitet und über ein entsprechendes Fachwissen verfügt habe. Das Barpersonal habe unmittelbar vor Beginn des Maturaballs die Werkverträge (fertig ausgefüllt und) unterzeichnet. In welcher Bar jeweils welche Personen zu arbeiten hatten, habe die Revisionswerberin entweder im Voraus mitgeteilt oder unmittelbar vor Beginn des Balls abgesprochen. Das Ballkomitee habe insoweit keine Einteilung vorgenommen.

Der Stundenlohn für das Barpersonal von € 12,– bzw bei Raucherbars € 15,– sei zwischen dem Ballkomitee und der Revisionswerberin abgesprochen worden. Die Auszahlung sei am Ende des Balls (in den frühen Morgenstunden des 26.1.2014) in Gegenwart eines Mitglieds des Ballkomitees aus der Ballkasse erfolgt. [...]

Mit dem durch die Revisionswerberin akquirierten Barpersonal habe das Ballkomitee keinen Kontakt gehabt, dies weder vor noch während des Balls. Das Ballkomitee habe (wie das Verwaltungsgericht in der Beweiswürdigung ergänzend festhielt) das Barpersonal weder kontrolliert, noch habe es Arbeitsanweisungen erteilt. Auch in Bezug auf die Arbeitszeit habe es keine Vorgaben gemacht, die Revisionswerberin habe aber vorweg mitgeteilt, was auf anderen Bällen üblich sei.

Die Personalkosten seien zu Lasten des Gewinns des Maturaballs gegangen. Die Revisionswerberin habe den mit ihr vereinbarten Betrag von € 900,– am 26.1.2014 in Rechnung gestellt und ausbezahlt erhalten.

Wie das Verwaltungsgericht weiters festhielt, seien im Zuge der finanzpolizeilichen Kontrolle die 22 Personen hinter den Bars angetroffen worden. Sie hätten – laut den ausgefüllten Personenblättern – für die Revisionswerberin gearbeitet und von dieser Arbeitsanweisungen erhalten.

2.3. Die rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind wie folgt zusammenzufassen:

2.3.1. Bartätigkeiten würden üblicherweise im Rahmen von Dienstverträgen ausgeführt; Werkverträge schieden schon deshalb aus, weil diese eine erfolgsabhängige Leistung (Herstellung eines Werks) voraussetzten. Vorliegend seien die Bartätigkeiten nicht erfolgsabhängig gewesen, vielmehr habe es sich um Dienstleistungen gehandelt. Es sei daher vom Vorliegen von Dienstverträgen auszugehen. 547

Bei den vom Ballkomitee blanko unterfertigten und später vom Barpersonal gegengezeichneten Verträgen habe es sich (demnach) um keine Werkverträge gehandelt. Allerdings hätten die Vereinbarungen auch keinerlei dienstvertragliche Elemente aufgewiesen. Folglich seien die Verträge als Scheingeschäfte iSd § 539a ASVG zu werten, verdeckte Geschäfte seien die Dienstverträge zwischen der Revisionswerberin und dem Barpersonal gewesen.

2.3.2. Gem § 35 Abs 1 ASVG sei als DG derjenige zu erachten, für dessen Rechnung der Betrieb geführt werde, in dem der DN in einem Beschäftigungsverhältnis stehe, auch wenn der DG den DN durch Mittelspersonen in Dienst genommen habe oder ihn auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweise. [...]

2.3.3. Vorliegend sei die Revisionswerberin beim Maturaball im Rahmen ihrer Eventagentur tätig gewesen. Sie habe die übernommenen Aufgaben ausgeführt und das vereinbarte Entgelt vom Ballkomitee ausbezahlt erhalten. Die Revisionswerberin sei Eigentümerin ihres Betriebs (der Agentur) gewesen, sie habe die oberste Geschäfts- und Betriebsleitung innegehabt. Sie sei aus den Geschäften im Rahmen des Betriebs unmittelbar berechtigt und verpflichtet gewesen, es habe sie das Risiko des Betriebs getroffen. Zwar habe sie versucht, ihre Funktion als DG „auszulagern“, indem die Löhne durch das Ballkomitee ausgezahlt worden seien, was aber nichts an ihrer DG-Eigenschaft ändere.

2.3.4. Das Verwaltungsgericht nahm ferner Erörterungen zu den Kriterien für die DN-Eigenschaft des Barpersonals vor. Es hielt dabei ua fest, die Revisionswerberin habe das Barpersonal akquiriert, für seine Einteilung gesorgt, es kontrolliert, seine Arbeitszeiten vorgegeben und die Höhe seines Entgelts mit dem Komitee vereinbart. [...]

3.1. Gegen dieses Erk wendet sich die Revision, in der – unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rsp des VwGH – zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht wird, die Revisionswerberin sei nicht als DG iSd § 35 Abs 1 ASVG zu erachten. [...]

4. Der VwGH hat erwogen:

Die Revision ist aus dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Grund zulässig und auch berechtigt.

5.1. Gem § 35 Abs 1 ASVG gilt als DG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der DN in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der DG ihn durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist.

5.2. Zur Frage, auf wessen Rechnung (und Gefahr) ein Betrieb geführt wird, vertritt der VwGH in stRsp, dass dies jene Person ist, die nach rechtlichen (nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Es kommt also darauf an, wen das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar trifft (vgl VwGH 28.9.2018, Ra 2015/08/0080).

Unter einem Betrieb iSd § 35 Abs 1 ASVG ist – unter Rückgriff auf die Judikatur zu § 34 Abs 1 ArbVG – jede organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer eine Person (Personengemeinschaft) mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht (vgl VwGH 21.8.2017, Ra 2016/08/0119).

Unter einem Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG ist das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des DN iSd § 4 Abs 2 ASVG zum DG iSd § 35 Abs 1 ASVG zu verstehen (vgl VwGH 19.2.2016, 2013/08/0287). Es erfordert einen übereinstimmenden Willen, dass (abhängige) Dienste entgeltlich geleistet und entgegengenommen werden (vgl VwGH 20.9.2006, 2004/08/0110; 7.9.2017, Ro 2014/08/0046).

6.1. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen verpflichtete sich die Revisionswerberin gegenüber den – durch das Ballkomitee vertretenen – Maturanten ua zur Organisation (Akquirierung) des für den Ball erforderlichen Barpersonals. Die diesbezügliche Vereinbarung ist ihrer Rechtsnatur nach als Dienstverschaffungsvertrag zu werten, übernahm doch die Revisionswerberin im eigenen Namen gegenüber den Maturanten die Pflicht, diesen das für den Ball benötigte Barpersonal zu vermitteln (vgl eingehend VwGH 25.1.1994, 92/08/0264). Dass zu jenem Zeitpunkt zwischen der Revisionswerberin und dem Barpersonal, das zum größten Teil bereits früher auf Bällen für sie gearbeitet hatte, (aufrechte) Dienstverhältnisse bestanden hätten, wurde nicht vorgebracht und ist auch nicht hervorgekommen (diesfalls wäre nämlich von einem Leiharbeitsverhältnis auszugehen gewesen [vgl neuerlich VwGH 92/08/0264; Ro 2014/08/0046]).

6.2. Die Revisionswerberin sprach in der Folge – in Erfüllung der mit dem Ballkomitee getroffenen Vereinbarung – Bekannte an, um diese als Barpersonal für den Maturaball zu akquirieren. Auch darin kann – mangels eines übereinstimmenden Willens, dass (abhängige) Dienste durch das Barpersonal gegenüber der Revisionswerberin geleistet und von dieser entgegengenommen werden – kein Eingehen eines Dienstverhältnisses zwischen der Revisionswerberin und dem Barpersonal gesehen werden. Die Revisionswerberin wies nämlich in den Gesprächen mit dem Ballkomitee darauf hin, dass dieses selbst die Verträge mit dem Barpersonal abschließen müsse. Sie übermittelte zu dem Zweck auch inhaltsgleiche Verträge (in denen das Ballkomitee als Auftraggeber angeführt war), die zunächst von Mitgliedern des Ballkomitees und – nach ergänzender Anführung des jeweiligen Namens und der Funktion – auch vom Barpersonal unterzeichnet wurden. Im Hinblick darauf ist jedoch von einem übereinstimmenden Willen der Beteiligten dahin auszugehen, dass (abhängige) Dienste durch das Barpersonal gegenüber den Maturanten geleistet und von diesen entgegengenommen werden.

6.3. Dem steht auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, die Mitglieder des Ballkomitees hätten die Verträge mit dem Barpersonal unterfertigt, „ohne sich über allfällige Rechtsfolgen Gedanken zu machen und als werkvertragliche Auftraggeber auftreten zu wollen“, nicht entgegen. Dass die von Mitgliedern des Ballkomitees und 548 vom Barpersonal unterfertigten Verträge unbeachtliche Scheingeschäfte gewesen wären, weil die Vertragsparteien überhaupt nicht rechtsgeschäftlich tätig werden wollten (vgl erneut VwGHRa 2016/08/0074), ist nach den getroffenen Feststellungen auszuschließen. Ein allfälliger geheimer Vorbehalt (eine sogenannte Mentalreservation) auf Seiten der Mitglieder des Ballkomitees wäre jedenfalls unbeachtlich gewesen (vgl OGH RIS-Justiz RS0119373, RS0014160 [T7]). Im Übrigen spricht gegen die Annahme eines solchen Vorbehalts, dass nach den Feststellungen das Komitee den Maturaball zu organisieren und dabei (zwangsläufig) die notwendigen Verträge abzuschließen hatte; warum dabei ein Vertragsabschluss mit dem – auch tatsächlich in den Bars beschäftigten – Barpersonal nicht gewollt gewesen wäre, ist nicht zu sehen.

7.1. Ergänzend ist festzuhalten, dass es sich bei den zwischen den Maturanten und dem Barpersonal abgeschlossenen Verträgen um Dienstverträge – und nicht um Werkverträge – handelte. Das Barpersonal verpflichtete sich zur Dienstleistung iS einer Überlassung der Arbeitskraft zur zeitweiligen Verfügung durch die Maturanten unter Eingliederung in den Ballbetrieb, hingegen übernahm es nicht die Herstellung eines Werks iSd Erbringung einer individualisierten erfolgsabhängigen „gewährleistungstauglichen“ Leistung (vgl zur Abgrenzung auch VwGH 10.10.2018, Ra 2015/08/0130; 15.5.2019, Ra 2016/08/0056). Soweit die schriftlichen Vereinbarungen zwischen dem Barpersonal und den Maturanten als „Werkverträge“ bezeichnet und auch inhaltlich mit typisch werkvertraglichen Bestimmungen ausgestaltet wurden, ist darin eine Umgehungskonstruktion zu erblicken, um die Anwendung der Bestimmungen für Dienstverhältnisse (ua über die Versicherungspflicht nach dem ASVG) zu vereiteln. Derartige Umgehungsgeschäfte stehen jedoch dem rechtswirksamen Zustandekommen (abhängiger) Dienstverhältnisse nicht entgegen (vgl VwGH 24.6.2015, Ra 2014/04/0043).

7.2. Das Barpersonal wurde auch in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Maturanten beschäftigt (vgl zu den maßgeblichen Kriterien etwa VwGH 20.2.2008, 2007/08/0053). So lag eine Bindung des Barpersonals an den von den Maturanten vorgegebenen Arbeitsort (angemietete Halle der Stadtwerke H, wo der Maturaball veranstaltet wurde) und an die von den Maturanten in Absprache mit der Revisionswerberin vorgegebene Arbeitszeit vor. Eine Weisungs- und Kontrollunterworfenheit des Barpersonals im arbeitsbezogenen Verhalten lag insoweit vor, als für das Ballkomitee bzw für die Maturanten (die nach den Feststellungen selbst in den Bars mithalfen) während der Durchführung ihres Balls jedenfalls die Möglichkeit bestand, auf die Tätigkeit des Barpersonals durch Weisungen und Kontrollen entsprechend einzuwirken (vgl auch VwGH 2.5.2012, 2010/08/0083). Soweit die Revisionswerberin Anweisungen erteilte, indem sie das Barpersonal vor Beginn des Balls einteilte, und auch während des Balls Kontrollen durchführte, geschah dies im Rahmen des ihr vom Ballkomitee erteilten Auftrags und daher als Mittelsperson der Maturanten. Ferner war von der persönlichen Arbeitspflicht des Barpersonals auszugehen, bestanden doch für das Vorliegen eines Vertretungsrechts, das auch tatsächlich ausgeübt worden wäre bzw mit dessen Ausübung ernsthaft zu rechnen gewesen wäre, keine Anhaltspunkte (vgl VwGH 24.7.2018, Ra 2017/08/0045). Die wirtschaftliche Abhängigkeit ergab sich zwangsläufig aus der persönlichen Abhängigkeit.

7.3. Nach dem Vorgesagten waren sämtliche Voraussetzungen für die Annahme abhängiger Beschäftigungsverhältnisse des Barpersonals gegenüber den Maturanten erfüllt. Diese bestanden – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – auch in Einbindung in einen auf Rechnung der Maturanten geführten Betrieb.

8.1. Ausgehend von der obigen Definition (Pkt 5.2.) war der Maturaball als Betrieb iSd § 35 Abs 1 ASVG iVm § 34 Abs 1 ArbVG zu erachten, handelte es sich dabei doch um eine organisatorische Einheit, innerhalb derer die Maturanten mit technischen und immateriellen Mitteln (ua dem Betrieb von Bars, in denen das Barpersonal in Beschäftigung stand) die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse (Lukrierung finanzieller Mittel) fortgesetzt verfolgten. Der Maturaball wurde auf Rechnung und Gefahr der Maturanten betrieben, weil diese nach rechtlichen Gesichtspunkten aus den getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet waren. Die Maturanten traten als Veranstalter auf und führten die gesamte Organisation durch, indem sie (ua) die Anmietung der Halle, den Abschluss von Versicherungen, die Bestimmung der Verantwortlichkeiten tätigten sowie die Dekoration, die Sponsoren, die Musik, die Getränke, das Personal (ua für die Bars) besorgten. Die damit verbundenen Kosten hatten sie aus den Einnahmen der Ballveranstaltung (vor allem Sponsorengelder, Erlöse aus dem Verkauf von Losen, Mehlspeisen und Getränken) zu bestreiten. Auch das dem Barpersonal zustehende Entgelt zahlten sie am Ende des Maturaballs unmittelbar aus der Ballkasse aus.

8.2. Davon ausgehend waren jedoch die Maturanten als DG iSd § 35 Abs 1 ASVG des – im Rahmen des Ballbetriebs in abhängigen Dienstverhältnissen nach § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG beschäftigten – Barpersonals zu erachten. Es trafen sie daher auch die Meldepflichten nach § 33 Abs 1 ASVG. Soweit demgegenüber das Verwaltungsgericht von der DG-Eigenschaft der Revisionswerberin ausging und dieser eine Verletzung der Meldepflichten anlastete, behaftete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.

9. Das angefochtene Erk war daher gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. [...]

ANMERKUNG

Der VwGH hat zwar Recht, doch hat das LVwG nicht Unrecht, zumal ihre Rechtsansichten im Grunde miteinander verträglich sind.

VwGH und LVwG führten als Rechtsgrundlage § 35 Abs 1 ASVG an, wonach als DG derjenige gilt, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in 549 dem der DN in einem Beschäftigungsverhältnis steht (vgl zB Mikats, Der Dienstgeber im Sinne des ASVG, SozSi 1984, 384). Einig waren sie sich darin, dass es sich beim Barpersonal um DN handelte, die sich iSd § 4 Abs 2 ASVG zur Dienstleistung für gewisse Zeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht zur Herstellung eines Werkes verpflichtet haben. Uneins sind sie nur in der Antwort auf die Frage, in welchem Betrieb das Barpersonal in Beschäftigung gestanden hat.

Das LVwG sah es in der Eventagentur beschäftigt. Diese Ansicht ist begründet, denn deren Betreiber hat das Barpersonal organisiert, ihm Arbeitsanweisungen erteilt und es überwacht; alle 22 Personen dürften der Meinung gewesen sein, für den Betreiber der Eventagentur zu arbeiten, der größte Teil von ihnen sogar zum wiederholten Male.

Der VwGH schloss zunächst richtigerweise eine Arbeitskräfteüberlassung aus, wenngleich mit nicht nachvollziehbarer Begründung. Er führte aus, dass ein Dienstverschaffungsvertrag zwischen den durch das Ballkomitee vertretenen Maturanten und dem Eventagenturbetreiber vereinbart worden sei, ohne dass zu jenem Zeitpunkt aufrechte Dienstverhältnisse bestanden hätten. Unklar bleibt, wieso allein unter dieser Bedingung von einem Leiharbeitsverhältnis auszugehen gewesen wäre. Überlassung von Arbeitskräften ist gem § 3 Abs 1 AÜG die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte. Überlasser gem § 3 Abs 2 AÜG ist, wer sie zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet, ohne dass es darauf ankäme, ob das Dienstverhältnis zwischen Überlasser und überlassener Arbeitskraft vor dem Abschluss des Dienstverschaffungsvertrages mit dem Beschäftiger begründet worden ist.

Freilich wäre es nach der Rsp (vgl zB VwGH 7.9.2017, Ro 2014/08/0046) mit dem Konzept der Leiharbeit unvereinbar, wenn der Beschäftiger aufgrund eigener Rechtsbeziehung einen Anspruch auf die Arbeitsleistung hätte; das dürfte der eigentliche Grund dafür sein, dass der VwGH hier Leiharbeit ausschließt, denn er wies darauf hin, dass eine vertragliche Beziehung zwischen dem Barpersonal und den Maturanten bestanden habe. Die von den Mitgliedern des Ballkomitees und vom Barpersonal unterfertigten Verträge seien Umgehungsgeschäfte, weil es sich entgegen ihrer Bezeichnung nicht um Werkverträge, sondern um Dienstverträge gehandelt habe, doch seien diese nicht als rechtlich unbeachtliche Scheingeschäfte zu qualifizieren. Der Maturaball sei in begrifflicher Anlehnung an § 34 Abs 1 ArbVG (vgl Julcher in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 35 ASVG [Stand 1.6.2017, rdb.at] Rz 14) als Betrieb einzuordnen. Hiernach betrachtete der VwGH das Barpersonal als aufgrund von Dienstverträgen in den auf Rechnung der Maturanten geführten Betrieb eingebunden; die Maturanten seien ihre DG gewesen.

Vom Blickwinkel des VwGH betrachtet sind die Maturanten tatsächlich als DG iSd § 35 Abs 1 ASVG zu erachten. Der VwGH setzte sich allerdings nicht damit auseinander, ob nur diese als DG in Frage kommen. Könnte nicht zugleich auch der Betreiber der Eventagentur ihr DG gewesen sein? Die Maturanten und der Inhaber der Agentur haben nach Ansicht des VwGH und des LVwG verschiedene Betriebe geführt, doch lässt sich wohl mit gleichem Recht sagen, dass das Barpersonal im Betrieb der Agentur beschäftigt war, wie sich sagen lässt, dass es im Ballbetrieb der Maturanten beschäftigt war.

§ 67 ASVG enthält einen Gedanken, der uns weiterhelfen könnte. Obwohl der Betreiber der Agentur sogar gegenüber den in den Bars aushelfenden Schülern und nicht nur dem eigentlichen Barpersonal Anweisungen ausgesprochen hat und regelmäßig kontrolliert hat, ob die vorgesehene Ablöse der Schüler funktioniert, haben er und die Maturanten nicht iSd § 67 Abs 2 ASVG einen Betrieb auf gemeinsame Rechnung geführt (§ 67 Abs 2 ASVG).

§ 67 ASVG nimmt aber in seinem Abs 1 auch auf den Fall Bezug, dass mehrere DG im Einvernehmen dieselbe Person in einer die Pflichtversicherung begründenden Weise beschäftigen; beide haften zur ungeteilten Hand für die Beiträge zur SV; hierfür ist kein Gesellschaftsverhältnis zwischen ihnen vonnöten (vgl Müller in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 67 ASVG Rz 17).

Der Einsatz des Barpersonals, das sowohl dem Eventagenturbetrieb als auch dem Maturaballbetrieb zugeordnet werden kann, erfolgte vonseiten des Inhabers der Agentur in Absprache mit den Maturanten wie beim Abschluss und bei der Ausgestaltung der Verträge, so auch bei der Festlegung des Entgelts und der Durchführung der erforderlichen Arbeiten. Während das Einvernehmen iSd § 67 Abs 1 ASVG als ein solches iS eines gemeinsamen Plans zu verstehen ist, der bei getrennter Beschäftigung verwirklicht wird (vgl R. Müller in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 67 ASVG [Stand 1.7.2014, rdb.at] Rz 15), haben wir es im gegenständlichen Fall mit DN zu tun, die mit ein und derselben Tätigkeit zur Erzielung von Arbeitsergebnissen zweier Betriebe beitragen (krit R. Müller in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SVKomm § 67 ASVG [Stand 1.7.2014, rdb.at] Rz 15).

Falls Einvernehmen zwischen den Maturanten und dem Betreiber der Eventagentur bestanden hat, wäre es nicht unangebracht, sie – ungeachtet des § 67 ASVG – beide als DG iSd § 35 Abs 1 ASVG für das Barpersonal anzusehen. Auch hierfür dürfte kein gesellschaftliches Verhältnis erforderlich sein, denn § 35 Abs 1 ASVG zielt darauf ab, die DG-Pflichten demjenigen aufzuerlegen, dem die DN-Leistungen wirtschaftlich zugutekommen (vgl Julcher in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 35 ASVG Rz 2); in diesem Fall kamen sie den Maturanten ebenso wie dem Inhaber der Eventagentur zugute. Sichtlich spricht einiges dafür, dass das Barpersonal für zwei DG in einem Arbeitsverhältnis tätig war.

Dieser nur scheinbar leichte Fall ruft uns in Erinnerung, dass die Schwierigkeiten, die ein Gericht zu bewältigen hat, bis die Sache spruchreif wird, nicht nur in der Auslegung des Rechtsmaterials oder in der Feststellung des Sachverhalts bestehen, sondern auch in der Subsumtion liegen können, die kein rein logischer Vorgang in Ansehung der Ordnung des Rechts ist. Juristische Subsumtion erfordert die Anwendung des Rechts in einer mit seinem System der gesellschaftlichen Kommunikation über Recht 550 und Unrecht verträglichen Art und Weise, die den sozialen Begründungsanforderungen gerecht wird, Wirksamkeit erwarten lässt und das Gericht dazu anhält, die gesetzliche Wertung auf den zu beurteilenden Fall zu übertragen, sodass es nicht nur ein Urteil, sondern stets auch ein Werturteil fällt.