Schrattbauer/Pfeil (Hrsg)Organisation guter PatientInnenversorgung – Anspruch und Wirklichkeit

Manz Verlag, Wien 2019, X, 74 Seiten, broschiert, € 22,–

PIA ANDREAZHANG (WIEN)

Der vorliegende Band enthält die verschriftlichten Referate der Salzburger Sozial- und Medizinrechtstage, die am 18.10.2018 in Kooperation zwischen der Universität Salzburg und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erstmals veranstaltet wurden. Mittlerweile haben im Oktober 2019 auch die zweiten Salzburger Sozial- und Medizinrechtstage zum Thema „Umsetzung der Neuorganisation der Sozialversicherung“ stattgefunden. Insgesamt sind in dem zu rezensierenden Tagungsband fünf verschiedene Beiträge, die sich allesamt auf verschiedene Aspekte der rechtlichen Rahmenbedingungen guter PatientInnenversorgung und sich daraus ergebenden Problemstellungen konzentrieren, enthalten.

Im ersten Beitrag werden von Dr.in Martina Amler, Mag.a Daniela Ludwan und Mag. Manfred Muck aktuelle Problemstellungen der SV bei der Versorgung anhand der Rechtslage und Judikatur dargestellt. So wird beispielsweise auf die Thematik der Qualitätssicherung in Krankenanstalten und Ordinationen und die Leistungsverteilung zwischen intra- und extramuralem Bereich eingegangen. Bei letzterem wird die integrierte Versorgung als Lösungsansatz vorgeschlagen und die Gesundheitsberatung 1450 als erfolgreiches Modell vorgestellt. Durch die Einrichtung dieser telefonischen Erstberatung seien insb Notaufnahmen und Rettung entlastet worden. Dies erscheint auch deshalb besonders wichtig, da dadurch eine niederschwellige Möglichkeit der telemedizinischen Beratung geschaffen wird, wodurch das Gesundheitssystem wiederum für mehr Menschen zugänglich wird. Kritisiert wird von den AutorInnen, dass der Bundesgesetzgeber bislang seinem Auftrag in Art 50 Abs 5 der Vereinbarung gem Art 15a Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, dass eine Kündigung eines § 2-Kassenvertrages die Kündigung sämtlicher Einzelverträge bewirken soll, bis dato nicht nachgekommen ist. Bisher sei dies nur für die Primärversorgungseinheiten in § 342c Abs 7 ASVG normiert. Diese Säumnis des Gesetzgebers führt dazu, dass Versicherte der Österreichischen Gesundheitskasse oftmals auf die Inanspruchnahme von WahlärztInnen und anschließende (nicht deckende) Kostenerstattung angewiesen sind.

Im zweiten Artikel von Dr. Thomas Czypionka geht es um die zunehmende Multimorbidität als Herausforderung für unser Gesundheitssystem und es wird das 606 erfolgreiche „South Somerset Symphony Programme“ in England vorgestellt. Dabei wurden in der Region South Somerset die PatientInnenakten analysiert und die Personen in fünf Risikogruppen eingeteilt. Je nach Risikogruppe ist eine unterschiedliche Intensität der Versorgung vorgesehen. So werden PatientInnen mit geringem Risiko in Primärversorgungspraxen behandelt. Bei höherer Komplexität ist die Beiziehung von SpezialistInnen und die Entwicklung eines Behandlungsplans, der auf einer elektronischen Plattform einsehbar ist, vorgesehen. Der Autor plädiert mit diesem erfolgreichen Beispiel für populationsorientierte integrierte Versorgungsmodelle, die eine abgestufte Versorgung je nach Komplexität der Erkrankung ermöglichen. Damit könnte die Versorgung chronisch Kranker deutlich verbessert werden. Auch Österreich hat die Vorteile einer integrierten Versorgung erkannt und mit der Gesundheitsreform 2013 begonnen, diesen Weg zu beschreiten. Zur besseren Umsetzung sollte ebenfalls eine Entwicklung und auch umfassende finanzielle Förderung derartiger Initiativen angedacht werden.

Der dritte Beitrag fokussiert auf die Darstellung der verfassungs- und europarechtlichen Judikatur zur Frage der Abgrenzung ambulanter Organisationsformen und beschäftigt sich mit den Folgen für die relativ neue Primärversorgung. Univ.-Prof. DDr. Michael Potacs und Dr. Sebastian Scholz kommen dabei zu dem Ergebnis, dass die Rechtsfolgen der Abgrenzung von Ambulatorien und Gruppenpraxen mit der Einführung der Primärversorgung iSd PrimärVG in zum Teil verfassungs- und unionsrechtlich bedenklicher Weise verschärft wurden, wobei sie vor allem die Bevorzugung von Gruppenpraxen gegenüber Ambulatorien (mit Kassenvertrag) bei der Auswahl von Primärversorgungseinheiten problematisch sehen.

Im vierten Beitrag wird das Problem der Anstellung von ÄrztInnen durch ÄrztInnen von Univ.-Prof. Dr. Konrad Grillberger diskutiert. Dabei wird einerseits die neue Rechtslage des § 47a ÄrzteG erklärt und andererseits sich daraus ergebende Fragestellungen besprochen. Der Autor kritisiert insb die missglückte Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Gesundheitsversorgung, die zu rechtlichen Unsicherheiten führe. Bei der Anstellung von ÄrztInnen durch ÄrztInnen wurde durch die neue Regelung zwar etwas Rechtssicherheit geschaffen, verfassungsrechtlich würden sich aber nach wie vor Fragen stellen, insb zur Abgrenzung zwischen Ordinationsstätten und selbstständigen Ambulatorien.

Im Beitrag von Dr.in Susanne Auer-Mayer von der Universität Salzburg geht es um die Beendigung von Vertragsbeziehungen und dabei insb um die unterschiedlichen Regelungen je nach Organisationsform. Dabei ist der Kündigungsschutz bei Einzelordinationen und bei regulären Gruppenpraxen stärker ausgeprägt als bei einer Beschäftigung in einer Primärversorgungseinheit. Die Autorin stellt hier die sehr spannende Frage der sachlichen Rechtfertigung dieser rechtlichen Differenzierung. Der Bestandschutz im VertragspartnerInnenrecht gehe sogar über den Schutz von Arbeitsverhältnissen von AN hinaus, was in Anbetracht der oft gewinnorientierten Unternehmen zumindest ungewöhnlich erscheine. Problematisch sei dies im Zusammenhang mit einer effizienten Versorgungsplanung im Gesundheitsbereich insb bei erheblichen Änderungen des Bedarfs. Insgesamt wird daher eine Lockerung des Kündigungsschutzes oder zumindest eine Angleichung der unterschiedlichen Regelungen empfohlen.

Der Tagungsband richtet sich im Wesentlichen an ein interessiertes Fachpublikum und beschäftigt sich intensiv mit ausgesuchten Frage- und Problemstellungen im Zusammenhang mit PatientenInnenversorgung. Aufgrund seines kompakten Umfangs wäre der Tagungsband aber auch ein geeigneter Einstieg in die umfangreiche Materie. Ein Vorwissen im ÄrztInnensowie Krankenanstaltenrecht ist zwar nicht unbedingt erforderlich, für das bessere Verständnis der Beiträge aber sicherlich hilfreich. Die einzelnen Artikel gehen sowohl auf die aktuelle Rechtslage als auch auf die relevante Judikatur umfassend ein. Zu Beginn jedes Artikels erfolgt ein informativer Problemaufriss. Dieser Band stellt daher einen gelungenen Überblick über aktuelle rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Thematik PatientInnenversorgung dar.607