GerhartlAuslBG – Ausländerbeschäftigungsgesetz – Kommentar

Linde Verlag, Wien 2019, 320 Seiten, gebunden, € 64,–

FLORIAN G.BURGER (INNSBRUCK)

„MB präsentiert ...“ Erinnern Sie sich noch an die TV-Werbung, in der ein Kind mit Schlägel und großem Gong das neueste Brettspiel eines Spieleherstellers ankündigte? Diese Werbung kam mir für die Rezension dieses neuen, 2019 erschienenen Kommentars zum AuslBG in den Sinn: „Linde präsentiert ...“ ein vergnügliches Trinkspiel für zwei Personen: Der eine Spieler nimmt das hier zu besprechende Werk, der andere greift zu Deutsch/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsgesetz2 (2018), das im ÖGB-Verlag erschienen ist. Der erste Spieler liest eine von ihm frei gewählte Randzahl aus dem Kommentar von Andreas Gerhartl, der andere sucht im Konkurrenzprodukt. Bei wörtlicher Übereinstimmung greifen beide zu einem Gläschen mit alkoholischem Inhalt. Ein phantastischer Spaß am Rande jeder arbeitsrechtlichen Tagung, aber Vorsicht: im Nu sind alle hageldicht.

Was ist passiert? Andreas Gerhartl, der als Mitarbeiter des AMS Niederösterreich jene Behörde von innen kennt, die das AuslBG umsetzt, hat im Linde Verlag diesen neuen Kommentar geschrieben. Ein solcher ist sicherlich nicht fehl am Platz, weil das Ausländerbeschäftigungsrecht keine leicht durchschaubare Materie ist. Grund dafür ist die Verknüpfung des Beschäftigungsrechts mit dem Aufenthalts- und Fremdenrecht, sodass der Zugang zum Arbeitsmarkt weniger durch das AuslBG, sondern eigentlich durch Fremdengesetz (FrG) und Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gesteuert wird. Und den Durchblick über die verschiedenen Aufenthaltstitel – von der „Rot-Weiß- Rot – Karte“ mit oder ohne „Plus“, den Niederlassungsbewilligungen, „Blaue Karte EU“ bis zur Karte als Familienangehöriger oder Status als subsidiär Schutzberechtigter – haben eigentlich nur ausgewiesene Kenner der Materie. Damit auch weniger Bewanderte zumindest eine Chance haben, können Kommentare weiterhelfen.

So freut man sich auf dieses neue Werk mit dem im Vorwort deklarierten Ziel, eine prägnante, übersichtliche und kompakte Darstellung in Händen halten zu können, die sich auf das Wesentliche konzentriere und auf die Wiedergabe historischer Entwicklungen verzichte. Aus der Praxis, für die Praxis eben. Und (selbst-) bewusst stellt Gerhartl seinen Kommentar neben die zwei aktuellen Konkurrenzprodukte, die „überaus wertvolle Dienste bei der Erschließung des Themas [leisten], weshalb auch an sie angeknüpft werden konnte“ (Vorwort). Doch sein „Anknüpfen“ ist, wie sich schnell herausstellt, ein Euphemismus für „Abschreiben“. Nicht wenige Absätze finden sich wortgleich in Durchführungsbestimmungen oder im Kommentar von Deutsch/Nowotny/Seitz! Zugegeben: mal mit einem etwas anderen Einleitungssatz, mal mit einer leicht geänderten Wortstellung, vielleicht mal mit einem weiteren Rechtssatz oder statt „RGS“ (für „regionale Geschäftsstelle“) ein „AMS“, aber sonst weitgehende Identität. Die im Vorwort versprochenen Kürzungen werden tatsächlich geliefert, denn der Kommentar des ÖGB-Verlages enthält weitere Anmerkungen, die Gerhartl mitunter in einem einzigen Satz zusammenfasst oder ganz weglässt, meistens nähere Ausführungen zum Fremdenrecht oder zu verschiedenen Aufenthaltstiteln. Und die vorgenommenen Kürzungen sind auch nicht immer praxisnah: So könnte man sich zB schon vorstellen, dass bei § 1 Abs 2 lit d AuslBG die Frage aufsteigen könnte, wer aller eine seelsorgerische Tätigkeit ausübt, etwa auch ein Religionslehrer, und daher vom AuslBG ausgenommen ist. Während man bei Deutsch/Nowotny/Seitz in § 1 Rz 14 und auch bei Kind, AuslBG (2018) § 1 Rz 39, dem zweiten Konkurrenzprodukt aus dem Verlag Österreich, eine Antwort findet, bleibt Gerhartl der/dem LeserIn diese in § 1 Rz 12 schuldig. Aber verweilen wir noch an dieser Stelle: Die dort wiedergegebene Aufzählung der anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften ist nicht nur exakt gleich wie bei Deutsch/Nowotny/Seitz einschließlich der etwas uneinheitlichen Wahl der Groß- und Kleinschreibung („griechisch-orientalische Kirche“, aber „Syrisch-Orthodoxe Kirche“), beide enthalten auch noch die Herrnhuter Brüdergemeine (hier ein Plus für Gerhartl, der anders als der ÖGB-Verlag sie richtig nicht als „Gemeinde“ bezeichnet), die jedoch bereits 2012 ihre Anerkennung verloren hat (BGBl II 2012/31BGBl II 2012/31) und in Österreich offiziell eigentlich „Herrnhuter 604 Brüderkirche“ hieß. Richtigerweise wird sie von Kind in dessen Aufzählung auch nicht erwähnt.

Freilich findet man in Kommentaren immer wortgleiche Passagen, weil letztlich Judikatur-Leitsätze, Erläuternde Bemerkungen, Erwägungsgründe oder Rechtsvorschriften zitiert werden. Und Übereinstimmungen in der Struktur einer Kommentierung sind oftmals unausweichlich, weil der Aufbau didaktisch oder methodisch vorgegeben ist. Aber hier wird der/dem LeserIn ein Kommentar gegen gutes Geld angeboten, der die Grenzen des Üblichen überschreitet. Es erübrigt sich hier, Beweise anzuführen, weil man eine beliebige Randzahl auswählen kann – man wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit im Buch des ÖGB-Verlags wiederfinden. Noch nicht einmal Beispiele wurden abgeändert, so kann etwa „eine Tischlerei einer anderen Tischlerei kurzfristig einen Tischler überlassen oder ein Baumeister einem anderen Baumeister einen Maurer oder einen Zimmerer“ (§ 6 Rz 3 = Deutsch/Nowotny/Seitz § 6 Rz 5). Selbst Details wurden übernommen: Soweit gesehen, findet sich bei Gerhartl nur an einer Stelle die Bezeichnung „AMS Österreich“, nämlich in § 14 Rz 2. Bei Deutsch/Nowotny/Seitz kommt sie zwei Mal vor, einmal an einer nicht übernommenen Stelle (§ 20f Rz 12) und einmal – erraten – in § 14 Rz 4. Diese weite Übernahme lässt jene Textpassagen verblassen, die doch aus eigener Feder zu stammen scheinen. Diese gibt es aber, etwa in § 18 Rz 20 f, wenn bezüglich der Abgrenzung der Arbeitskräfteüberlassung vom Werkvertrag die EuGH-Rs Martin Meat aufgegriffen wird, und am ehesten findet man eigenständige Bearbeitungen in §§ 4 und 4c.

Gerhartls Werk hinterlässt ein irritierendes Gefühl. Selbst wenn man hofft, dass zwischen den beiden renommierten Verlagen eine nicht deklarierte Zusammenarbeit besteht, so werden am Ende wohl jene KäuferInnen enttäuscht sein, die bereits Deutsch/Nowotny/Seitz besitzen und für den Diskurs sich nun auch den Kommentar des Linde-Verlags zum fast gleichen Ladenpreis angeschafft haben. Nur für das angenehmere Layout ist dies aber nicht wert.