HultzschNullstundenverträge – Grenzen arbeitsvertraglicher Flexibilisierungsmöglichkeiten im Hinblick auf Lage und Dauer der Arbeitszeit

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2019, 418 Seiten, € 119,90

OLAFDEINERT (GÖTTINGEN)

Grundsätzlich muss der AG, auch wenn er die Arbeitsleistung nicht annimmt, weil er sie nicht benötigt, nach deutschem Recht die Vergütung zahlen. Er trägt nach § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Wirtschaftsrisiko. Viele verschiedene Formen von Flexibilisierungen im Arbeitsvertrag versuchen, die damit verbundene Lastenverteilung anders zu gestalten. Dazu gehören auch die sogenannten Nullstundenverträge, die darauf hinauslaufen, dass der AG nur bei Bedarf die Arbeitsleistung abruft und bezahlen muss. Ähnlich ist es bei Verträgen, wo zwar eine bestimmte Gesamtmenge der Arbeitsleistung vereinbart ist, diese aber als Mindestmenge oder Höchstmenge festgelegt wurde, mit der Folge, dass der AG diese nach Belieben über- oder unterschreiten kann – mit entsprechenden Konsequenzen für die Vergütung. Der deutsche Gesetzgeber hat die Abrufarbeit in § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Vereinbarung einseitig vom AG abrufbarer Arbeit nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen darf (BAG 5 AZR 535/04 NZA 2006, 423). Im Anschluss hieran hat der Gesetzgeber im Zuge der letzten Reform des Teilzeitrechts (Gesetz vom 11.12.2018, BGBl I 2384) eine Regelung in § 12 Abs 2 TzBfG eingefügt, wonach der AG im Falle einer Mindestarbeitszeit nicht mehr als 25 % zusätzlich abrufen darf, im Falle einer Höchstarbeitszeit nur bis zu 20 % weniger. Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass Nullstundenverträge damit unzulässig wären. Dass es ganz so einfach nicht ist, zeigt die anzuzeigende Dissertation auf.

Ferdinand Hultzsch definiert einleitend zunächst, was er unter einem Nullstundenvertrag versteht. Danach wird eine Arbeitsleistung ohne zeitlichen Mindestumfang versprochen, wobei der AG neben dem Umfang auch die Lage der Arbeitszeit festlegt und nur für tatsächlich erbrachte Arbeit eine Vergütung schuldet. Dies ist teilweise mit einem Ablehnungsrecht verbunden, sodass der AN die vom AG angebotene Arbeit ausschlagen kann. Der Autor geht in dem Zusammenhang zunächst der Frage nach, ob es sich beim Nullstundenvertrag überhaupt um ein Arbeitsverhältnis handelt. Das ist in den Fällen in der Regel unproblematisch, in denen der Leistungserbringer kein Ablehnungsrecht hat. Aber auch wenn ein Ablehnungsrecht gegeben ist, geht er für den Regelfall von einem Arbeitsverhältnis aus und stellt sich damit gegen die überwiegende Lehre und Rsp. Diese nehmen nämlich für den Regelfall an, dass es sich im Falle eines Ablehnungsrechts 599 um einen Rahmenvertrag handelt, der nur die Konturen später abzuschließender Einzelarbeitsverträge umreiße. Das freilich lässt sich für einen AG befristungsrechtlich kaum durchhalten, weil dann jeder Arbeitseinsatz ein befristetes Arbeitsverhältnis wäre. Zudem würde, wie der Verfasser herausarbeitet, eine solche Gestaltung als institutioneller Rechtsmissbrauch anzusehen sein, soweit es nicht um völlig unabhängig voneinander begründete Arbeitsverhältnisse geht. Denn auf diese Weise würden sämtliche Schutzrechte, die von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses abhängen, umgangen werden. Ein Verständnis als Dauerarbeitsverhältnis entspricht danach vielmehr den beiderseitigen Interessen, wenn ein Dauerbedarf gedeckt werden soll, der nur einen schwankenden Umfang hat. Das Ablehnungsrecht schließt Eingliederung und Weisungsgebundenheit im Übrigen keineswegs aus.

Im Anschluss an diese Einordnung werden die Gestaltungsgrenzen nach bisheriger Rsp und nach den Regelungen in § 12 TzBfG dargestellt. In dem Zusammenhang verlangt der deutsche Gesetzgeber die Festlegung einer bestimmten Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit. Nullstundenverträge genügen dem nicht, wie Hultzsch herausarbeitet und daraus die Folge ableitet, dass nach § 12 Abs 1 Satz 3 TzBfG eine Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche als vereinbart gilt. Anders sei es hingegen bei Einstundenverträgen, weil hier eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festgelegt ist. Dass auch dies mit Nachteilen behaftet ist, ergibt sich aus den Begrenzungen für die abrufbare Arbeitsmenge.

Diese Grenzen hinsichtlich des abrufbaren Umfangs werden sodann in den Blick genommen. Es geht letztlich darum, in welchem Maße der AG das Betriebsrisiko auf den AN abwälzen kann. Nun könnte man meinen, dass dies unmittelbar aus § 12 Abs 2 TzBfG folge. Hultzsch geht indes einen anderen Weg. Letztlich unterstellt er, dass der Gesetzgeber durch die erklärte Absicht, die bisherige Rsp des BAG zu kodifizieren, keine abschließende Regelung habe treffen wollen, sondern die Grenzen im Übrigen der richterlichen Vertragsinhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB habe überlassen wollen. Die Begründung ist insgesamt dünn, was besonders schade ist im Hinblick darauf, dass der Verfasser ansonsten jedem Für und Wider sorgfältig nachgeht. Hier hätte man sich eine sorgfältigere Auseinandersetzung mit dem Normtext und Erwägungen zu der Frage gewünscht, ob es naheliegt, dass der Gesetzgeber sich darauf beschränkt, einem bestimmten Rechtsprechungsverständnis allein die Zustimmung zu geben. Das wirkt sich freilich kaum aus, weil für die Inhaltskontrolle § 12 TzBfG und § 615 BGB zum gesetzlichen Leitbild iSd § 307 Abs 2 Nr 1 BGB hinsichtlich des Wirtschaftsrisikos mit der Folge erklärt werden, dass die Grenzen der Abweichung die nämlichen sind. Bei einer Kombination mit einer variablen Lage der Arbeitszeit geht er zudem davon aus, dass der Anteil der zusätzlich abrufbaren Arbeitszeit abnehme mit einer zunehmenden Länge des Bezugszeitraums.

Interessant sind schließlich die Ausführungen zur Frage der Lückenschließung, wenn eine Vereinbarung unwirksam im Hinblick auf einen zu hohen variablen Anteil ist. Hier befürwortet er eine ergänzende Vertragsauslegung. Freilich scheint es mir näher zu liegen, wie dies von einem Teil der Lehre und Rsp vertreten wird, darauf abzustellen, wie die Parteien den Vertrag insgesamt gelebt haben, weil sich daraus das eigentlich rechtsgeschäftlich Gewollte ergibt. Aber darüber lässt sich streiten, der Verfasser hat diesen Ansatz jedenfalls verworfen.

Insgesamt hat Hultzsch eine umfassende Erörterung der Rechtsfragen von Nullstundenverträgen im deutschen Recht vorgelegt, die zeigt, dass die letzte Gesetzesnovelle keineswegs alle Fragen geklärt hat. Respekt verdient, dass er sich durch eine gefestigte Meinung nicht irritieren lässt, sondern eine eigene Lösung sucht und vertritt. So wird insb die Annahme, dass auch bei einem Ablehnungsrecht ein Arbeitsverhältnis vorliegt, in Rsp und Literatur künftig nicht ohne Weiteres übergangen werden können.