Schichtarbeit und Arbeitsruhegesetz (ARG)

GERHARDBREMM / IRMGARDLEITNER-GADRINGER

Hierzulande ist Schichtarbeit, insb in Produktionsbetrieben, ein typisches und gängiges Arbeitszeitmodell. Schichtarbeit ist ein Arbeitszeitmodell, das oft in der Praxis für Verwirrung und offene Fragen sorgt. Ruhezeiten stellen bei Schichtarbeit ein überaus wichtiges, aber auch sensibles Thema dar. Jüngste Tendenzen der Praxis im Umgang mit Ruhezeiten im Schichtbetrieb werden in diesem Beitrag genau untersucht. Der Beitrag soll Schichtmodelle samt arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen dazu eingangs näher beleuchten. Daran anschließend knüpft sich eine arbeitsruherechtliche Bearbeitung ausgewählter Rechtsfragen des 5-Schicht-Modells.

1.
Einführung in die Schichtarbeit

Von Schichtarbeit spricht man, wenn ein und derselbe Arbeitsplatz an einem Arbeitstag von mehreren einander abwechselnden AN besetzt wird.* Gem § 4a AZG ist bei Schichtarbeit ein Schichtplan zu erstellen. Dieser wird idR mittels BV geregelt (§ 97 Abs 1 Z 2 ArbVG). Neben klassischen 2- oder 3-Schicht-Betrieben sind in der Praxis überwiegend voll- oder teilkontinuierliche Schichtbetriebe von Bedeutung. Unter vollkontinuierlicher Schichtarbeit versteht man ein Schichtmodell, bei dem die Schichtplangestaltung kontinuierlich (24 Stunden) sämtliche Kalendertage (inklusive Sonntage) einer Arbeitswoche umfasst. Bei teilkontinuierlichen Schichtmodellen hingegen wird kontinuierlich (24 Stunden) an den Werktagen (freier Sonntag) der Schichtbetrieb aufrechterhalten. Abhängig von der Anzahl der abzudeckenden Schichten in einer Woche spricht man bei teilkontinuierlichen Modellen auch von 17-/18-/19-Schichtmodellen.

Abzudeckende Schichten im 19-Schicht-Modell (teilkontinuierlich)

MoDiMiDoFrSaSo
FFFFFF        
SSSSSS          
NNNNNNN    

F =Frühschicht, S = Spätschicht, N = Nachtschicht

Abzudeckende Schichten im 21-Schicht-Modell (vollkontinuierlich)

MoDiMiDoFrSaSo
FFFFFFF        
SSSSSSS          
NNNNNNN    

Zur Abdeckung der Schichten werden – je nach Schichtmodell – drei, vier bzw fünf Schichtgruppen eingesetzt. Im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb hat sich der Terminus 4-und 5-Schicht-Modelle herausgebildet. Konkret wird dadurch die erforderliche Betriebszeit (Früh-, Spät- und Nachtschichten) mit vier bzw fünf Schichtgruppen abgedeckt, damit eine bzw zwei Gruppen eine Freischicht hat. Bei 4-Schicht-Modellen ist typisch, dass eine höhere wöchentliche Normalarbeitszeit (also höher als die regelmäßige kollektivvertragliche oder gesetzliche Normalarbeitszeit) erreicht wird. Als Ausgleich werden sogenannte Freischichten im Schichtplan berücksichtigt. Demgegenüber geht mit 5-Schicht-Modellen eine Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit einher. 5-Schicht-Modelle sind daher für Schichtarbeitende weniger belastend.

Beispiel: 4-Schicht-Modell

MoDiMiDoFrSaSo
AFFSSNNN        
BFFSSS          
CNNFFF   
DSSNN

Beispiel: 5-Schicht-Modell

MoDiMiDoFrSaSo
AFFSNN        
BFSSNN          
CFFSS  
DNNFF
ESSN

363

2.
Arbeitswissenschaftliche Aspekte zu Schichtarbeit

Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse sind neben den gesetzlichen Grundlagen essentiell für die Tauglichkeit und das Funktionieren eines Schichtmodells. Auf Basis der gesetzlichen Grundlagen könnten theoretisch (sehr) arbeitsintensive Schichtmodelle geplant werden, die in der tatsächlichen Umsetzung aber aufgrund zu hoher Belastungen nicht tauglich wären. In vollund teilkontinuierlichen Schichtbetrieben ist ein besonderes Augenmerk auf die Abend-, Nachtund Wochenendarbeit zu legen. Nachtarbeit gilt aus arbeitswissenschaftlicher Sicht als körperlich stark belastend, da dabei gegen den biologischen Rhythmus gearbeitet wird.* Der Mensch ist durch den zirkadianen Rhythmus auf einen etwa 24-stündigen Schlaf-Wach-Rhythmus ausgelegt. Arbeitsleistungen zu Zeiten, die biologisch für Schlaf ausgerichtet sind, stören diesen Biorhythmus (innere Uhr). Der soziale Rhythmus, die sozial nutzbare Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten, ist bei der Schichtplangestaltung besonders zu berücksichtigen. Abend- und Wochenendfreizeiten gelten in unserer Gesellschaft als sozial sehr wertvolle Zeit. Arbeiten zu diesen Zeiten stellen einen hohen Belastungsfaktor dar. Diese Nacht-, Abend- und Wochenendarbeitsbelastungen sollen abgefedert werden. Aus diesen Aspekten lassen sich Gestaltungsempfehlungen – insb die Ruhezeiten betreffend – ableiten, welche über das AZG und ARG hinausgehen.*

2.1.
Arbeitsfreie Zeit nach Nachtschichtphase

Arbeit in der Nacht stellt immer eine besondere körperliche Belastung dar. Nach einem Nachtschichtblock sollte ausreichend Zeit für Erholung und Re-Synchronisation gewährt werden. Arbeitswissenschaftlich sollte mindestens ein 48-Stunden-Freizeitblock nach einem Nachtschichtblock vorgesehen werden. Geht der Nachtschichtblock über zwei Tage in Folge, dann wird in Folge ein freier Tag zusätzlich empfohlen. Bei drei Nachtschichten sollten daher in Folge anschließend drei freie Tage eingeplant werden.

2.2.
Ungünstige Schichtfolgen vermeiden

Es gibt Schichtfolgen, die aus arbeitswissenschaftlicher Sicht kritisch eingeschätzt werden, bspw ein Wechsel von Nacht- in Frühschicht mit einem freien Tag dazwischen (N-Frei-F). Der vermeintlich „freie“ Tag dient in diesem Fall zum Ausschlafen von der Nachtschicht bei gleichzeitiger Um- und Einstellung auf einen frühen Arbeitsbeginn aufgrund der Frühschicht. Günstiger – aber noch immer bedenklich – wäre ein Wechsel in eine Spätschicht nach dem freien Tag, damit sich die Freizeitphase verlängert.

2.3.
Einzeln eingestreute Freizeit- und Arbeitstage im Schichtplan vermeiden

Einzeln eingestreute Schichten in einem Freizeitblock zerschlagen diesen und reduzieren die zusammenhängende Erholungs- und Freizeitphase. Einzeln eingestreute Freizeittage – insb nach einer Nachtschicht – haben einen stark eingeschränkten Erholungswert.

2.4.
Zusammenhängende Freizeit am Wochenende planen

Wochenendarbeit sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Wenn Wochenendarbeit jedoch erforderlich ist, sollten trotzdem zusammenhängende Freizeitphasen geplant werden. Insb bei voll- und teilkontinuierlichen Schichtbetrieben. Jedenfalls sollten in Schichtplänen möglichst viele gänzlich freie Wochenenden eingeplant werden. Dabei bedeutet ein gänzlich freies Wochenende, dass Samstag und Sonntag arbeitsfrei sind und freie Samstage nicht als Regenerationstag in Folge einer Nachtschicht am Freitag dienen.

2.5.
Wochenarbeitszeiten gleichmäßig verteilen und Massierung von Arbeitszeiten vermeiden

Die Wochenarbeitszeiten sollten nicht zu stark voneinander abweichen. Insb sollte eine Massierung – sprich Konzentration – von Arbeitszeiten (lange Arbeitsblöcke) begrenzt werden. Arbeitswissenschaftlich empfiehlt sich, dass maximal fünf bis sieben Arbeitstage in Folge gearbeitet wird. Ausgeglichene Wochenarbeitsund Wochenfreizeiten verteilen Belastungsund Erholungszeiten gleichmäßiger.

2.6.
Vorhersehbare Schichtpläne – Vermeidung von Einspring- und Zusatzschichten

Schichtarbeit macht die Planung eines „normalen“ Privatlebens schwierig. Schichtpläne sollen daher vorhersehbar sein. MaW: vorherseh- und planbare ungestörte Arbeits- und Freizeiten. Durch häufige und vor allem kurzfristige Änderungen von Schichtplänen (bspw Zusatz- oder Einspringschichten) leiden selbst beste Schichtsysteme. 364

3.
Arbeitsruhe im vollkontinuierlichen 5-Schicht-Betrieb

Rechtsgrundlage zur Beurteilung der arbeitsruherechtlichen Zulässigkeit von Schichtmodellen ist das ARG.* Gem § 2 Abs 1 ARG gilt als Wochenendruhe eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag fällt (Z 1) und als Wochenruhe eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden in der Kalenderwoche (Z 2). Als wöchentliche Ruhezeit wird sowohl die Wochenend- als auch die Wochenruhe verstanden (§ 2 Abs 1 Z 3 ARG). Im vollkontinuierlichen 5-Schicht-Betrieb muss vom Grundsatz der Wochenendruhe (§ 3 ARG) abgegangen werden und es gebührt den AN eine Wochenruhe (§ 4 ARG) im selben Ausmaß wie die Wochenendruhe. Als lex specialis erlangt § 5 ARG iZm Schichtarbeit eine besondere Bedeutung. Demgemäß kann zur Ermöglichung der (ua vollkontinuierlichen) Schichtarbeit im Schichtplan die wöchentliche Ruhezeit abweichend geregelt werden. Die wöchentliche Ruhezeit kann bis auf 24 Stunden gekürzt werden, wenn diese Verkürzung um zwölf Stunden in einem Durchrechnungszeitraum von vier Wochen wieder ausgeglichen wird und so eine rechnerische Ruhezeit im Durchschnitt von 36 Stunden pro Woche sichergestellt wird. MaW: Eine zulässige Ruhezeitverkürzung führt zu einer Ruhezeitverlängerung in einer anderen Woche. Rechtlich zulässig wäre auch die Verkürzung mehrerer Wochenruhezeiten im Durchrechnungszeitraum, wenn diese in Form eines längeren Freizeitblocks wieder ausgeglichen werden. Der Durchrechnungszeitraum des ARG zur Beurteilung der Einhaltung der wöchentlichen Ruhezeit ist nicht mit dem verbindlich festzulegenden Schichtturnus (= Durchrechnungszeitraum des Schichtmodells) gleichzusetzen. Beide Durchrechnungszeiträume können, werden sich aber in der Regel nicht decken.

Die Rechtsgrundlagen der Wochenend- und Wochenruhe stellen AN-Schutzvorschriften dar, weshalb diese typischerweise restriktiv und durchaus streng auszulegen sind. Nach hA wird die Verkürzungsmöglichkeit der wöchentlichen Ruhezeit iSd § 5 ARG im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb derart verstanden, dass nur der Schichtplan selbst diese Verkürzung vorsehen kann.* AG ist es daher verwehrt, außerhalb des Schichtplans einseitig die Arbeitszeit derart zu gestalten, dass zwar die Anforderungen des § 5 ARG erfüllt sind, aber der Schichtplan nicht mehr eingehalten wird. Eine Verkürzung der wöchentlichen Ruhezeit kann daher nur mittels Schichtplan, nicht aber während des laufenden Schichtturnus (abseits des Schichtplans) durch Einspring- oder Zusatzschichten erfolgen. Wenn daher im Schichtplan eine 36-stündige Wochenruhe vorgesehen ist, kann der AG diese nicht einseitig auf 24 Stunden durch Einspring- oder Zusatzschichten bei Bedarf kürzen.

An Missachtungen der Wochenruhebestimmungen knüpfen sich konsequenterweise Rechtsfolgen. Allgemein bekannt ist dies ua als Ersatzruhe. Der Gesetzgeber rechnete vermutlich mit einer potentiellen Verletzungsgefahr der Regelungen zur Wochenend- und Wochenruhe und traf diesbezüglich Vorkehrungen. Gem § 6 ARG hat der AN, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit (iSd § 2 Abs 1 Z 3 ARG) beschäftigt wird, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen ist. Diese Ersatzruhe ist im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde. Abzustellen ist also nicht auf die Kalenderwoche, sondern auf den jeweils individuellen Arbeitsbeginn der folgenden Arbeitswoche. Von diesem Zeitpunkt werden 36 Stunden zurückgerechnet und diese Zeitspanne bildet die sogenannte absolute Kernruhezeit.*

Generell bei Schichtarbeit, aber insb im vollkontinuierlichen 5-Schicht-Betrieb braucht es nicht zuletzt wegen der Verkürzungsmöglichkeit der wöchentlichen Ruhezeit gem § 5 ARG eine Modifikation der Kriterien, unter denen Ersatzruhe zusteht. Aufgrund der Eigenheiten im Schichtbetrieb iZm Wochenruhe kommt es für das Entstehen eines Ersatzruheanspruchs auf Arbeitsleistungen innerhalb jenes Zeitraums vor Beginn der nächsten Arbeitswoche an, der auf Grund des Schichtplans in der konkreten Woche als wöchentliche Ruhezeit vorgesehen ist.* Diese wöchentliche Ruhezeit kann dabei sowohl 24, 36 oder auch mehr Stunden, abhängig vom konkreten Schichtplan, betragen. Auch bei vollkontinuierlichen Schichtbetrieben mit teilweise länger eingeplanten Freizeitblöcken ist eine wöchentliche Kernruhezeit, im jeweiligen Stundenausmaß (24, 36 oder mehr Stunden) vor Beginn des nächsten Arbeitsblocks, zu beachten. § 6 Abs 1 ARG selbst normiert, dass es zur Beurteilung des Ersatzruheanspruches auf eine Beschäftigung während der wöchentlichen Ruhezeit iSd § 2 Abs 1 Z 3 ARG ankommt. Da auch bei Schichtarbeit eine Wochenruhe gem § 4 ARG, also eine wöchentliche Ruhezeit mit Modifikationen iSd § 5 ARG, zwingend zu beachten ist, sind auch die Regelungen über die Ersatzruhe anzuwenden. § 6 Abs 1 letzter Satz ARG trifft darüber hinaus keinerlei Differenzierungen 365 bezüglich der Kernruhezeit im Schichtbetrieb, da diese ohnehin obsolet wären. Die Kernruhezeit bei Schichtarbeit ist jene Zeitspanne, welche sich im Ausmaß der jeweiligen wöchentlichen Ruhezeit vor Beginn des nächsten Arbeitsblocks ergibt. Ein gegenteiliges Ergebnis ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 6 ARG, noch kann ein solches Ergebnis mittels anderer juristischer Auslegungsmethoden argumentiert werden. Anderslautende Interpretationen würden dazu führen, dass § 6 ARG für AN im Schichtbetrieb faktisch totes Recht darstellen würde, oder diese zumindest im Vergleich mit AN in anderen Arbeitszeitmodellen wesentlich und ohne jegliche sachliche Rechtfertigung benachteiligt wären.

Zur Beurteilung der Kernruhezeit bei Schichtarbeit ist daher der jeweilige Schichtplan heranzuziehen. Da innerhalb eines vierwöchigen Durchrechnungszeitraums im Schichtplan selbst Verkürzungen der wöchentlichen Ruhezeit auf bis zu 24 Stunden zulässig sind, müssen andere Wochenruhezeiten als Ausgleich wiederum ausgedehnt werden, und zwar um jene Zeitspanne, um die auch verkürzt wurde. Dabei ist zu beachten, dass der Ausgleich der Verkürzung auch in einer kürzeren Zeitspanne als im gesetzlich höchstzulässigen Durchrechnungszeitraum von vier Wochen erfolgen kann (bspw Ausgleich innerhalb von zwei Wochen). Lediglich der Ausgleich der Verkürzung von Wochenruhezeiten über den gesetzlich vorgegebenen Durchrechnungszeitraum hinaus wird durch § 5 ARG untersagt.*

3.1..
Ruhezeitverletzungen im Schichtbetrieb – Darstellung anhand von Beispielen

Vorstehende Ausführungen sollen nun anhand zweier 5-Schicht-Modelle verdeutlicht werden. Bei beiden Schichtmodellen ist es in der Praxis nicht unüblich, dass es (bspw aufgrund unvorhersehbarer personeller Ausfälle) zu Einspringbzw Zusatzschichten kommt. In diesem Zusammenhang drängen sich offene Fragen bezüglich Wochenruhe und dem damit verbundenen Ersatzruheanspruch in den Raum. Insb wird stellenweise in Betrieben jüngst die Auffassung vertreten, es gebühre AN kein Ersatzruheanspruch, wenn die Mindestwochenruhe (24 oder 36 Stunden) in Summe während eines Freizeitblocks eingehalten wurde. Eine Kernruhezeit sei demnach im vollkontinuierlichen 5-Schicht-System unbeachtlich. Diese Auffassung ist, basierend auf obigen arbeitswissenschaftlichen und rechtlichen Untersuchungen, schlicht nicht haltbar. Weder findet diese Rechtsansicht Deckung durch das ARG, noch kann eine derartige gravierende Benachteiligung von Schichtarbeitern in 5-Schicht-Modellen sonst wie gerechtfertigt werden.

Ausgewählte Beispiele:
Modell-Plan 10-Wochen-Schichtturnus

MoDiMiDoFrSaSo
Woche 1FFSS24hN        
Woche 2Kernruhezeit: 48hFFSS          
Woche 3NN
Woche 4FSSNN
Woche 5FFSSN
Woche 6NFF
Woche 7SSNN
Woche 8FFSSNN
Woche 9FFS
Woche 10SNN

Dieses Schichtmodell zeichnet sich dadurch aus, dass an sechs Werktagen eine kontinuierliche Abfolge von je zwei Früh-, Spät- sowie Nachtschichten vorgesehen ist, woran sich ein Freizeitblock im Ausmaß von rund 3,5 Tagen knüpft. Wie üblich im vollkontinuierlichen 5-Schicht-System wird auch in diesem Schichtplan ua eine Verkürzung der wöchentlichen Ruhezeit auf 24 Stunden eingeplant, konkret in Woche 1 zwischen Donnerstag (Schichtende 22 Uhr) und Freitag (Schichtbeginn 22 Uhr). Die wöchentliche Normalarbeitszeit in diesem Schichtsystem beträgt 33 Stunden 36 Minuten (= 33,6 Industrieminuten).

Die Verkürzung der Wochenruhe in Woche 1 bedeutet gem § 5 Abs 2 ARG, dass diese Verkürzung innerhalb der Wochen 2 bis 4 im Schichtplan ausgeglichen werden muss. Bspw wurde hier jener Fall abgebildet, dass ein Ausgleich bereits in der Woche 2 erfolgt. Die wöchentliche Kernruhezeit beträgt daher in Woche 2 nicht nur 36 Stunden, sondern verlängert sich diese um die Verkürzung der Vorwoche von zwölf Stunden, weshalb sich eine wöchentliche Kernruhezeit im Ausmaß von 48 (36 + 12) Stunden ergibt.* Daraus folgt, dass eine Beschäftigung innerhalb dieser absoluten Kernruhezeit einen Ersatzruheanspruch, also die Rechtsfolgen des § 6 ARG, auslöst. Im Durchschnitt ist eine wöchentliche Ruhezeit von 36 Stunden gewahrt und die Verkürzung ausgeglichen, ohne dass Schicht-AN im Vergleich zu AN in anderen Arbeitszeit- und Schichtmodellen benachteiligt werden. In den übrigen Wochen bilden jeweils die letzten 36 Stunden vor Beginn des neuen Arbeitsblocks die Kernruhezeit. 366

Modell-Plan 5-Wochen-Schichtturnus

MoDiMiDoFrSaSo
Woche 1FFSS24hN        
Woche 2FFSSS          
Woche 3NNKernruhezeit: 48hFF
Woche 4FSSNN
Woche 5

Dieses Modell sieht eine zu obigem Schichtmodell unregelmäßigere Schichtabfolge vor. Zusammengefasst wird in diesem Modell drei Turnusse hintereinander stets an sieben Werktagen in unterschiedlichen Schichten mit einem daran anknüpfenden Freizeitblock im Ausmaß von rund 1,5 Tagen gearbeitet. Anschließend an diese drei stark verdichteten Arbeitsblöcke, welche sich über vier Wochen erstrecken, knüpft sich als Ausgleich ein längerer Freizeitblock in der fünften Woche. Auch in diesem Schichtmodell wird die Möglichkeit der Verkürzung der wöchentlichen Ruhezeit auf 24 Stunden genutzt, wiederum konkret in Woche 1 zwischen Donnerstag (Schichtende 22 Uhr) und Freitag (Schichtbeginn 22 Uhr). Die wöchentliche Normalarbeitszeit in diesem Schichtplan beträgt 33 Stunden 36 Minuten (= 33,6 Industrieminuten).

Da auch in diesem Schichtmodell in der Woche 1 die wöchentliche Ruhezeit zulässigerweise auf 24 Stunden verkürzt wird, muss ein Ausgleich dafür im Schichtplan, also eine Ruhezeitverlängerung in einer anderen Woche, festgelegt werden. Beispielsweise wurde hier in der Woche 3 eine Ausgleichsoption eingearbeitet, weshalb sich eine wöchentliche Kernruhezeit im Ausmaß von 48 (36 + 12) Stunden ergibt. In den übrigen Wochen beträgt die Kernruhezeit wie üblich 36 Stunden und wird durch die Verlängerung in Woche 3 den Vorgaben gem § 5 ARG entsprochen, da im Durchrechnungszeitraum von vier Wochen im Durchschnitt 36 Stunden wöchentliche Ruhezeit gewahrt wurden. Ein Ausgleich in Woche 5 wäre unzulässig, da § 5 ARG einen vierwöchigen Durchrechnungszeitraum zwingend verlangt. Nur der Vollständigkeit halber wird noch festgehalten, dass auch in der Woche 5 (Freizeitblock) eine Kernruhezeit zu beachten ist, konkret 36 Stunden vor Beginn des nächsten Arbeitsblocks, also vor Neubeginn des Schichtturnus.

3.2.
Conclusio

Die Annahme, es könne zur Beurteilung der Kernruhezeit bei Schichtarbeit ein „rollierendes“ System angewendet werden, ist schlichtweg vom ARG nicht nachvollziehbar. Dies würde bedeuten: Sofern der AN während eines Freizeitblocks, unabhängig von deren konkreten Lage, eine 36-stündige Kernruhezeit gehabt hätte, gebühre kein Ersatzruheanspruch iSd § 6 ARG, wenn innerhalb der letzten 36 Stunden vor dem nächsten Arbeitsblock gearbeitet wird. Die Rechtsauffassung, dass bei längeren Freizeitblöcken in Schichtplänen eine bloß generelle Betrachtung der Einhaltung von 36 Stunden wöchentlicher Ruhezeit genüge, ist anhand der gesetzlichen Vorgaben des ARG und obiger Untersuchungen nicht haltbar. Legt man diese Überlegungen auf die angeführten Schichtpläne um, würde dies bedeuten, dass eine Arbeitsleistung ohne Unterbrechung und ohne Ausgleich an acht hintereinander folgenden Arbeitstagen möglich wäre. Einziges rechtliches Korrektiv würde § 9 AZG darstellen, wodurch die Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit mit maximal 60 Stunden festgelegt wird. Bei genauer Untersuchung des Wortlauts der §§ 4 bis 6 ARG und Erforschung des eigentlichen Zwecks des ARG, nämlich dem AN-Schutz, kann ein solches Ergebnis nicht als zulässig erachtet werden.

Darüber hinaus muss ebenfalls festgehalten werden, dass eine solche Auslegung der Rechtsgrundlagen im ARG gerade im vollkontinuierlichen 5-Schicht-Betrieb zu einem weiteren Dilemma führen würden. Der vollkontinuierliche 5-Schicht-Betrieb zeichnet sich aus AN-Schutzaspekten gerade deshalb aus, da dieser eine Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit vorsieht, um so die AN von den Strapazen der Schichtarbeit zu entlasten. Nur am Rande sei angemerkt, dass viele 5-Schicht-Modelle auch als 4-Schicht-Modelle in Frage kämen. Insb das zweite gegenständliche Schichtmodell wäre auch als 4-Schicht-Modell denkbar, wobei jedoch im Vergleich zur 5-Schicht-Variante der Freizeitblock in Woche 5 wegfallen würde. Der Verlust des Freizeitblocks führt rechnerisch zu einer Erhöhung der (regelmäßigen) wöchentlichen Normalarbeitszeit, was typischerweise durch Freischichten wieder ausgeglichen wird. Aufgrund arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse werden generell 4-Schicht-Modelle skeptisch begutachtet, da diese sich als überdurchschnittlich hoch arbeitsintensiv gestalten, obwohl diese den rechtlichen Erfordernissen des AZG und ARG entsprechen würden.

Hinzuweisen ist noch darauf, dass bei 4-Schicht-Modellen die wöchentliche Ruhezeit und insb die Kernruhezeit sowie Ersatzruheansprüche der AN, also das Konzept des ARG, nicht in Frage gestellt wird. Aus diesem Grund drängt sich bei der geschilderten, problematischen Rechtsauffassung zu 5-Schicht-Modellen eine Diskriminierung teilzeitbeschäftigter AN im 5-Schicht-Modell in den Raum, die weder gesetzlich gedeckt, noch sachlich gerechtfertigt werden könnte. Beispielhaft soll an dieser Stelle auch das alternative 4-Schicht-Modell samt damit 367 auf den ersten Blick erkennbarer Problempunkte dargestellt werden:

Variante: 4-Schicht-Modell
(vgl mit Modell 2 der 5-Schicht)

MoDiMiDoFrSaSo
Woche 1FFSSN        
Woche 2FFSSS          
Woche 3NNFF
Woche 4FSSNN
Entfall Freizeitblock!!!

Abschließend kann festgehalten werden, dass auch im vollkontinuierlichen 5-Schicht-Betrieb das Konzept der wöchentlichen Ruhezeit, jedoch mit den Modifikationen des § 5 ARG, samt damit einhergehender Ersatzruheansprüche wie in anderen Arbeitszeitmodellen zur Anwendung gelangt. Folgt man den Empfehlungen der Arbeitswissenschaft, so sind auch aus deren Erkenntnissen entsprechende wöchentliche Ruhezeiten ein wichtiger Entlastungsfaktor für Schichtarbeitende.