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Anspruch auf Insolvenz-Entgelt bei Zurückweisung eines Insolvenzantrags mangels Vermögens gegen einen im Vereinsregister ohne Abwicklung gelöschten Verein

MARGITMADER
§ 1 Abs 1 Z 3 IESG; § 68 IO; § 27 und § 28 VereinsG 2002; Art 2 Abs 1 RL 2008/94/EG

Die Zurückweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags gegen einen im Vereinsregister ohne Abwicklung gelöschten Verein mangels Vermögens stellt eine Entscheidung des Insolvenzgerichts iSd Art 2 Abs 1 der RL 2008/94/EG dar. Eine derartige Entscheidung ist dem Sicherungstatbestand des § 1 Abs 1 Z 3 IESG (Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit) zu unterstellen, weil bei zu enger Auslegung dem Kl die Möglichkeit verwehrt bliebe, einen Anknüpfungstatbestand für die Sicherung der AN-Ansprüche nach dem IESG zu erwirken.

SACHVERHALT

Der Kl war von 15.1. bis 23.5.2017 als Vertragsspieler mit einem Monatslohn von € 250,- netto beim Handballklub M*, einem registrierten Verein, geringfügig beschäftigt. Das Dienstverhältnis des Kl endete durch vorzeitigen Austritt wegen Entgeltvorenthaltung. Der Verein wurde in weiterer Folge nach § 28 VereinsG 2002 freiwillig aufgelöst und mit Wirkung vom 23.10 2017 im Vereinsregister gelöscht, ohne dass eine Abwicklung stattfand. Am 30.11.2018 beantragte der Kl beim Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vereins, in eventu die Abweisung des Antrags mangels kostendeckenden Vermögens gem § 68 IO oder die Zurückweisung gem § 63 IO. Das Insolvenzgericht wies den Antrag mit Beschluss vom selben Tag „infolge Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister“ zurück. Zur Begründung verwies es auf die freiwillige Auflösung sowie die Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister. Der Kl habe vorgebracht, dass sich aus dieser Auflösung die Vermögenslosigkeit des Vereins ergebe. Ein Vorbringen gem § 68 IO, wonach das Vermögen des Vereins trotz dessen Auflösung noch nicht verteilt sei, sei nicht erstattet worden. Der Kl beantragte auf Grund dieses Beschlusses Insolvenz-Entgelt bei der IEFService GmbH. Die IEF-Service GmbH lehnte die Ansprüche mit der Begründung, es fehle an einer behördlich überprüften Insolvenz, zur Gänze ab. Der Beschluss des Insolvenzgerichts stelle lediglich eine Zurückweisung aus formalen Gründen dar, die keinen Anknüpfungstatbestand iSd § 1 Abs 1 IESG begründe.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Anspruch des Kl auf Insolvenz-Entgelt sei mangels Vorliegens eines der Insolvenzeröffnung gleichzusetzenden Tatbestands zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Werde ein Konkursantrag deshalb abgewiesen, weil der Antragsteller trotz gerichtlicher Aufforderung ein verwertbares Vermögen nicht bescheinige, sei dies der für die Zuerkennung des Insolvenz- Entgelts geforderten Abweisung des Konkurseröffnungsantrags („mangels hinreichenden Vermögens“) nicht gleichzuhalten. Zwar ergebe sich aus dem Umstand, dass laut Vereinsregister kein Abwickler für den Verein bestellt worden sei, dass auch die vertretungsbefugten Organe des Vereins davon ausgegangen seien, dass kein der Abwicklung bedürfendes Vereinsvermögen vorhanden gewesen sei. Allerdings fehle es insofern an der auch aufgrund der RL 2008/94/EG in den Fällen des § 1 Abs 1 IESG regelmäßig geforderten Prüfung der „Insolvenz“ in einem vorangegangenen inländischen oder ausländischen Verfahren als Anknüpfungspunkt für den Anspruch nach dem IESG.

Der dagegen gerichteten Revision des Kl wurde Folge gegeben.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1. Nach der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sind ‚Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und um ihnen ein Minimum an Schutz zu sichern, insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche zu gewährleisten‘ (ErwGr 3). Vor diesem Hintergrund gilt nach Art 2 Abs 1 der RL ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, ‚wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften [eines Mitgliedstaats] zuständige Behörde 238 a) die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat; oder b) festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen‘.
2.1 Nach § 1 Abs 1 Z 3 IESG steht der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Sicherungstatbestand die ‚Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit‘ gleich. Durch diese Bestimmung soll es Arbeitnehmern ermöglicht werden, offene Ansprüche aus einem früheren Arbeitsverhältnis, insbesondere bei einer sogenannten ‚stillen Liquidation‘ (= Betriebsaufösung ohne Insolvenzverfahren), geltend machen zu können (RV 993 BlgNR 16. GP 6). Nach den Gesetzesmaterialien wurde der Tatbestand exibel gefasst und die Formulierung ‚Ablehnung‘ gewählt, um sowohl die Zurückweisung als auch die Abweisung des Eröffnungsantrags als auch die amtswegige Entscheidung über die Insolvenzeröffnung zu erfassen.
2.2 § 68 Abs 1 IO erklärt nach der Aufösung einer juristischen Person oder einer eingetragenen Personengesellschaft die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für zulässig, solange das Vermögen nicht verteilt ist. Damit ist klargestellt, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Vollbeendigung möglich ist, die ungeachtet einer Löschung im Firmenbuch nicht eintreten kann, solange Vermögen vorhanden ist (Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 68 KO Rz 2; Schumacher in Koller/Lovrek/Spitzer, IO § 68 Rz 1).
3.1 Vollbeendigung der Gesellschaft tritt ein, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (RIS-Justiz RS0050186). Das gilt auch für einen Verein (RS0079726; RS0009119).
Das Vereinsgesetz 2002 unterscheidet zwischen einer freiwilligen (§ 28) und einer behördlichen (§ 29) Auflösung des Vereins. Die freiwillige Auflösung ist der contrarius actus zur Vereinsgründung und richtet sich nach den Statuten (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine5 [2016] 438). Der Auflösungsbeschluss beseitigt die Rechtspersönlichkeit des Vereins nicht. Ist Vermögen zu verwerten, ist eine Abwicklung erforderlich, die von der Vereinsbehörde gemäß § 16 Abs 1 Z 13 Vereinsgesetz 2002 im Vereinsregister einzutragen ist. Erst mit der Eintragung ihrer Beendigung verliert der Verein seine Rechtsfähigkeit (§ 27 Vereinsgesetz 2002). Ist kein Vermögen vorhanden, so bedarf es auch keiner Abwicklung. In diesem Fall fällt nach § 27 Vereinsgesetz 2002 das Ende der Rechtspersönlichkeit des Vereins, sprich die Vollbeendigung, mit der Eintragung seiner Auflösung ins Vereinsregister zusammen (in diesem Sinne 8 ObA 274/01d; 7 Ob 187/07m; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, aaO 440 ff).
3.2 Fehlende Partei- und damit Insolvenzfähigkeit (vgl RS0117472) des Antragsgegners führt zur Zurückweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags (§ 252 IO iVm § 1 ZPO).
4.1 Bei enger – auch diese Art von Formalentscheidung außer Betracht lassender – Auslegung der Voraussetzung ‚Ablehnung … gemäß § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit‘ wäre es dem Gläubiger einer vollbeendeten Gesellschaft oder eines solchen Vereins unmöglich, durch einen Insolvenzeröffnungsantrag einen Anknüpfungstatbestand für die Sicherung der Arbeitnehmeransprüche nach § 1 Abs 2 IESG zu schaffen […]. Dies stünde in Widerspruch zu den Vorgaben der RL 2008/94/EG.
4.2 In der Literatur wurde daher vorgeschlagen, die Zurückweisung des Antrags mangels Parteifähigkeit (infolge Löschung und Vermögenslosigkeit) der Ablehnung der Verfahrenseröffnung gemäß § 68 IO wegen Verteilung des Vermögens gleichzuhalten (Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 68 KO Rz 11; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 II/2 § 68 Rz 13). Grießer (ZIK 1997, 37 ff) hingegen hat dafür plädiert, den Fall unter den Tatbestand ‚Ablehnung mangels hinreichenden Vermögens‘ nach § 1 Abs 1 Z 3 IESG (aF) zu subsumieren.
4.3 Auch der Oberste Gerichtshof hat in der [zur alten Rechtslage ergangenen] Entscheidung 8 ObS 60/00gausgesprochen, dass die amtswegige Löschung wegen Vermögenslosigkeit [dort noch] gemäß § 2 ALöschG in Verbindung mit der Zurückweisung eines Antrags auf Konkurseröffnung wegen Fehlens eines die Parteifähigkeit begründenden Vermögens einer Ablehnung mangels hinreichenden Vermögens (§ 1 Abs 1 Z 3 IESG [aF]) gleichzuhalten ist (RS0113339). Auf eine meritorische Entscheidung durch das Insolvenzgericht hat der Oberste Gerichtshof dabei gerade nicht abgestellt.
4.4 Das Problem wurde zwischenzeitig durch die IESG-Novelle, BGBl I 2005/102, mit der die Löschung gemäß § 40 oder § 42 FBG wegen Vermögenslosigkeit der Insolvenzeröffnung gleichgestellt wurde, für Kapitalgesellschaften sowie Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften bzw Privatstiftungen entschärft (§ 1 Abs 1 Z 4 IESG). […] Für die Liquidation eines Vereins gibt es allerdings keine vergleichbare Bestimmung, obgleich unverändert der Bedarf besteht, auch dessen ehemaligen Arbeitnehmern für nicht erfüllte Ansprüche einen Anknüpfungstatbestand zu eröffnen.
5.1 Die Vorinstanzen haben die Auffassung vertreten, dass es hier an einer behördlich überprüften Insolvenz des Arbeitgebers fehle. Der von ihnen herangezogenen Entscheidung 8 ObS 8/14flag allerdings die Frage zugrunde, ob die ‚dissolution‘ einer Limited nach dem Recht des Vereinigten Königreichs mit der amtswegigen Löschung nach § 40 FBG bzw § 42 FBG gleichgesetzt werden kann. Das scheiterte – wie der Oberste Gerichtshof ausführte – schon daran, dass Letztere die Vermögenslosigkeit voraussetzt, Erstere aber nicht. Im Gegensatz zu 8 ObS 8/14f, in der es an einer insolvenzbehördlichen Entscheidung im Sinn des Art 2 Abs 1 der RL 2008/94/EG fehlte, liegt jedoch in diesem Fall ein Beschluss des 239 Insolvenzgerichts vor. Die zu 8 ObS 8/14f angestellten Erwägungen sind daher nicht auf den Anlassfall übertragbar. Es stellt sich auch nicht die Frage, ob die Löschung eines Vereins im Vereinsregister der Löschung einer Gesellschaft im Firmenbuch nach §§ 40, 42 FBG gleichgehalten werden kann.
5.2.1 Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Klägers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vereins ‚infolge dessen Löschung aus dem Vereinsregister‘ zurückgewiesen. Im Zusammenhang mit der Begründung, dass der Kläger ein ‚Vorbringen gemäß § 68 IO, wonach das Vermögen des Antragsgegners trotz dessen Auflösung noch nicht verteilt sei‘, nicht erstattet habe, ergibt sich, dass der Antrag mangels Insolvenzfähigkeit des Antragsgegners (Vollbeendigung) zurückgewiesen wurde.
Damit ist hier nicht die Entscheidung 8 ObS 28/05hvon Relevanz, weil es dort schon an der Behauptung der Vermögenslosigkeit des Vereins mangelte, sondern die Entscheidung 8 ObS 60/00geinschlägig, der eine vergleichbare Konstellation wie hier zugrunde lag.
5.2.2 Die Subsumption des Sachverhalts in 8 ObS 60/00g unter den damaligen Tatbestand ‚Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens‘ mag sich mit dessen weiter Fassung erklären lassen, die eine Deutung als Auffangtatbestand erlaubte (vgl Grießer, ZIK 1997, 37 ff). Seit der Umgestaltung der Sicherungstatbestände des § 1 Abs 1 IESG mit dem IRÄG 2010, BGBl I 2010/29, findet sich die ‚Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit‘ in der Z 3 des § 1 Abs 1 IESG. Die neue Z 2 des § 1 Abs 1 IESG bezieht sich dagegen explizit auf ‚die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens‘, womit der Tatbestand nunmehr begrifflich auf Beschlüsse nach §§ 71 ff IO abzielt. Die Neufassung sowie der ausdrückliche Hinweis auf § 68 IO in der Entscheidungsbegründung sprechen dafür, den vorliegenden Beschluss des Insolvenzgerichts – dem Standpunkt des Klägers folgend – dem § 1 Abs 1 Z 3 IESG nF zu unterstellen, zumal dort nach wie vor der weite – auch eine Zurückweisung deckende – Begriff ‚Ablehnung‘ verwendet wird.
5.3 […] Auch im Hinblick auf die Bedeutung eines Beschlusses des Insolvenzgerichts auf ‚Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit‘ als ein den Anspruch auf Insolvenz-Entgelt auslösender Tatbestand hat das Insolvenzgericht […] die Angaben des Antragstellers zur Vermögenslosigkeit des ohne Abwicklung im Vereinsregister gelöschten Vereins, wenn Zweifel bestehen, von Amts wegen zu prüfen (vgl zum Gebot der richtlinienkonformen Interpretation zur Erreichung einer effektiven Umsetzung etwa 9 ObA 87/15g). Die Löschung ohne Abwicklung indiziert die Vollbeendigung. Sollte das Insolvenzgericht – wie hier – den Angaben des Antragstellers folgen, ist von der insolvenzgerichtlich festgestellten Vermögenslosigkeit des gelöschten Vereins auszugehen.
6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch die Zurückweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags gegen einen im Vereinsregister ohne Abwicklung gelöschten Verein mangels Vermögens eine Entscheidung des Insolvenzgerichts im Sinn des Art 2 Abs 1 der RL 2008/94/EG darstellt. Eine derartige Entscheidung ist dem Sicherungstatbestand des § 1 Abs 1 Z 3 IESG (Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit) zu unterstellen, weil bei zu enger Auslegung dem Kläger die Möglichkeit verwehrt bliebe, einen Anknüpfungstatbestand für die Sicherung der Arbeitnehmeransprüche nach dem IESG zu erwirken. Eine (ob der Tatbestandswirkung des Zurückweisungsbeschlusses gebotene) Missbrauchskontrolle obliegt dem Insolvenzgericht, das die Partei- und Insolvenzfähigkeit (im Zweifel) von Amts wegen zu prüfen hat. […]“

ERLÄUTERUNG

Nach der RL 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 über den Schutz der AN bei Zahlungsunfähigkeit des AG (RL 2008/94/EG) hat jeder Mitgliedstaat gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die die AN bei Zahlungsunfähigkeit des AG schützen und ihnen insb die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche gewährleisten. Nach Art 2 Abs 1 der RL gilt ein AG als zahlungsunfähig, wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats zuständige Behörde entweder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beschlossen hat, oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des AG endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.

Nach dem IESG haben AN Anspruch auf Insolvenz- Entgelt, wenn ein in § 1 Abs 1 genannter Insolvenzbestand vorliegt, wobei diese Aufzählung nicht taxativ ist. Nach § 1 Abs 1 Z 3 IESG ist die Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gem § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gleichzuhalten. Dieser Tatbestand ist weit gefasst und soll es AN ermöglichen, offene Ansprüche aus einem früheren Arbeitsverhältnis, insb auch bei einer sogenannten „stillen Liquidation“ (= Betriebsauflösung ohne Insolvenzverfahren) geltend machen zu können.

Gem § 68 Abs 1 IO ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch nach der Auflösung einer juristischen Person oder einer eingetragenen Personengesellschaft zulässig, solange das Vermögen noch nicht verteilt ist. Damit ist klargestellt, dass 240 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bis zur Vollbeendigung der Gesellschaft möglich ist. Nach stRsp tritt die Vollbeendigung einer Gesellschaft, ungeachtet einer allfälligen Löschung im Firmenbuch, erst dann ein, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist. Dies gilt auch für einen Verein.

Nach dem VereinsG 2002 ist zwischen einer freiwilligen (§ 28) und einer behördlichen (§ 29) Auflösung des Vereins zu unterscheiden. Die freiwillige Auflösung richtet sich nach den Statuten und beseitigt nicht die Rechtspersönlichkeit des Vereins. Ist noch Vermögen vorhanden, ist eine Abwicklung erforderlich, die von der Vereinsbehörde gem § 16 Abs 1 Z 13 VereinsG 2002 im Vereinsregister einzutragen ist. Erst mit der Eintragung der Beendigung der Abwicklung verliert der Verein seine Rechtsfähigkeit. Ist kein Vermögen vorhanden, so bedarf es auch keiner Abwicklung. In diesem Fall fällt das Ende der Rechtspersönlichkeit des Vereins – somit auch die Vollbeendigung – mit der Eintragung seiner Auflösung ins Vereinsregister zusammen (§ 27 VereinsG 2002).

Legt man die Voraussetzung „Ablehnung … gemäß § 68 IO wegen Vermögenslosigkeit“ eng aus, wäre es dem Gläubiger einer vollbeendeten Gesellschaft oder eines solchen Vereins unmöglich, durch einen Insolvenzeröffnungsantrag einen Anknüpfungstatbestand für die Sicherung der AN-Ansprüche nach § 1 Abs 2 IESG zu schaffen. Dies stünde aber in Widerspruch zu den Vorgaben der RL 2008/94/EG.

Mit der IESG-Novelle, BGBl I 2005/102, wurde die Löschung gem § 40 oder § 42 FBG bei Kapitalgesellschaften sowie Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften bzw Privatstiftungen wegen Vermögenslosigkeit der Insolvenzeröffnung gleichgestellt (§ 1 Abs 1 Z 4 IESG). Diese Gleichstellung wurde vorgenommen, da in diesen Fällen die Vermögenslosigkeit des AG bereits durch ein Gericht geprüft wurde. Für die Liquidation eines Vereins gibt es aber keine vergleichbare Bestimmung.

Im Anlassfall haben die Vorinstanzen die Auffassung vertreten, dass es an einer behördlich überprüften Insolvenz des AG fehle. Im Gegensatz zu OGH vom 24.3.2015, 8 ObS 8/14f(„dissolution“ einer Limited nach dem Recht des Vereinigten Königreichs), in der es an einer insolvenzbehördlichen Entscheidung iSd Art 2 Abs 1 der RL 2008/94/EG fehlte, liegt hier jedoch ein Beschluss des Insolvenzgerichts vor.

Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Kl auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vereins „infolge dessen Löschung aus dem Vereinsregister“ zurückgewiesen. In der Begründung wird ergänzend ausgeführt, dass der Kl ein „Vorbringen gemäß § 68 IO, wonach das Vermögen des Antragsgegners trotz dessen Auflösung noch nicht verteilt sei“, nicht erstattet habe. Nach Ansicht des OGH ist daraus abzuleiten, dass der Antrag vom Insolvenzgericht mangels Insolvenzfähigkeit des Antragsgegners in Folge der Vollbeendigung des Vereins zurückgewiesen wurde.

Die Prozessfähigkeit ist in jedem Zivil- und daher auch im Insolvenzverfahren von Amts wegen zu prüfen. Das Insolvenzgericht hat daher die Angaben des Antragstellers zur Vermögenslosigkeit des ohne Abwicklung im Vereinsregister gelöschten Vereins von Amts wegen zu prüfen. Eine Löschung ohne Abwicklung indiziert die Vollbeendigung des Vereins. Wenn das Insolvenzgericht wie hier den Angaben des Antragstellers folgt, ist von der insolvenzgerichtlich festgestellten Vermögenslosigkeit des gelöschten Vereins auszugehen.