Traut-Mattausch/Pfeil/Mosler (Hrsg)Early Intervention – Was kann betriebliches Gesundheits- und Wiedereingliederungsmanagement?

Manz Verlag, Wien 2018, XII, 116 Seiten, broschiert, € 24,–

ANDREASMAIR (INNSBRUCK)

Das Anliegen, AN trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen so lange wie möglich im Erwerbsleben zu halten bzw wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren, hat nicht nur für jeden einzelnen betroffenen AN, sondern überhaupt große gesamtgesellschaftliche Relevanz. Noch vor wenigen Jahren wurde Österreich als „Invaliditätspensionsweltmeister“ bezeichnet, um damit – in zugespitzter Form – den von manchen als stark wahrgenommenen Trend hin zum endgültigen und vor allem vorzeitigen gesundheitsbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsprozess zu beschreiben. Auch die Tatsache, dass langzeiterkrankte AN knapp 40 % aller Krankenstandstage verursachen, verstärkte den Eindruck einer problematischen Entwicklung. Der Gedanke, das Entstehen von Auslösefaktoren für gesundheitliche Beeinträchtigungen bereits vorweg zu verhindern, hat damit eine große Berechtigung, zumal Maßnahmen der Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung und in weiterer Folge auch Maßnahmen der Wiedereingliederung – insgesamt gesehen – günstiger sind als die Finanzierung von Krankenbehandlung und Leistungen im Zusammenhang mit dem vollständigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Der vorliegende Sammelband, der die auf einer im April 2017 stattgefundenen Tagung in Salzburg gehaltenen Referate enthält, lenkt in höchst verdienstvoller Weise den Blick auf das Thema „Early Intervention“ und unternimmt es damit, eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte integrierende Darstellung der Möglichkeiten im Bereich des betrieblichen Gesundheits- und Wiedereingliederungsmanagements zu liefern. Dabei wird zweierlei deutlich: Zum einen ist der Bereich von early intervention ein Feld, in dem sich arbeitsrechtliche Schutzvorkehrungen und sozial(versicherungs)rechtliche Unterstützungsleistungen sehr stark miteinander verschränken und zum anderen muss der Gedanke von early intervention an den unterschiedlichen Ebenen ansetzen und auch unterschiedliche AkteurInnen einbinden, um das Ziel, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten bzw wiederherzustellen, erreichen zu können.

Pfeil eröffnet den Band mit einem einführenden Blick auf das Thema und nimmt dabei ua die Schwächen der derzeit bestehenden Rechtslage ins Visier. Insb kritisiert Pfeil, dass bei Vorliegen einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit es kaum Schutz für AN vor einer Been-385digung des Arbeitsverhältnisses gibt und fordert deshalb eine Verstärkung des Kündigungsschutzes im Falle von eingeschränkter Arbeitsfähigkeit bzw Krankheit. Obwohl Pfeil selbst einräumt, dass dieser Vorschlag momentan wenig Aussicht auf gesetzgeberische Realisierung hat, könnte kontextuell die Rsp des EuGH dazu beitragen, zumindest für jene AN, deren Erkrankung gleichzeitig als eine Behinderung anzusehen ist, diesen verstärkten Schutz zu gewährleisten. Der EuGH fordert nämlich, vor dem Ausspruch einer krankheitsbedingten Lösungserklärung zu überprüfen, ob der AG bei AN mit einer behinderungsgleichen Erkrankung der Förderpflicht (§ 6 Abs 1a BEinstG) entsprochen hat, wobei diese Vorgabe vor allem das Ergreifen von Maßnahmen verlangt, um AN mit Behinderungen weiterhin die Ausübung eines Berufes zu ermöglichen. Dies kann auch bei AN, die an psychischen Erkrankungen leiden und deren Relevanz – wie auch die Beiträge von Hagenauer und von Koren/Forster deutlich machen – ständig zunimmt, ein möglicher Schutzansatz sein.

Interessant ist, dass sich die Bezugnahme auf das mit BGBl I 2017/30 neu implementierte Modell der Wiedereingliederungsteilzeit (WIETZ) wie ein roter Faden durch die einzelnen Beiträge zieht. Damit wird dem Modell der WIETZ offenbar – und dies mE absolut zu Recht – ein hoher Stellenwert im Kontext von early intervention zugemessen. Schrattbauer analysiert dazu in ihrem Beitrag die rechtlichen Rahmenbedingungen und betont dabei die enge Verzahnung von Arbeitsrecht in Gestalt der zwischen AN und AG abzuschließenden Wiedereingliederungsvereinbarung (§ 13a AVRAG) und Sozialrecht in Gestalt des vom Krankenversicherungsträger zu leistenden Wiedereingliederungsgeldes (§ 143d ASVG). Schrattbauer führt dabei souverän durch die doch etwas verworren erscheinenden gesetzlichen Voraussetzungen und scheut sich dabei nicht, bei den bereits aufgetretenen Unklarheiten und Zweifelsfragen klar Position zu beziehen. Die in ihren Schlussbetrachtungen gemachten rechtspolitischen Gestaltungsvorschläge gehen mE in die richtige Richtung (vom Gesetzgeber wurde mit BGBl I 2018/54 bereits die Forderung nach einer flexibleren Antrittsmöglichkeit der WIETZ verwirklicht), wenn Schrattbauer eine Überprüfung der doch sehr rigiden und offenbar aus Sorge vor der Etablierung eines sogenannten „Teilkrankenstandes“ statuierten arbeitsrechtlichen Voraussetzungen fordert und für ein Überdenken der zu pauschal angeordneten Sperrfrist von 18 Monaten (§ 143d Abs 5 ASVG) plädiert.

Die weiteren Beiträge in diesem Sammelband beschäftigen sich noch mit dem Programm „fit2work“ (Röhrich), das auch im Zusammenhang mit der WIETZ seine Bedeutung hat, sowie mit dem betrieblichen Gesundheits- und Wiedereingliederungsmanagement in seinen unterschiedlichen Facetten (Jungkunz/Pichler und Traut-Mattausch/Zanchett). Abgerundet wird der Band von einer der Perspektive des Sozialversicherungsrechts gewidmeten Bestandsaufnahme zum Thema (Ivansits).

Das Verdienst des vorliegenden Bandes ist es, einen äußerst instruktiven Einblick in ein zukünftig immer bedeutsamer werdendes Themengebiet zu vermitteln. Es ist daher zu wünschen, dass insb die von den AutorInnen gemachten Vorschläge und Anregungen zur Effektuierung des betrieblichen Gesundheits- und Wiedereingliederungsmanagements große Beachtung und auch Niederschlag in der Gesetzgebung finden.