StrohmayerDie Pflichtversicherung von Dienstnehmern – Leitfaden

Manz Verlag, Wien 2018, XII, 106 Seiten, broschiert, € 28,–

JOHANNANADERHIRN (LINZ)

Das vorliegende Buch befasst sich mit der Judikatur des VwGH betreffend die Zuordnung von Beschäftigten zu einer Pflichtversicherung. Es werden die Kriterien behandelt, die nach der jüngeren Rsp für eine Unterscheidung zwischen abhängiger Beschäftigung, freiem Dienstvertrag und Werkvertrag maßgeblich sein können. Bemerkenswert ist, dass dieses Buch von einem „Insider“ erstellt wurde. Der Autor ist nämlich Hofrat des VwGH und seit langer Zeit mit Angelegenheiten der SV befasst. Vorab ist anzumerken, dass entsprechend der Zielsetzung dieses Werks auf die Anführung von Lehrmeinungen und Literaturhinweisen (auch von Besprechungen der im Buch zitierten Entscheidungen) gänzlich verzichtet wird. Hilfreich ist, dass in den Fußnoten neben den Entscheidungsdaten angeführt wird, um welche Art der Beschäftigung es sich jeweils gehandelt hat.

Das 1. Kapitel hat den abhängig beschäftigten DN zum Gegenstand. Für die Praxis äußerst relevant ist der Hinweis, dass der DG im Betrieb ein wirksames Kontrollsystem zu errichten hat, um von der Verantwortlichkeit für eine unterbliebene Anmeldung zur SV befreit zu sein. Betrachtet man die Judikatur zu den diesbezüglichen Erfordernissen, erweist sich die Feststellung des Autors, dass die Rsp an die vom DG zu ergreifenden Maßnahmen „extrem hohe Ansprüche“ stellt, als zutreffend (Rz 5).

Die Darstellung der Judikatur zum Begriff des DG macht deutlich, dass die Beurteilung, wer als DG anzusehen ist, immer wieder schwierig sein kann, insb bei Zwischenschaltung einer Gesellschaft oder bei zwei oder mehreren betrieblich kooperierenden Personen, die die DG-Eigenschaft jeweils von sich bzw jeweils dem anderen zuweisen. In solchen Fällen erlangt das Gebot der wirtschaftlichen Betrachtungsweise besondere Bedeutung (Rz 13 ff).

In der Folge wird auf den Begriff der persönlichen Abhängigkeit eingegangen (Rz 20 ff) und dabei zunächst eine Abgrenzung zum Begriff der wirtschaftlichen Abhängigkeit vorgenommen. Nach der Rsp des VwGH ist die wirtschaftliche Abhängigkeit bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen zwangsläufige Folge der persönlichen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit dürfe gerade nicht mit Lohnabhängigkeit gleichgesetzt werden, sondern finde ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel. Diese Linie vertritt der VwGH schon seit langem (vgl zB VwGH 26.11.1952, 1591/51; VwGH 4.12.1957, 1836/56). Obwohl der Wortlaut eine Interpretation als Lohnabhängigkeit nahelegen würde, ist zutreffend, dass wirtschaftliche Abhängigkeit nicht mit tatsächlicher Lohnabhängigkeit gleichzusetzen ist. Dies ua deshalb, weil es praktisch kaum durchführbar ist, die gesamte Vermögenssituation eines jeden Beschäftigten außerhalb eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses zu überprüfen. Auch wäre schwer zu beurteilen, ab welcher Vermögenshöhe wirtschaftliche Abhängigkeit ausgeschlossen ist (vgl näher Naderhirn, Die Neuformulierung des Dienstnehmerbegriffes des ASVG durch das ASRÄG 1997 [2000] 41 f).

Peter Strohmayer legt dar, dass der Tatbestand des § 4 Abs 2 ASVG entgegen seinem weitergehenden Wortlaut nur auf die persönliche Abhängigkeit abstellt, da die in dieser Regelung erwähnte wirtschaftliche Abhängigkeit bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen eben zwangsläufige Folge der persönlichen Abhän-383gigkeit sei. Es stellt sich dann aber doch die Frage, ob dem Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit in § 4 Abs 2 ASVG überhaupt eigenständige Bedeutung zukommt bzw ob es sich dabei nicht um überflüssigen Gesetzestext handelt. Der Autor führt aus, dass bei Nichtvorliegen einer umfassenden Verfügungsgewalt über wesentliche eigene Betriebsmittel (also bei Bestehen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit) den eigenen Betriebsmitteln bei der Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer persönlich unabhängig ausgeübten Erwerbstätigkeit als Nebenkriterium Aussagekraft zukommt. Dabei geht es jedoch um Fälle, in denen das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit zweifelhaft ist. Hier werden dann Aspekte der wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Beurteilung des Vorliegens der persönlichen herangezogen. ME sollte der Aspekt der Betriebsmittel generell bei der Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit geprüft werden. Hat ein Beschäftigter keine Verfügungsgewalt über die Betriebsmittel, ist dies zumindest ein Indiz für die Ausschaltung seiner Bestimmungsfreiheit. Er wird dann vielfach auch entsprechenden Weisungen des Beschäftigers betreffend die Betriebsmittel (zB über deren Nutzung) unterliegen, die wiederum Ausdruck persönlicher Abhängigkeit sein können. Nach Ansicht von Trost/Waldhör/Iljkic verbleibt als Begründung für die Aufnahme des Kriteriums der wirtschaftlichen Abhängigkeit in § 4 Abs 2 ASVG nur die Annahme, dass der Gesetzgeber darauf hinweisen wollte, dass es sich nach dem ASVG um entgeltliche Dienstverhältnisse handelt und bei diesen daher jedenfalls von wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen sei. Spätestens mit der Klarstellung, dass die Ausnahme aus der Vollversicherung jedenfalls gilt, wenn das aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen gebührende Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt (§ 5 Abs 1 Z 2 ASVG), sei der letzte Rest eines selbständigen Inhalts des Begriffs der wirtschaftlichen Abhängigkeit gefallen (vgl Trost/Waldhör/Iljkic, Unselbstständig, Selbstständig, Erwerbslos [2017] 35 ff).

Nach der Judikatur des VwGH sind die unterscheidungskräftigen Kriterien für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse. Der Autor führt allerdings aus, dass die Frage der Erteilung personenbezogener Weisungen betreffend den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten nicht selten und gerade in den umstrittenen Fällen geringe oder gar keine Unterscheidungskraft aufweist. Bestimmen zB Erwerbstätige ohne Festlegung durch den DG Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsablauf nach außen hin wie Selbständige, bleiben sie dennoch persönlich abhängig, wenn diese Ungebundenheit in der unterschiedlichen Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten und in den betrieblichen Erfordernissen ihre Grenze findet und sich die Arbeitserbringung letztlich doch an den Bedürfnissen des DG orientiert (vgl dazu sehr kritisch Schrammel, Naht das Ende des freien Dienstvertrages? ASoK 2016, 368). Gerade in strittigen Fällen ergebe sich die persönliche Abhängigkeit nicht aus erteilten personenbezogenen Weisungen, sondern aus spezifischen betrieblichen und sozialen Rahmenbedingungen (Rz 23). Der VwGH stellt dabei auf zwei Hauptkriterien ab: einerseits auf die Einbindung des Erwerbstätigen in einen Betrieb mit einer vom DG bestimmten Ablauforganisation und andererseits auf die für die Tätigkeit erforderliche Qualifikation des Erwerbstätigen.

Es lässt sich – wie Strohmayer deutlich macht – hier ein Prüfschema erkennen (Rz 24 ff): Geringe Qualifikation und betriebliche Einbindung sollen praktisch ausnahmslos für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit sprechen; höhere Qualifikation und betriebliche Einbindung sowie geringe Qualifikation ohne betriebliche Einbindung sollen ebenfalls dafür sprechen, wobei unter Berücksichtigung der Nebenkriterien gegenteilige Ausnahmen möglich seien; höhere Qualifikation ohne betriebliche Einbindung spreche gegen das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit, wobei es unter Berücksichtigung der Nebenkriterien zahlreiche gegenteilige Ausnahmen gebe. Sei anhand der beiden Hauptkriterien keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale für eine persönliche Abhängigkeit möglich – was bei fehlender Einbindung in einen Betrieb nicht selten der Fall sei –, so müsse die Beurteilung unter Einbeziehung von Nebenkriterien vorgenommen werden. Hier geht es vorwiegend um die personenbezogene Kontrolle des Beschäftigten, zB in Form von Berichterstattungspflichten. Wenn nunmehr der Bindung an Vorgaben betreffend den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten vielfach wenig Unterscheidungskraft zugestanden wird, ist mE aber doch anzumerken, dass sich diese Kriterien über die Jahrzehnte für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit in zahlreichen Fällen nicht schlecht bewährt haben und nicht selten gerade die Klärung der Frage erlauben, ob ein Erwerbstätiger in einen Betrieb organisatorisch eingebunden ist oder nicht. Überhaupt wird für die Rezensentin aus dem Buch nicht ganz deutlich, was nun tatsächlich die als Hauptkriterium genannte Einbindung des Erwerbstätigen in einen Betrieb kennzeichnen soll. Der Grad der Qualifikation des Arbeitenden kann ein Aspekt für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit sein, erspart aber nicht die Prüfung der übrigen Kriterien der persönlichen Abhängigkeit.

Im ASRÄG 1997 wurde der Versuch unternommen, den DN-Begriff des § 4 Abs 2 ASVG durch Bezugnahme auf das Steuerrecht zu erweitern (Schlagwort: „Faire Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung“). Auf die steuerrechtliche Judikatur wird nur kurz eingegangen, zutreffend hält der Autor allerdings fest (Rz 64), dass die einkommensteuerrechtlichen Kriterien für ein Dienstverhältnis weitgehend dieselben sind wie jene zur Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG. Unterschiedliche Akzente würden jedoch von der einkommensteuerrechtlichen bzw sozialversicherungsrechtlichen Judikatur zB bei der Gewichtung des Unternehmerrisikos, bei der Vertretungsbefugnis oder bei den Anforderungen an die Dichte personenbezogener Weisungen gesetzt. Auch die Rezensentin ist in einer ausführlichen Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass hier nur wenige Unterschiede bestehen. Das Steuerrecht ist durch eine starke Betonung des Unternehmerrisikos gekennzeichnet, tatsächliche Unterschiede dürften sich in der Frage der Beiziehung einer Hilfskraft ergeben (vgl im Detail Naderhirn, Dienstnehmerbegriff 59 ff).384

Ein ausführlicher Unterpunkt wird der äußerst bedeutsamen Frage der Pflichtversicherung von Gesellschaftern, die für ihre Gesellschaft tätig sind, gewidmet (Rz 73 ff).

Breiten Raum nimmt im vorliegenden Werk § 539a ASVG ein (Rz 115 ff). Es kommt immer wieder vor, dass die persönliche Abhängigkeit eines Erwerbstätigen durch bloße Vereinbarungen ausgeschlossen werden soll. Besonders brisant ist die Vereinbarung eines Werkvertrages mit dem Ziel der Anerkennung einer ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausschließenden Erwerbstätigkeit als neuer Selbständiger (Stichwort: „atomisierte Werkverträge“) bzw der Ausschluss der persönlichen Arbeitspflicht. Gerade letztgenannte Vereinbarungen zB in Form genereller Vertretungsrechte oder sanktionsloser Ablehnungsrechte stehen häufig unter dem Verdacht, nur „auf dem Papier stehende“ Rechte zu sein. Die Judikatur trägt diesem Umstand schon lange Rechnung. Nach dem VwGH schließt die Vereinbarung eines generellen Vertretungsrechts die persönliche Abhängigkeit nur dann aus, wenn diese Befugnis entweder bei der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich gelebt wurde oder wenn die Parteien bei Vertragsschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit rechnen konnten, dass von dieser Vertretungsbefugnis tatsächlich Gebrauch gemacht werden wird und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen in Widerspruch steht. Auch wenn über einzelne Punkte diskutiert werden kann, ist diese Judikatur in der Gesamtheit überzeugend und hat auch dazu geführt, dass – wie der Autor aufzeigt – die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis als Abgrenzungskriterium zwischen persönlich abhängig ausgeübten und persönlich unabhängig ausgeübten Tätigkeiten weitgehend obsolet geworden ist (Rz 137), wobei andererseits natürlich nicht jede in einem Vertrag verankerte Vertretungsbefugnis eine „Umgehungsklausel“ darstellt. Letztgenanntem Umstand trägt die Judikatur aber auch Rechnung, so dass festzustellen ist, dass der VwGH durchaus eine gute Linie gefunden hat, mit solchen Vereinbarungen umzugehen. Ähnliche Vorsicht ist bei vereinbarten sanktionslosen Ablehnungsrechten geboten. Solche „Rechte“ entpuppen sich häufig als bloße Mitwirkung des Erwerbstätigen an einer letztlich einvernehmlichen Festlegung von Arbeitszeiten (Rz 138 ff).

Das 2. Kapitel widmet sich den „dienstnehmerähnlichen freien Dienstverträgen“ nach § 4 Abs 4 ASVG. Hier ist vorrangig zu prüfen, ob die Beschäftigten ihre Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen. Der Autor zeigt auf, dass nach der Rsp das Fehlen wesentlicher eigener Betriebsmittel gleichbedeutend mit der in § 4 Abs 2 ASVG erwähnten wirtschaftlichen Abhängigkeit ist und stellt die diesbezügliche Judikatur dar. Bei der Abgrenzung zwischen freiem Dienstvertrag iSd § 4 Abs 4 ASVG und den neuen Selbständigen (bei beidem liegt ja gerade keine persönliche Abhängigkeit vor) kommt der wirtschaftlichen Abhängigkeit nun tatsächlich eine eigenständige Rolle zu.

Das 3. Kapitel enthält einen Überblick über das Verfahrensrecht, insb wird auch auf das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz eingegangen. Fallbeispiele gegliedert nach Tätigkeitsbereichen im 4. Kapitel runden das Werk ab.

Ob ein (echter) Dienstvertrag oder ein dienstnehmerähnlicher freier Dienstvertrag vorliegt, oder die Beschäftigung als neuer Selbständiger ausgeübt wird, ist häufig nicht einfach zu beurteilen. Dies wird auch aus dem vorliegenden Buch deutlich. Die übersichtlich gegliederte und umfassende Darstellung der Judikatur mitsamt den Erläuterungen durch den Autor führt jedoch dazu, dass das Buch vor allem für die Praxis zur Lösung der diversen Abgrenzungsfragen sehr wertvoll und wichtig ist.