FreylerArbeitszeit- und Urlaubsrecht im Mobile Office

Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2018, XXVIII, 328 Seiten, gebunden, € 89,–

THOMASDULLINGER (WIEN)

Die vorliegende Monographie befasst sich mit arbeitszeit- und urlaubsrechtlichen Fragestellungen iZm Arbeit im Mobile Office, dh der Arbeitsleistung außerhalb eines gewöhnlichen Arbeitsplatzes unter Verwendung mobiler Kommunikationsgeräte (insb mit dem Internet verbundene Computer und Smartphones). Das erste der beiden zentralen Kapitel dieser Arbeit untersucht die arbeitszeitrechtlichen Rahmenbedingungen des Mobile Office unter Ausklammerung der Entgeltkomponente. Im juristischen Kernstück dieses Kapitels untersucht Carmen Freyler, wie die (ständige) Erreichbarkeit im Mobile Office einerseits und die tatsächliche Arbeit im Mobile Office andererseits arbeitszeitrechtlich zu qualifizieren sind.

Für die tatsächliche Arbeit im Mobile Office kommt sie zu dem Ergebnis, dass diese als (volle) Arbeitszeit zu qualifizieren sei, weil bei der Definition der Arbeitszeit nicht auf den Ort der Arbeitsleistung abzustellen sei (S 104 f). Im Detail diskutiert Freyler eine Ausnahme bloß kurzfristiger, geringfügiger oder freiwilliger Tätigkeiten von der Qualifikation als Arbeitszeit, lehnt dies jedoch mit letztlich überzeugenden Argumenten ab (S 106 f, 109 ff, 118 ff). Die Argumentation erscheint hier weitgehend auf die österreichische Rechtslage übertragbar, weil die Definition der Arbeitszeit in § 2 Abs 1 (deutsches) ArbZG jener in § 2 Abs 1 Z 1 AZG entspricht und beide Definitionen letztlich unionsrechtlich determiniert sind und daher einen gemeinsamen Mindestgehalt haben.

Komplizierter ist die Einordnung der bloßen Erreichbarkeit des AN im Mobile Office. Die deutsche Rechtsord-380nung kennt neben der Vollarbeit die Arbeitsbereitschaft, den Bereitschaftsdienst, die Rufbereitschaft und schließlich die Ruhezeit (S 83 ff), wobei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in etwa der österreichischen Arbeitsbereitschaft entsprechen. Diese Differenzierung hat jedoch durch die E des EuGH in den Rs SIMAP und Jäger ohnehin an Bedeutung verloren, da nach diesen auch der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu qualifizieren ist (S 88 f). Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind damit in Österreich und in Deutschland ähnlich.

Freyler kommt zu dem Ergebnis, dass jederzeitige Erreichbarkeit, bei der vom AN eine sofortige Reaktion erwartet wird, als Rufbereitschaft zu qualifizieren sei, eine Erreichbarkeit, die kein sofortiges Aktivwerden des AN verlangt, hingegen als Ruhezeit zu qualifizieren sei. Das Vorliegen von Arbeitsbereitschaft verneint sie in beiden Fällen, weil die dafür nötige Einschränkung der Freiheit des AN (insb in örtlicher Hinsicht) nicht intensiv genug sei. Für die österreichische Rechtsordnung ist Risak mit ähnlichen Argumenten grundsätzlich zur selben Lösung gelangt (Risak, Arbeiten in der Grauzone zwischen Arbeitszeit und Freizeit – Dargestellt am Beispiel der „Dauererreichbarkeit“ am Smartphone, ZAS 2013, 296 [298]). Zumindest für jene Fälle, in denen der AN sofort nach Kontaktaufnahme reagieren muss, erscheint diese Annahme jedoch fraglich. So nimmt etwa auch Risak Arbeitsbereitschaft an, wenn mit zahlreichen Kontaktaufnahmen zu rechnen ist und auf diese unverzüglich zu reagieren ist (Risak, ZAS 2013, 296 [299]). Die Freiheitsbeschränkung des AN besteht hierbei nicht wie angedeutet im Mitführen des Smartphones, sondern darin, ständig erreichbar sein zu müssen, wodurch eine Vielzahl an Tätigkeiten verunmöglicht wird (Kinobesuche, Aufenthalt in Gebieten oder Gebäuden mit schlechtem Internetempfang, bestimmte Sportarten, der Besuch eines Museums oder einer religiösen Zeremonie, Betrinken, usw). Für die Lösung Freylers spricht hingegen, dass dies auch bei Rufbereitschaft regelmäßig der Fall sein wird, weil der AN ständig erreichbar sein muss und sich unmittelbar nach Verständigung auf den Weg in den Betrieb machen muss (vgl dazu Risak, ZAS 2013, 296 [298] mwN). Auch der EuGH scheint für das Vorliegen von Arbeitszeit entscheidend auf die örtliche Beschränkung abzustellen und qualifiziert daher die bloße Erreichbarkeit nicht als Arbeitszeit (vgl EuGH 21.2.2018, C-518/15, Matzak, Rz 57 ff mwN). Der Unterschied zur Rufbereitschaft besteht mE jedoch darin, dass sich der AN zur sofortigen Arbeitsaufnahme bereithält; die freie Ortswahl ergibt sich nicht aus der verdünnten Inanspruchnahme durch den AG (wie bei der Rufbereitschaft), sondern liegt in der Natur der Arbeit im Mobile Office.

Fraglich erscheint aber auch die Qualifikation jener Zeiträume, in denen der AN zwar grundsätzlich erreichbar sein muss, sich jedoch nicht zur sofortigen Arbeitsaufnahme bereitzuhalten hat als Ruhezeit und damit nicht einmal als Rufbereitschaft. Sollten diese Zeiten tatsächlich als Ruhezeit zu qualifizieren sein, wäre jedenfalls zu untersuchen, inwiefern andere Bestimmungen solche Erreichbarkeit beschränken.

Unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse untersucht die Autorin anschließend, welche Begrenzungen sich aus den Bestimmungen betreffend Höchstarbeitszeit, Ruhezeit und dem Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit für die Tätigkeit im Mobile Office ergeben (S 133 ff). Von diesen Ausführungen sind für die österreichische Rechtslage vor allem jene zur Einhaltung der täglichen Ruhezeit und der Wochenend- und Feiertagsruhe von Interesse.

Da nach der in diesem Werk vertretenen Ansicht die bloße Erreichbarkeit nicht als Arbeitszeit zu qualifizieren ist und daher zu keiner Unterbrechung der Ruhezeiten führen kann, ist idZ nur das tatsächliche Tätigwerden von Interesse. Für die Sonn- und Feiertagsruhe sei hingegen auch eine als Rufbereitschaft zu qualifizierende Erreichbarkeit relevant (S 175). Die Autorin kommt durch eine teleologische Reduktion der Ruhezeitbestimmung zu dem Ergebnis, dass geringfügige Tätigkeiten im Mobile Office nicht zu einer Unterbrechung der täglichen Ruhezeit führen, was besonders relevant ist, da diese ununterbrochen zu gewähren ist (S 160 ff). Abzustellen sei auf den Grad der Belastung, die Häufigkeit, die Planbarkeit und den Gestaltungsspielraum des AN. Dieses Ergebnis steht auf den ersten Blick in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den Ausführungen betreffend die Qualifikation geringfügiger Tätigkeiten als Arbeitszeit, liefert aber wohl eine für die Praxis befriedigende Lösung, ohne die Interessen der AN zu sehr zu beeinträchtigen. Im Ergebnis entspricht diese Lösung zumindest für die ununterbrochen zu gewährende Ruhezeit dem für die österreichische Rechtsordnung vor allem von Resch und Gerhartl vertretenen „Atomisierungsverbot“, nachdem nicht jede noch so kleine Privatverrichtung die Arbeitszeit unterbricht und umgekehrt nicht jede noch so kurze dienstliche Tätigkeit die Ruhezeit (vgl Resch, Diffusion der Leistungspflicht in zeitlicher Hinsicht, in Brodil, Entgrenzte Arbeit [2016] 1 [7 f]; Gerhartl, Was zählt als Arbeitszeit? ecolex 2015, 693 [695]). Nach Risak sollen kurze Unterbrechungen hingegen nur im Rahmen der wöchentlichen Ruhezeit unbeachtlich sein, nicht hingegen für die tägliche Ruhezeit (Risak, ZAS 2013, 296 [300]).

Für Sonn- und Feiertagsruhe lehnt Freyler eine vergleichbare Lösung hingegen ab (S 174 ff), was vor dem anders gelagerten telos dieser Bestimmung durchaus vertretbar erscheint.

Im zweiten zentralen Kapitel werden Erreichbarkeit und tatsächliche Arbeit im Mobile Office während des Urlaubs untersucht. Während diese beiden Phänomene faktisch sehr ähnlich erscheinen, ergeben sich aus der Systematik der beiden Rechtsgebiete erhebliche Unterschiede. Freyler kommt zu dem Ergebnis, dass weder eine einseitige Anweisung noch eine Vereinbarung betreffend Erreichbarkeit während des Urlaubs zulässig sind. Diese seien unwirksam, sollte der AN dennoch tatsächlich erreichbar bleiben, komme es zu einer Leistungsstörung, weil der Zweck des Urlaubs verfehlt werde. Dem AN stehe im Wege der schadenersatzrechtlichen Naturalrestitution ein Anspruch auf Ersatzurlaub zu. Im Zweifel sei dabei auch bei bloß teilweiser Erreichbarkeit der gesamte Urlaub zu wiederholen, weil das BUrlG eine Stückelung des Urlaubs nur in Ausnahmefällen gestatte (S 242 ff).

Aus österreichischer Sicht ist dem Ergebnis der (Teil-)Nichtigkeit einer Anordnung oder Vereinbarung von Erreichbarkeit während des Urlaubs grundsätzlich zuzustimmen. Gesondert zu untersuchen wäre für Österreich, inwiefern sich eine dennoch erfolgte tatsächliche Erreichbarkeit auf den Urlaubsverbrauch auswirkt, da hier doch erhebliche systematische Unterschiede zwischen den beiden Rechtsordnungen bestehen.381

Für das tatsächliche Tätigwerden im Mobile Office während des Urlaubs kommt die Autorin zunächst zum gleichen Ergebnis, prüft jedoch mögliche Ausnahmen. Dabei lehnt sie überzeugend Ausnahmen für geringfügige oder freiwillige Tätigkeiten ab (S 262 ff, 270 ff). Differenziert fällt die Beurteilung von Notfällen des AG aus. In absoluten Notfällen habe der AG einen Anspruch auf einvernehmliche Abänderung der Freistellung gegen den AN. Dieses Ergebnis erscheint insb vor der E des OGH betreffend ausnahmsweises Tätigwerden für den AG während des Krankenstands (OGH 26.11.2013, 9 ObA 115/13x) auf die österreichische Rechtslage übertragbar. Durch den Wegfall der Freistellung lebe der Urlaubsanspruch in dem weggefallenen Ausmaß wieder auf, wobei eine tageweise Betrachtung vorzunehmen sei.

Das vorliegende Werk behandelt die gewählten Fragestellungen umfassend und kommt zu wohlüberlegten, dogmatisch gut begründeten Ergebnissen. Obwohl nicht alle Argumente ohne weiteres auf die österreichische Rechtslage übertragen werden können, wird man auch aus österreichischer Sicht bei einer vertieften Behandlung dieser Problematiken zukünftig nicht um dieses Werk umhinkommen.