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Entlassung wegen Kündigungsanfechtung – verpöntes Motiv

PETERJABORNEGG (LINZ)
  1. Ziel des Kündigungsanfechtungstatbestandes des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG ist es, dem AN die Rechtsdurchsetzung im aufrechten Arbeitsverhältnis zu ermöglichen und Vergeltungskündigungen zu vermeiden. Dementsprechend sind vom Schutzzweck nicht nur schon entstandene Ansprüche, sondern zusätzlich Ansprüche auf Wahrung der Rechtsposition aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis gegen einseitige Eingriffe, Geldansprüche ebenso wie andere vom AG in Frage gestellte Ansprüche, Rechte und Rechtspositionen erfasst.

  2. Eine während des Kündigungsanfechtungsverfahrens ausgesprochene Eventualkündigung ist aber grundsätzlich zulässig, weil das Bestreben des AN, nicht gekündigt zu werden, angesichts der geltenden Kündigungsfreiheit kein durch § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG geschützter Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis ist.

  3. Dies gilt jedoch nicht im Fall einer ungerechtfertigten Entlassung, die auf die Einbringung einer Kündigungsanfechtungsklage nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG gestützt wird, weil eine derartige Entlassung geeignet wäre, ein Dienstverhältnis in anfechtungsresistenter Weise umgehend zu beenden und damit den Motivkündigungsschutz dieser Bestimmung zu unterwandern. Das Kündigungsmotiv der ursprünglichen Kündigungsanfechtung ist dabei nicht Gegenstand des Entlassungsanfechtungsverfahrens.

Die Kl war seit 2.5.2013 beim Bekl als Rechtsanwaltsanwärterin mit einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt 2.261,32 € beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde vom Bekl am 16.11.2016 per 31.3.2017 gekündigt. Die Kl erhob dagegen eine Kündigungsanfechtungsklage. Das Verfahren ist derzeit bis zur Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits unterbrochen. Mit Schreiben vom 7.12.2016, der Kl am 12.12.2016 durch Hinterlegung zugestellt, wurde sie entlassen.

Mit der hier verfahrensgegenständlichen Klage begehrt die Kl, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären. Sie habe – zusammengefasst – keinen Entlassungsgrund gesetzt. Die Entlassung stelle eine weitere Mobbinghandlung des Bekl dar. Es sei offenkundig, dass die Entlassung nur deshalb ausgesprochen worden sei, weil die Kl eine Kündigungsanfechtungsklage gegen die Kündigung vom 16.11.2016 eingebracht habe. Dies könne niemals einen Entlassungsgrund darstellen. Die Bekl wolle die Kl offensichtlich noch vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31.3.2017 los werden. Zumal das Dienstverhältnis nunmehr am 13.12.2017 ende, verkürze die ungerechtfertigte Entlassung die Kl in ihren entgeltlichen Ansprüchen massiv. Es liege auf der Hand, dass die Entlassung aus dem verpönten Motiv des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG wegen offenbar nicht unberechtigter Geltendmachung vom AG in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den AN ausgesprochen worden sei. Da die349 Einbringung einer Klage gegen die ausgesprochene Kündigung ein gesetzlicher Anspruch sei, der jedem AN iSd § 105 ArbVG zukomme, sei es nicht einmal notwendig, im Entlassungsanfechtungsverfahren Behauptungen aufzustellen bzw ein Vorbringen zu erstatten, welches ausnahmslos im Kündigungsanfechtungsverfahren zu behandeln wäre.

Der zunächst weiter geltend gemachte Anfechtungsgrund der Sozialwidrigkeit der Kündigung wurde von der Kl zurückgezogen und nur insofern aufrecht erhalten, „als dass die Klägerin kurz vor Abschluss der Ausbildung und Ablegung der Anwaltsprüfung gekündigt und entlassen wurde“.

Der Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte – zusammengefasst – ein, es liege kein Rechtsschutzinteresse vor, weil bei erfolgreicher Entlassungsanfechtung die Entlassung beseitigt wäre, das Arbeitsverhältnis aber nur bis 31.3.2017 verlängert würde. Das geltend gemachte verpönte Motiv, nämlich die Bekämpfung der Kündigung durch Anfechtungsklage liege nicht vor, allerdings habe die fristlose Entlassung durchaus mit der Kündigungsanfechtung zu tun. Die in der Kündigungsanfechtung angeführten Gründe seien ruf- und kreditschädigend. Die vorliegenden Vorwürfe hätten zur Vertrauensunwürdigkeit geführt, welche eine weitere Beschäftigung – auch nur während der noch offenen Kündigungsfrist – unzumutbar gemacht hätten. [...]

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach die Unwirksamkeit der Entlassung aus. Es stellte fest, dass Entlassungsgrund und Motiv des Bekl für die Entlassung der Kl die Erhebung der Kündigungsanfechtungsklage durch die Kl gewesen sei. [...]

Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung des Bekl keine Folge. Die Kl habe mit ihrem Vorbringen im Kündigungsanfechtungsverfahren das Sachlichkeitsgebot nicht verletzt, der Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit sei nicht erfüllt. Zweck des Motivkündigungstatbestands des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG sei, die arbeitsrechtliche Stellung des AN zu schützen, sodass der Schutzzweck nicht nur die Durchsetzung von Ansprüchen, sondern ganz allgemein die Rechtsposition des AN erfasse. Zwar gelte im österreichischen Arbeitsrecht Kündigungsfreiheit, dazu bestünden gemäß den §§ 105, 107 ArbVG aber Ausnahmen, wobei aufgrund der individualrechtlichen Komponenten des allgemeinen Kündigungsschutzes das einem AN eingeräumte Recht zur Anfechtungsklage zu den weit zu interpretierenden „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ zähle. In der E 8 ObA 63/12s sei demgegenüber die Eventualkündigung aufgrund der aufrechten Absicht des AG zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Im Kündigungsanfechtungsverfahren habe die Kl offenbar nicht unberechtigte Ansprüche gegen den Bekl geltend gemacht. Durch die Bestreitung der Kündigungsanfechtungsklage habe der Bekl auch den geltend gemachten Anspruch auf Kündigungsschutz in Frage gestellt. Sämtliche Voraussetzungen des Motivkündigungstatbestands des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG seien daher zu bejahen. Der Kl fehle es auch nicht am Rechtsschutzinteresse, weil bei erfolgreicher Anfechtung der Entlassung selbst für den Fall einer Abweisung der vorgängigen Kündigungsanfechtung das Arbeitsverhältnis bis zum 31.3.2017 aufrecht bestünde. Die Revision sei zur Frage, ob die Einbringung einer Kündigungsanfechtungsklage eine Geltendmachung von „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ darstelle, zulässig.

In seiner dagegen gerichteten („ordentlichen sowie außerordentlichen“) Revision beantragt der Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kl beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Nach § 106 Abs 2 S 1 ArbVG – hier iVm § 107 ArbVG – kann die Entlassung beim Gericht angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund iSd § 105 Abs 3 ArbVG vorliegt und der betreffende AN keinen Entlassungsgrund gesetzt hat. Der Bekl bringt in der Revision selbst vor, nachdem die Revision zur oben angeführten Frage zugelassen worden sei, davon ausgehen zu müssen, dass ein Entlassungsgrund nicht vorgelegen habe. Insofern genügt es, dazu auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Er meint aber, dass deshalb zumindest eine Kündigung „übrig bleiben“ müsse, die das Beschäftigungsverhältnis jedenfalls beende.

2. Fehlt es an einem Entlassungsgrund, ist das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes iSd § 105 Abs 3 ArbVG zu prüfen, wovon hier alleine der Motivkündigungsgrund des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG maßgeblich ist. Der Anfechtungsgrund der Sozialwidrigkeit wurde von der Kl zuletzt nur noch insofern aufrecht erhalten, als dass sie „kurz vor Abschluss der Ausbildung und Ablegung der Anwaltsprüfung gekündigt und entlassen wurde“. Dass sich die Vorinstanzen dadurch noch nicht veranlasst sahen, eine allfällige Sozialwidrigkeit der Kündigung näher zu prüfen, wurde von der Kl zu Recht nicht beanstandet. Eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit der ungerechtfertigten Entlassung ist danach nicht weiter revisionsgegenständlich.

3. Nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann die Kündigung beim Gericht angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom AG in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den AN erfolgt ist. Nach der Rsp geht es bei diesem Kündigungsanfechtungsgrund darum, dass der AG nach Meinung des AN bestehende Ansprüche nicht erfüllt, dass der AN diese nicht erfüllten Ansprüche dem AG gegenüber geltend macht und dass der AG den AN wegen dieser Geltendmachung kündigt. Vom Schutzzweck sind nicht nur schon entstandene Ansprüche, sondern zusätzlich Ansprüche auf Wahrung der Rechtsposition aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis gegen einseitige Eingriffe erfasst (RIS-Justiz RS0051666). Ziel dieser Bestimmung ist es, dem AN die Rechtsdurchsetzung im aufrechten Arbeitsverhältnis zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0104686). Umfasst ist dabei nicht nur die Gel-350tendmachung von Geldansprüchen, sondern auch anderer vom AG in Frage gestellter Ansprüche (RIS-Justiz RS0104686 [T4]), Rechte und Rechtspositionen (s Wolligger in ZellKomm3 § 105 ArbVG Rz 127; Eypeltauer, Eventualkündigung und Sozialwidrigkeit, ecolex 2013, 1013, 1014). In dem Sinn wird auch in der Literatur der Zweck der lit i darin gesehen, Vergeltungskündigungen zu vermeiden (Wolligger in ZellKomm3 § 105 ArbVG Rz 126).

4. Fraglich ist hier, ob vom AN auch mit einer auf den Motivschutz gestützten Kündigungsanfechtungsklage, die der AG zum Grund einer Entlassung macht, ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG geltend gemacht wird.

Nach der Rsp ist eine während eines Kündigungsanfechtungsverfahrens ausgesprochene Eventualkündigung, dh eine solche, die für den Fall der Unwirksamkeit der ersten Kündigung ausgesprochen wird, grundsätzlich zulässig (RIS-Justiz RS0028418 [T4-T6]; RS0128404; jüngst 8 ObA 14/18v mwN). In der E 8 ObA 63/12s wurde dazu festgehalten, dass das Bestreben des AN, nicht gekündigt zu werden, angesichts der im österreichischen Arbeitsrecht geltenden Kündigungsfreiheit keinen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, der durch § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG geschützt ist. Die dortige Bekl, die mit der von ihr ausgesprochenen Eventualkündigung für den Fall des Erfolgs der Anfechtung der ersten Kündigung (dort wegen Sozialwidrigkeit) nur an ihrer Absicht festhielt, das Arbeitsverhältnis mit dem Kl zu beenden, stellte daher mit dieser Eventualkündigung keinen offenbar nicht unberechtigten Anspruch des Kl aus dem Arbeitsverhältnis in Frage. Das dargestellte Motiv für die Eventualkündigung war aus diesen Gründen kein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG. Dass dem dortigen Kl die Anfechtung der neuerlich ausgesprochenen Kündigung infolge der (dort:) nunmehr erfolgten ausdrücklichen Zustimmung des BR nicht mehr wegen Sozialwidrigkeit möglich war, konnte nicht jener Bekl zugerechnet werden.

5. Davon unterscheidet sich die vorliegende Konstellation schon dadurch, dass der Bekl wegen der Klagseinbringung durch die Kl und dem von ihm missbilligten Inhalt die Entlassung ausgesprochen und damit zum Ausdruck gebracht hat, nicht nur eventualiter für den Fall des Erfolgs der Anfechtung der ersten Kündigung an seiner Beendigungsabsicht festzuhalten, sondern das Dienstverhältnis jedenfalls und unabhängig vom Ausgang des ersten Verfahrens – nach den obigen Ausführungen ohne rechtfertigenden Grund – unverzüglich beenden zu wollen. Zwar hat auch eine ungerechtfertigte Entlassung grundsätzlich die Beendigung des Dienstverhältnisses zur Folge. Dieser Grundsatz wird jedoch durch die Anfechtungsmöglichkeiten des § 106 Abs 1 (§ 107) ArbVG für den Fall einer Motivkündigung von Gesetzes wegen eingeschränkt. Wäre eine ungerechtfertigte Beendigungserklärung, die auf die Führung einer zulässigen Kündigungsanfechtungsklage iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG gestützt wird, geeignet, ein Dienstverhältnis in anfechtungsresistenter Weise jedenfalls umgehend zu beenden, wäre der Motivkündigungsschutz dieser Bestimmung leicht zu unterwandern. Anders als in dem der E 8 ObA 63/12szugrunde liegenden Fall kann hier auch die Erwägung, dass der Motivschutz nicht zugleich der Durchsetzung des Sozialschutzes (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) dienen kann, weil es sonst zu einer Ausweitung des eigenständig geregelten Sozialschutzes käme, nicht zum Tragen kommen (zu dieser Systemüberlegung s Schrank, Eventualkündigungen – Infragestellung eine Anspruchs aus dem AV? – OGH 27.11.2012, 8 ObA 63/12s; Leitentscheidungen des Höchstgerichts zum Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, 35.1.3.Nr 5; zu Eventualkündigungen krit Eypeltauer, Eventualkündigung und Sozialwidrigkeit, ecolex 2013, 1013; Grillberger, Eventualkündigung grundsätzlich zulässig, wbl 2013, 220 [Anm]; Trost, Anfechtung einer Eventualkündigung und der „Anspruch“ auf Bestand und Bewahrung, DRdA 2013, 422). Denn die Überprüfung der Beendigungserklärung im Hinblick auf eine mögliche Sozialwidrigkeit steht hier nicht zur Diskussion. Anders als in dem der E 8 ObA 63/12s zugrunde liegenden Fall kann es daher nicht in der gesetzgeberischen Intention zur Erwirkung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses liegen, einem DN im Fall einer ungerechtfertigten Entlassung, die auf die Einbringung seiner das Sachlichkeitsgebot nicht überschreitenden Kündigungsanfechtungsklage nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG gestützt wird, den Anfechtungsschutz eben dieser Bestimmung zu versagen.

6. Soweit der Bekl darüber hinaus vorbringt, zum heranzuziehenden Maßstab hinsichtlich der Vertrauensunwürdigkeit einem erhöhten und damit verschärften Prüfungsmaßstab, insb auch im Hinblick auf die standesrechtlichen Vorschriften zu unterliegen, weshalb ihm eine Weiterbeschäftigung der Kl nach den erhobenen Vorwürfen nicht mehr möglich sei, wird nicht dargelegt, welche Vorschriften die Kl mit ihrer Klagsführung – die ihr auch als Rechtsanwaltsanwärterin nicht verwehrt ist – verletzt haben sollte.

7. Ob die Kl im ersten Anfechtungsverfahren die Geltendmachung „offenbar nicht unberechtigter Ansprüche“ aus dem Arbeitsverhältnis glaubhaft machen kann oder eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein anderes Kündigungsmotiv des Bekl spricht (§ 105 Abs 5 ArbVG), ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

8. Die weitere Anwendungsvoraussetzung der Bestimmung, dass die von der Kl geltend gemachten Ansprüche vom Bekl in Frage gestellt wurden, wurde dadurch erfüllt, dass er die Berechtigung der ersten Kündigungsanfechtungsklage bestritten hat.

9. Da sich die Revision des Bekl danach als unberechtigt erweist, ist ihr ein Erfolg zu versagen.

ANMERKUNG
1.
Zum entscheidenden Fall

Die vorliegende E ist im Ergebnis und in der fallbezogenen Begründung völlig überzeugend. Dass der Begriff „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“351 im Motivanfechtungstatbestand des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG wegen des Normzwecks der Vermeidung von „Vergeltungskündigungen“ auf Grund Geltendmachung von AN-Ansprüchen weit auszulegen ist, ist allgemein anerkannt und wird auch vorliegend vom OGH neuerlich bestätigt. Erfasst ist also nicht nur die Geltendmachung von Ansprüchen im engeren Sinn von Forderungsrechten, sondern jegliche Geltendmachung von Rechtspositionen aus dem Arbeitsverhältnis, wozu eben auch Gestaltungsrechte einschließlich eines Kündigungs- bzw Entlassungsanfechtungsrechts gehören. Gerade die Kündigungsanfechtung, die letztlich auf die rechtsgestaltende rückwirkende Wiederherstellung des an sich schon beendeten Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, hat jedenfalls zugleich den Sinn, weiterhin auch ieS verstandene Ansprüche aus diesem Arbeitsverhältnis geltend machen zu können und wird durch die Bestreitung der Anfechtungsklage des AN vom AG in Frage gestellt.

Wenn daher – wie im vorliegenden Fall – eine (nicht von vornherein offenbar unberechtigte) Kündigungsanfechtungsklage nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG vom AG mit einer ausschließlich auf eben diese Anfechtungsklage gestützten Entlassung erwidert wird, so liegt darin nicht nur kein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund, sondern wird zugleich zweifelsfrei auch die solcherart unbegründete Entlassung bloß wegen der Geltendmachung des vom AG bestrittenen Kündigungsanfechtungsrechts durch den AN ausgesprochen und muss daher ihrerseits nach § 106 iVm § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG anfechtbar sein. Dies muss auch völlig unabhängig vom noch offenen Ausgang des zuvor eingeleiteten Kündigungsanfechtungsverfahrens gelten. Andernfalls wäre – wie der OGH fallbezogen zutreffend hervorhebt – eine derartige unbegründete Entlassung geeignet, ein Dienstverhältnis in anfechtungsresistenter Weise umgehend zu beenden und damit den Motivkündigungsschutz des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG zu unterwandern.

2.
Zur Eventualkündigung nach Sozialwidrigkeitsanfechtung

Der OGH bemüht sich in der vorliegenden E, die Besonderheiten des Falles von jenen Fallgestaltungen abzugrenzen, die ihn früher zur Verneinung der auf § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG gestützten Anfechtbarkeit einer nach Sozialwidrigkeitsanfechtung erfolgten, für den Fall des Anfechtungserfolges ausgesprochenen Eventualkündigung des AG geführt haben. Diese Teile der Begründung sind jedoch ebenso problematisch wie die früher erzielten Entscheidungsergebnisse. Denn Sinn und Zweck einer solchen Eventualkündigung ist es, das Arbeitsverhältnis auch dann frühzeitig zu beenden, wenn sich ein Erfolg der vorangegangenen Kündigungsanfechtung einstellen sollte. Sie dient daher dazu, das Risiko des AG, den AN bei Verlust des Anfechtungsprozesses mindestens bis zur rechtskräftigen E rückwirkend im aufrechten Arbeitsverhältnis zu haben, durch eine weitere und insoweit bedingte Kündigung zu verringern und damit den möglichen Anfechtungserfolg vorweg und entscheidungsunabhängig zu begrenzen. Wenn aber der AG für diese Eventualkündigung nichts vorbringen kann, was sich im Vergleich zur vorangegangenen und wegen Sozialwidrigkeit angefochtenen Kündigung geändert hat, bildet ganz offensichtlich die Kündigungsanfechtung das einzig verbleibende Motiv der Eventualkündigung, wobei diese geradezu unmittelbar zur möglichen Unterwanderung des Schutzes gegen eine sozial ungerechtfertigte Kündigung eingesetzt wird. Daher sollte entgegen der Auffassung des OGH auch in dieser Konstellation eine Anfechtung der Eventualkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG möglich sein, wobei es dem AG – wie schon Trost, DRdA 2013, 424 f, zutreffend ausgeführt hat – unbenommen bleibt, das primär anzunehmende verpönte Motiv im Beweisverfahren dadurch zu entkräften, dass wegen inzwischen eingetretener Umstände doch sachliche Gründe für diese neuerliche Eventualkündigung gegeben sind. Das vom OGH gegen diese Auslegung schon früher vorgebrachte und nunmehr wiederholte Argument, dass das Bestreben des AN, nicht gekündigt zu werden, angesichts der geltenden Kündigungsfreiheit kein durch § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG geschützter Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis sei, ist im Schrifttum überzeugend mit dem Hinweis widerlegt worden, dass es im Bereich des allgemeinen Kündigungsschutzes eben keine Kündigungsfreiheit des AG gibt (vgl Grillberger, wbl 2013, 222; Trost, DRdA 2013, 424; Eypeltauer, Eventualkündigung und Sozialwidrigkeit, ecolex 2013, 1013, 1014). Die Kündigungsfreiheit ist auch in Ansehung sozialwidriger Kündigungen eingeschränkt und es würde den diesbezüglichen Normzwecken widersprechen, wenn der betreffende Schutz schon allein durch Eventualkündigungen während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens auch nur teilweise konterkariert werden könnte. Genau dazu würde es aber kommen, wenn der AG die Möglichkeit hätte, im Wege einer anfechtungsresistenten Eventualkündigung nachteilige Auswirkungen eines verlorenen Anfechtungsprozesses zu verringern. Im Übrigen hat Eypeltauer (ecolex 2013, 1014 f) auch bereits nachgewiesen, dass es selbst dann zu einem normzweckwidrigen Schutzdefizit käme, wenn man nach einer Sozialwidrigkeitsanfechtung die Eventualkündigung wiederum wegen Sozialwidrigkeit anfechten würde. All das lässt sich letztlich nur dann normzweckgerecht vermeiden, wenn man derartige Eventualkündigungen als Motivkündigungen iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG behandelt und es insoweit dem AG überlässt, gem § 105 Abs 5 ArbVG für die Eventualkündigung ein anderes Motiv als die vorangegangene Kündigungsanfechtung durch den AN glaubhaft zu machen (siehe nochmals Trost, DRdA 2013, 425).

3.
Zur allgemeinen Problematik der Eventualkündigung während des Kündigungsschutzverfahrens

Zuletzt ist freilich – wiederum im Anschluss an die überzeugend begründeten Ausführungen von352Trost (DRdA 2013, 423 f; vgl mwN auch bereits Trost in Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 37) – die vom OGH ohne weiteres anerkannte Rechtswirksamkeit einer Eventualkündigung für den Fall des Obsiegens des AN im Kündigungsschutzprozess nach § 105 Abs 3 Z 1 oder 2 ArbVG prinzipiell in Frage zu stellen. Auszugehen ist nämlich davon, dass bedingte Kündigungs- und Entlassungserklärungen – entsprechend den für einseitige Willenserklärungen geltenden allgemeinen Regeln – ganz grundsätzlich unzulässig und unwirksam sind, weil dem Erklärungsempfänger eine Ungewissheit darüber nicht zugemutet werden kann, ob die mit der Erklärung intendierte Rechtsgestaltung iSd Beendigung des Arbeitsverhältnisses nun tatsächlich eintritt oder nicht. Nur insofern ist eine Ausnahme zu machen, als das maßgebliche Interesse des Erklärungsempfängers an sofortiger klarer Erkennbarkeit der Rechtslage der Beisetzung einer allein auf den Willen des Erklärungsempfängers bezogenen Potestativbedingung nicht entgegensteht. Damit wird vor allem die Möglichkeit einer Änderungskündigung begründet, aber auch gewisser nur vom AN selbst abhängiger bedingter Entlassungen (vgl dazu OGH4 Ob 78/79

= EvBl 1980/48, 178 = Arb 9810 = ZAS 1981, 100; siehe weiters die Nachweise in RIS-Justiz RS0028418).

Ein vergleichbarer Fall zumutbarer Unsicherheit liegt aber gerade im Fall einer Eventualkündigung dann nicht vor, wenn die Bedingung bloß darin besteht, dass das Arbeitsverhältnis angesichts eines vom AN angestrengten Kündigungsanfechtungsverfahrens überhaupt noch aufrecht besteht. Denn die Bedingung eines aufrechten Arbeitsverhältnisses ist für die Wirksamkeit jeder Kündigung oder Entlassung ohnehin unverzichtbare Grundvoraussetzung, sodass eine ausdrückliche Bezugnahme darauf an sich vollkommen überflüssig ist. Schon das zeigt, dass die Eventualkündigung in Wahrheit keineswegs diese Selbstverständlichkeit im Auge hat, sondern von einer ganz anderen Intention geprägt ist: Sie soll lediglich die für beide Vertragsparteien bestehende Unsicherheit des Prozessausgangs einseitig zu Lasten des AN dahin korrigieren, dass im Falle des Obsiegens des AN gleichwohl – und zwar auch insofern rückwirkend für den vom AG einseitig bestimmten Eventualkündigungsendtermin – eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkt wird. Anders gesagt: Das Kündigungsanfechtungsrecht des AN soll sich im Erfolgsfall nicht so auswirken, wie dies letztlich in einem System des Kündigungsschutzes mit dem Erfordernis gerichtlicher Geltendmachung konzipiert ist: Die mehr oder weniger bestehende Unsicherheit des Prozessausgangs ist nämlich dabei die zwingende Konsequenz des Anfechtungsrechts selbst, wobei eben dann, wenn sich die Anfechtung als begründet erweist, das nunmehr rückwirkend bis zur rechtskräftigen E aufrecht gebliebene Arbeitsverhältnis dem AG vom Gesetz her deshalb zugemutet wird, weil die Sozialwidrigkeit oder das verpönte Kündigungsmotiv der ursprünglichen Kündigung allein ihm zugerechnet wird. Wenn daher der AG versucht, diese unmittelbar aus dem Normzweck des Kündigungsschutzes fließenden nachteiligen Konsequenzen seiner eigenen fehlerhaften Kündigung durch einseitige Erklärung zu beschränken, widerspricht das dem Normzweck des Kündigungsschutzes. Und wenn diese einseitige Erklärung in einer neuerlichen, aber angesichts des im Erklärungszeitpunkt zunächst gar nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnisses rein hypothetischen Kündigungserklärung besteht, kann wohl nur deren Rechtsunwirksamkeit die den hier in Frage stehenden Normzwecken angemessene rechtliche Beurteilung sein.

Nach alledem sollte es auch bei einer während des Kündigungsschutzverfahrens vom AG ausgesprochenen, für den Fall des Obsiegens des AN erklärten Eventualkündigung bei der allgemeinen Regel bleiben, dass bedingte Kündigungs- und Entlassungserklärungen wegen der Unsicherheit der Beendigungswirkung von vornherein keine Wirksamkeit entfalten können. Selbstverständlich bleibt dem AG nach rechtskräftiger Wiederherstellung des Arbeitsverhältnisses unbenommen, jegliche Änderung der Verhältnisse während der Zeit des Kündigungsschutzprozesses in einer neuerlichen Kündigung geltend zu machen und auch zwischenzeitig gesetzte Verhaltensweisen des AN, die sich nunmehr rückwirkend als Entlassungsgründe darstellen, mit einer unverzüglich ausgesprochenen Entlassung zu sanktionieren.353