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Karfreitagsregelung im Arbeitsruhegesetz wirkt unmittelbar diskriminierend

MANFREDTINHOF
§ 7 Abs 3 ARG; Art 2, 7 Gleichbehandlungs-RL; Art 21 EU-Grundrechtecharta
EuGH 22.1.2019, C‑193/17, Cresco Investigation

Ein AN, der keiner der im § 7 Abs 3 ARG genannten Kirchen (Evangelische Kirchen AB und HB, Altkatholische Kirche und Evangelisch-methodistische Kirche) angehört, ist der Ansicht, ihm sei für die von ihm am 3.4.2015, einem Karfreitag, geleistete Arbeit das Feiertagsentgelt in diskriminierender Weise vorenthalten worden, und begehrte aus diesem Grund von seinem AG die Zahlung von € 109,09 zuzüglich Zinsen.

Die von ihm erhobene Klage wurde mit einem in erster Instanz ergangenen Urteil abgewiesen, das dann vom Berufungsgericht abgeändert wurde. Der OGH legte die Rechtssache dem EuGH vor, welcher zusammengefasst Folgendes erwog:

Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung (§ 7 Abs 3 ARG) bewirkt eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Situationen nach Maßgabe der Religion. Sie begründet somit eine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Religion:

AN, die einer der relevanten Kirchen iSd ARG angehören, wird nämlich am Karfreitag eine Ruhezeit von 24 Stunden gewährt, während sich AN anderer Religionen, deren hohe Feiertage nicht mit den in § 7 Abs 2 ARG vorgesehenen Feiertagen zusammenfallen, grundsätzlich nur mit der im Rahmen der Fürsorgepflicht erteilten Zustimmung ihres AG von ihrer Arbeit entfernen dürfen, um die zu diesen Feiertagen gehörenden religiösen Riten zu befolgen. Außerdem ergibt sich aus § 7 Abs 3 iVm § 9 Abs 5 ARG, dass nur die AN, die einer der relevanten Kirchen iSd ARG angehören, in den Genuss des Feiertagsentgelts kommen können, wenn sie am Karfreitag arbeiten.

Die mit dieser nationalen Regelung vorgesehenen Maßnahmen können weder als zur Wahrung der Rechte und Freiheiten anderer notwendige Maßnahmen iSd Art 2 Abs 5 der RL 2000/78/EG, noch als spezifische Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen wegen der Religion iSd Art 7 Abs 1 dieser Richtlinie angesehen werden.

In einem derartigen Fall ist das nationale Gericht gehalten, eine diskriminierende nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass es ihre vorherige Beseitigung durch den Gesetzgeber beantragen oder abwarten müsste. Es ist auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe eben die Regelung anzuwenden, die für die Mitglieder der anderen Gruppe gilt.

Daher obliegt es, solange der nationale Gesetzgeber keine die Gleichbehandlung wiederherstellenden Maßnahmen erlassen hat, den AG, dafür zu sorgen, dass die AN, die keiner dieser Kirchen angehören, die gleiche Behandlung erhalten, wie sie nach den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen den AN vorbehalten ist, die einer der besagten Kirchen angehören.

Somit muss der AG, solange der Gesetzgeber keine Konformität hergestellt hat, nach Art 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union den AN, die keiner dieser Kirchen angehören, das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zugestehen, sofern sie ihm vor diesem Tag ihren Wunsch mitgeteilt haben, am Karfreitag nicht zu arbeiten.

Daraus folgt auch, dass ein AN, der keiner der relevanten Kirchen iSd ARG angehört, gegen seinen AG einen Anspruch auf Zahlung des in § 9 Abs 5 ARG vorgesehenen Entgelts hat, wenn dieser seinem Ansuchen, am Karfreitag nicht zu arbeiten, nicht nachgekommen ist.