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Keine Zusammenzählung von bei unterschiedlichen Dienstgebern zurückgelegten Beschäftigungszeiten für die Berechnung der Dauer Kündigungsfrist und für die Höhe der Abfertigung („alt“)

DAVIDKOXEDER
§§ 20 Abs 2, 23 und 23a AngG

Der Kl begann am 1.9.1992 bei der H-Gesellschaft m.b.H., die ab 1994 als S-Gesellschaft m.b.H. firmierte (in weiterer Folge: Transportabwicklungs-GmbH), eine Lehre als Speditionskaufmann. Ab 12.7.1994 trat die Bekl in das Lehrverhältnis einvernehmlich ein.

Die Transportabwicklungs-GmbH wurde gegründet, um mit dem Zollgeschäft bestehende Risiken auszulagern. Beide Gesellschaften wurden – auch hinsichtlich der Geschäftsführung und der betrieblichen Abläufe – als einheitlicher Betrieb am selben Standort geführt. Für die beschäftigten Mitarbeiter bestanden keine getrennten Arbeitsbereiche, sondern sie führten sämtliche Tätigkeiten je nach Bedarf für das eine oder andere Unternehmen aus. Lediglich hinsichtlich eines bestimmten Zollverfahrens wurden die Tätigkeiten betreffend die Transportabwicklungs-GmbH geführt.

Nach Abschluss der Lehre war der Kl bei der Bekl als Angestellter beschäftigt und verrichtete – wie alle anderen DN auch – sowohl für die Bekl als auch für die Transportabwicklungs-GmbH Tätigkeiten.

Der Kl kündigte zu Beginn des Jahres 2004 das bis dahin durchgehende Dienstverhältnis zum 30.4.2004, jedoch wandte er sich – nachdem er für einen Bundesheereinsatz nicht zugelassen wurde – noch während der Kündigungsfrist mit dem Ersuchen an den damals alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer sowohl der Bekl als auch der Transportabwicklungs-GmbH, das Arbeitsverhältnis wie bisher fortsetzen zu wollen. Noch vor dem 1.5.2004 wurde mit dem Kl vereinbart, dass sein Dienstverhältnis ab diesem Tag bei der Transportabwicklungs-GmbH „neu“, bei „null“ beginnen sollte. Dies war auch Bedingung für die Begründung des neu-72en Dienstverhältnisses. Dem Kl war bewusst, und es war auch von ihm gewollt, dass er mit 1.5.2004 ein neues Dienstverhältnis zu einem anderen DG als bisher beginnen werde. Ebenso war dem Kl zu dieser Zeit auch klar, dass es zwei Abfertigungssysteme gab, worüber jedoch im Zuge des Abschlusses des neuen Dienstverhältnisses nicht gesprochen wurde.

Schließlich wurde das zum 30.4.2004 aufgrund der Kündigung des Kl beendete Dienstverhältnis zur Bekl endabgerechnet; der Kl erhielt eine Urlaubsersatzleistung, anteilige Sonderzahlungen sowie eine Endabrechnung darüber und wurde bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet.

Der Kl arbeitete ab 1.5.2004 bis zum 31.12.2016 am gleichen Arbeitsplatz und bei gleichem Gehalt wie zuvor weiter. Den neuen Dienstvertrag mit der Transportabwicklungs-GmbH, in dem der Beginn des Dienstverhältnisses mit 1.5.2004 festgehalten wurde, unterfertigte der Kl am 5.5.2004.

Mit 1.10.2005 erfolgte die Verschmelzung zwischen der Bekl als übernehmenden und der Transportabwicklungs- GmbH als übertragenden Gesellschaft.

Am 18.4.2011 unterzeichnete der Kl einen neuen Dienstvertrag zur Bekl, in dem in der Präambel festgehalten wurde, dass er bis 30.4.2004 bei der Bekl beschäftigt war, mit diesem Datum auf eigenen Wunsch aus dem Unternehmen ausgeschieden und mit 1.5.2004 in die Transportabwicklungs-GmbH eingetreten ist.

Schließlich wurde vonseiten der Bekl das Dienstverhältnis des Kl unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum 31.12.2016 gekündigt. Auf das Dienstverhältnis findet der KollV für Angestellte in Spedition und Logistik Anwendung.

Der Kl vertrat die Ansicht, dass seine bis zum 30.4.2004 und seine ab dem 1.5.2004 zurückgelegten Beschäftigungszeiten zusammenzurechnen und als Gesamtbeschäftigungszeit für die Berechnung der Höhe der Abfertigung („alt“) nach den Regeln der §§ 23 und 23a AngG und die Dauer der Kündigungsfrist ausschlaggebend sei. Insofern begehrte er die Auszahlung der Abfertigung („alt“) unter Anrechnung der von der Bekl an die Mitarbeitervorsorgekasse geleisteten Beiträge und Kündigungsentschädigung infolge fristwidriger Kündigung, weil anstatt einer viermonatigen Kündigungsfrist nur drei Monate eingehalten wurden. Die Bekl bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach und stützte sich auf den Rechtsstandpunkt, dass mangels durchgehenden Dienstverhältnissen allein Ansprüche auf „Abfertigung neu“ gegenüber der Mitarbeitervorsorgekasse nach den Bestimmungen des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes (BMSVG) bestünden. Ebenso habe die Bekl aufgrund der nicht mehr als 20-jährigen Betriebszugehörigkeit keine viermonatige Kündigungsfrist einzuhalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren aufgrund des Nichtvorliegens eines durchgehenden Arbeitsverhältnisses ab. Das Berufsgericht änderte das Ersturteil im klagsstattgebenden Sinn ab und begründete dies resümierend damit, dass nachdem Arbeitsplatz, Tätigkeit und Gehalt des Kl gleichgeblieben seien, ein Umgehungsgeschäft vorliege, sodass die umgangene Norm anzuwenden sei, wobei eine Analogie zu § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG zu schließen sei. In Anbetracht der Konzernzugehörigkeit der Bekl und der Transportabwicklungs-GmbH sei daher von einem durchgehenden bei demselben AG fortgesetzten Arbeitsverhältnis auszugehen.

Der OGH folgte der außerordentlichen Revision der Bekl und änderte das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts dahingehend ab, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wurde.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte der OGH zunächst zur Frage des anzuwendenden Abfertigungsrechts aus, dass für das Dienstverhältnis des Kl zur Bekl vor dem 1.5.2004 die Bestimmungen der §§ 23 und 23a AngG galten (Abfertigung „alt“). Nachdem der Kl das Dienstverhältnis zu Beginn des Jahres 2004 zum 30.4.2004 kündigte, verlor der Kl seine damalige Abfertigungsanwartschaft (§ 23 Abs 7 AngG). Im Anschluss ging der Kl mit der Transportabwicklungs-GmbH – somit mit einem anderen DG – ein neues Dienstverhältnis ein. Gem § 46 Abs 1 BMSVG ist auf alle privatrechtlichen Dienstverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem 31.12.2002 liegt, das BMSVG anzuwenden. § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG sieht für Arbeitsverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem 31.12.2002 liegt, dann den Verbleib von AN, die den bisherigen Abfertigungsregeln unterlegen sind, im alten Abfertigungssystem vor, wenn AN innerhalb eines Konzerns iSd § 15 AktG oder des § 115 GmbHG in ein neues Dienstverhältnis wechseln. Die Begründung dieser Sondernorm liegt darin, dass Konzernwechsel grundsätzlich nicht als Wechsels des AG im eigentlichen Sinn zu sehen sind, diese oft auch nur vorübergehend erfolgen und bei diesen Arbeitsplatzwechseln sui generis dem AN das bisherige Abfertigungsrecht samt den bereits erworbenen Anwartschaften erhalten bleiben soll.

Allerdings kommt § 46 Abs 3 Z 3 BMSVG nicht zur Anwendung, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem AN keine Abfertigung ausbezahlt wird, weil er den Abfertigungsanspruch durch Selbstkündigung verlor, und er in weiterer Folge mit einem anderen Unternehmen desselben Konzerns ein neues Dienstverhältnis einging, andernfalls der Normzweck des § 46 Abs 3 Z 3 BMSVG unbegreiflich wäre.

Im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines Umgehungsgeschäfts führte der OGH aus,73 dass ein solches nicht besteht und ergänzte, dass – außerhalb vom Anwendungsbereich des Bauarbeiter-Urlaubs und Abfertigungsgesetzes (BUAG, vgl § 13b Abs 6 Satz 1 BUAG) – bei verschiedenen DG verbrachte Beschäftigungszeiten grundsätzlich auch dann nicht zusammengerechnet werden, wenn die AG demselben Konzern angehören. Anders ausgedrückt: Derartige Zeiten werden insofern nicht iSd § 23 Abs 1 Satz 3 AngG beim „selben DG“ zurückgelegt.

Aus diesem Grund sind auch für die Berechnung der Kündigungsfrist nach § 20 Abs 2 AngG nur die im Angestelltenverhältnis beim selben DG zurückgelegten Zeiten von Relevanz, sodass mangels Zusammenrechenbarkeit der beiden zurückgelegten Beschäftigungszeiten vor und nach dem 1.5.2004 der Kl auch iSd § 20 Abs 2 AngG (iVm §10 KollV für Angestellte in Spedition und Logistik) weniger als 15 Jahre bei der Bekl beschäftigt war, und die Kündigungsfrist – entgegen der Ansicht des Kl – nicht vier Monate, sondern nur drei Monate betrug. Insofern bestätigte der OGH die Rechtsmeinung des Erstgerichts.