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Anrechnung von Vordienstzeiten: Vergleichbarkeit der Dienstzeit als Postpraktikant und als Postmitarbeiter

RICHARDHALWAX

Der klagende Personalausschuss der Bediensteten der Österreichische Post AG begehrte im Wesentlichen die Feststellung, dass die von ihm vertretenen DN der Bekl, deren Dienstverhältnis vor dem 1.5.1996 begründet wurde (iSd § 18 Abs 1 Poststrukturgesetz [PTSG] übergeleitete Vertragsbedienstete), das Recht auf Anrechnung der vor Vollendung des 18. Lebensjahres erbrachten Vordienstzeiten als Postpraktikanten haben. Die Vorinstanzen erachteten die Nichtanrechnung dieser Zeiten unter Verweis80 auf die Rsp des EuGH (vor allem Rs Hütter [18.6.2009, C-88/08] und Starjakob [28.1.2015, C-417/13]) und des OGH (zB 20.3.2015, 9 ObA 15/15v; 29.4.2015, 9 ObA 16/15s, 9 ObA 19/15g) als altersdiskriminierend und gaben dem Begehren statt.

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision richtet sich die Bekl gegen die von den Vorinstanzen bejahte Vergleichbarkeit der Tätigkeit der Postpraktikanten mit jener der regulären, volljährigen Postmitarbeiter. Die außerordentliche Revision der Bekl war mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Bei der Anrechnung von Vordienstzeiten aus einer einschlägigen Berufstätigkeit nach § 26 Abs 3 VBG ist entscheidend, ob die Vortätigkeit von einer derart qualifizierten Bedeutung ist, dass der durch sie verursachte Erfolg der Verwendung ohne die Vortätigkeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben wäre (RIS-Justiz RS0082096 [T2]). Dies hängt naturgemäß von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

Unter Diskriminierungsaspekten entspricht es auch der Rsp des EuGH, dass bei der Frage nach der Gleichwertigkeit von Arbeit stets eine Gesamtheit von Faktoren maßgebend ist, wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen (EuGH 28.2.2013, C-427/11, Kenny ua, Rn 27). Auch diese Beurteilung kann nur nach Maßgabe der Umstände des Falls erfolgen. Sie weist hier keinen Korrekturbedarf auf.

Die Bekl beruft sich zunächst auf die OGH-E vom 7.2.2008, 9 ObA 76/07b, in der eine Differenzierung zwischen der Überstundenentlohnung von jugendlichen Lehrlingen und jener von Lehrlingen, die bereits das 18. Lebensjahr überschritten hatten, wegen der sehr starken Beschränkung der Einsatzmöglichkeit der jugendlichen Lehrlinge (Kinderund Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz [KJBG]) für gerechtfertigt erachtet wurde.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zwischen der Dienstzeit als Postpraktikant einerseits und der Dienstzeit als Postmitarbeiter andererseits wesensmäßig keinen ausreichenden Unterschied feststellen können. Diese Beurteilung ist nicht weiter zu beanstanden, wenn man in einer Gesamtbetrachtung der Faktoren bedenkt, dass die Postpraktikanten – anders als die Lehrlinge – grundsätzlich in gleicher Weise wie volljährige Mitarbeiter eingesetzt wurden. Jugendschutzbedingte Beschränkungen ergaben sich daraus, dass Postpraktikanten nicht zu Nachtdiensten herangezogen wurden und bei körperlich beschwerlichen Arbeiten auf ihre Konstitution Bedacht genommen wurde. Sonst bestanden Beschränkungen für Postpraktikanten beim Geldverkehr. Mangels Führerscheins waren sie nicht als Landpostzusteller, sondern als Ortszusteller einsetzbar, wobei ihnen Zustellbezirke in derselben Größenordnung wie volljährigen Mitarbeitern zugewiesen wurden. Die Einschulungen und das höhere Ausbildungsniveau als bei volljährigen Mitarbeitern sicherten den Postpraktikanten andererseits die Verwendung in allen postinternen Funktionen, sodass eine Karrieremöglichkeit bis in die untere Führungsebene garantiert war. Anders als in der OGH-E 9 ObA 76/07b bestehen hier keine ausreichenden spezifisch jugendschutz- und bildungspolitischen Ziele für die von der Bekl begehrte Differenzierung. In der nachfolgenden E des EuGH Rs Hütter wurde das Kriterium des Alters zur Erreichung bildungspolitischer Ziele auch nicht als angemessen erachtet (Rn 48 ff).

Die Bekl macht unter Berufung auf die Entscheidungen des EuGH vom 11.5.1999, C-309/97, Angestelltenbetriebsrat der Gebietskrankenkasse und Rs Kenny ua geltend, dass nicht nur die tatsächlichen Einsätze, sondern auch unterschiedliche potenzielle Einsatzmöglichkeiten eine Differenzierung rechtfertigen. Auch in diesem Zusammenhang reichen die genannten Unterschiede für die gewünschte Differenzierung jedoch nicht aus.