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Unfallversicherungsschutz bei Abschießen eines Feuerwerks beim Empfang für Feuerwehrjugend nach Wettkampfsieg

FRANJOMARKOVIC

Der Unfallversicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG erstreckt sich auch auf Unfälle, die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren in Ausübung von Aktivitäten erleiden, die in den jeweiligen Satzungen der Organisationen festgeschrieben sind und der Aufbringung der Mittel zur Erfüllung ihrer altruistischen Aufgaben dienen.

War die konkrete Veranstaltung, mit der ein überregionaler Erfolg der Feuerwehrjugend im Ort „sichtbar“ gemacht wurde, objektiv geeignet, gerade auch das Interesse bisher fern stehender Jugendlicher für die Tätigkeit in der Feuerwehrjugend zu wecken und diente so dem gesetzlichen Ziel der Sicherung der Jugendarbeit iSd § 1 Abs 2 oö Feuerwehrgesetz, so handelt es sich dabei unter den konkreten Gegebenheiten um Öffentlichkeitsarbeit, die unter Unfallversicherungsschutz steht. In diesem Fall ist auch der Unfallversicherungsschutz für einen ehrenamtlichen Mitarbeiter zu bejahen, der in seiner Funktion als ehrenamtliches Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr als Abschluss des offiziellen Teils des Empfangs ein Feuerwerk abschoss.

SACHVERHALT

Der Kl ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr B und dort für die Jugendarbeit zuständig. Die Sicherung der Jugendarbeit ist nach der Dienstordnung für öffentliche Feuerwehren des Landes Oberösterreich Aufgabe der Organe der Freiwilligen Feuerwehr. Um den Sieg der Jugendfeuerwehrgruppe bei einem österreichweiten Bundeswettbewerb zu feiern, wurde am nächsten Tag ein öffentlicher Empfang organisiert. Dafür wurden Vertreter der Politik und die Musik verständigt sowie eine Feuerwerks-Batterie für ein Feuerwerk zum Abschluss des Empfangs besorgt. Nach Ende der Ansprachen zündete der Kl als Abschluss des offiziellen Teils des Empfangs wie vereinbart die Batterie, die jedoch zu früh entfachte und den Kl am linken Auge verletzte.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl lehnte die Anerkennung des Unfalls des Kl als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der UV ab. Der Kl begehrte die Anerkennung als Arbeitsunfall und die Zuerkennung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß. Bei der ausgeübten Tätigkeit habe es sich um einen Teil der Jugendarbeit, hilfsweise um eine sogenannte „Umgebungstätigkeit“ gehandelt, die der Erhaltung der Freiwilligen Feuerwehr gedient habe. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Abschießen eines Feuerwerks, das zeitlich und örtlich viel später als der eigentliche Wettkampf stattgefunden habe, diene nicht der Sicherung der Jugendarbeit. Auch liege keine „Umgebungstätigkeit“ vor, weil das Abschießen eines Feuerwerks im Zug eines Empfangs nicht der Aufbringung von Mitteln zur Erfüllung altruistischer Zwecke diene.

Der OGH gab der außerordentlichen Revision des Kl Folge und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurück.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.3 Der Unfallversicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG wurde mit der 55. ASVG-Novelle (BGBl I 1998/138) erweitert. Diese Bestimmung lautet seither: ‚… bei Tätigkeiten, die die Mitglieder der in lit a genannten Organisationen darüber hinaus im Rahmen ihres gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereiches ausüben, wenn sie für diese Tätigkeiten keine Bezüge erhalten, in die Zusatzversicherung in der Unfallversicherung einbezogen sind und einen Antrag gemäß § 22a Abs 4 erster Satz stellen.

Der erweiterte Unfallversicherungsschutz sollte sich nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf Unfälle erstrecken, die Mitglieder ua der Freiwilligen Feuerwehren etwa auch in Ausübung von Aktivitäten erleiden, die in den jeweiligen Satzungen (Statuten usw) der Organisationen festgeschrieben sind und der Aufbringung der Mittel zur Erfüllung ihrer altruistischen Aufgaben dienen (‚Umgebungstätigkeiten‘; 10 ObS 208/03s, SSV-NF 17/122). Korrespondierend mit dieser neuerlichen Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes wurde der Beitrag für Zusatzversicherte angehoben (§ 74a Abs 1 ASVG, ErläutRV 1234 BlgNR 20. GP 30).

[…]

2.4 Geschützt sind nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG daher nur Tätigkeiten, die in einem Zusammenhang mit der Verwirklichung des (auf Grundlage des Gesetzes oder der Satzung erfolgenden) gemeinnützigen Tätigwerdens stehen. Dazu gehören jedenfalls die Öffentlichkeitsarbeit (10 ObS 153/07h; (10 ObS 42/17z), aber auch Hilfstätigkeiten, wenn sie der Einnahme von Spenden zur Finanzierung der Organisation dienen, wie zB die Beteiligung an ortsüblichen Festtagsmärkten, die Veranstaltung eines Feuerwehrfests oder eines Feuerwehrheurigen (zB (2 Ob 74/14t = ecolex 2015/5, 24 [Schoditsch], Errichtung eines Verkaufsstands der Freiwilligen Feuerwehr für einen Weihnachtsmarkt). Betriebssport oder betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen sind bei ehrenamtlichen Mitgliedern von in § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG genannten Organisationen hingegen generell nicht versichert, weil der Schutz auf die in § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG genannten Tätigkeiten beschränkt ist ((10 ObS 42/17z).246

3.1 Im Schrifttum führt Müller (SV-Komm § 176 Rz 122 ff) ergänzend aus, dass dann, wenn Hilfstätigkeiten für die Organisation zwar nicht unbedingt erforderlich seien, aber von deren Organen als nützlich und zweckmäßig angesehen würden, zum Zweck einer objektiven Grenzziehung – nicht anders als bei Gewerbetreibenden – zu untersuchen sei, ob diese Hilfstätigkeiten der geschützten Tätigkeit (also dem ‚satzungsmäßigen Wirkungsbereich‘, dem Ansehen der Organisation, deren Medienpräsenz usw) objektiv dienlich und auch subjektiv in dieser Intention entfaltet worden seien. Auf einen unmittelbar eintretenden wirtschaftlichen Nutzen komme es dabei nicht an. Jedenfalls seien aber Hilfstätigkeiten nützlich und daher unfallversicherungsrechtlich geschützt, wenn sie dazu dienten, finanzielle Mittel (insbesondere Spenden) zur Finanzierung der betreffenden Organisation zu erlangen (Rz 124). Eine Veranstaltung eines Festes, welches objektiv als Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit gelten könne und auch in dieser Absicht gestaltet wurde, zähle daher als Hilfstätigkeit zum satzungsmäßigen Wirkungsbereich, weil die Außendarstellung einer Organisation (damals konkret: des Roten Kreuzes) in der Regel ein zulässiges Instrument zur Erreichung des Vereinszwecks sein werde; ein allzu strenger Maßstab sei nicht angebracht (R. Müller, Entscheidungsanmerkung zu (10 ObS 153/07h, DRdA 2009/38, 398 [400]).

[…]

4.1 Im konkreten Fall ist zunächst zu beachten, dass der Kläger das Feuerwerk, bei dessen Entzünden er sich verletzte, nicht isoliert, sondern im Rahmen des von ihm und anderen Betreuern der Jugendfeuerwehrgruppe geplanten und organisierten Empfangs abschoss. Das Feuerwerk bildete nach den Feststellungen den Abschluss des offiziellen Teils dieser Veranstaltung. Um daher die Frage des Unfallversicherungsschutzes des Klägers bei der von ihm verrichteten Hilfstätigkeit – Abschießen des Feuerwerks – beurteilen zu können, darf dieses nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr muss die Frage beurteilt werden, ob die Veranstaltung zum Empfang der Jugendlichen als solche unter Unfallversicherungsschutz gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG stand.

4.2 Die ‚Sicherung der Jugendarbeit‘ ist nicht bloß ein von der DO vorgegebenes Ziel der Feuerwehr. Vielmehr ist eine gezielte Jugendarbeit zur Sicherung des Bestands und der Verfügbarkeit der Feuerwehren ein vom Landesgesetzgeber definiertes Ziel der Feuerwehren (§ 1 Abs 2 des oö Feuerwehrgesetzes 2015, LGBl 2014/104). Es ist daher zu prüfen, ob der Empfang der Jugend mit einem Festakt eine Tätigkeit war, die die Mitglieder der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr im Rahmen des gesetzlichen Wirkungsbereichs dieser Organisation im Sinn des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG ausübten.

4.3 Nach den Feststellungen verfolgten die Betreuer der Jugendlichen die subjektive Intention, diesen einen (festlichen) Empfang aufgrund ihres österreichweiten Erfolgs beim tags zuvor stattgefundenen Wettbewerb zu bereiten. Dabei sollte es sich nicht bloß um eine interne Gemeinschaftsveranstaltung handeln, sondern um eine öffentliche Veranstaltung unter Beteiligung von – auch überregionalen – Vertretern der Politik und der Feuerwehr. Der Ablauf der Veranstaltung – Umzug, Ansprachen, Fototermine – diente vor dem konkreten Hintergrund des keineswegs alltäglichen Erfolgs der örtlichen Feuerwehrjugend zweifellos dem Ansehen der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr und wurde von den Veranstaltern auch in dieser Intention entfaltet. Die Außendarstellung eines Vereins wie der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr ist – unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Unfallversicherung – in der Regel ein zulässiges Instrument zur Erreichung des Vereinszwecks, wozu neben der Erhöhung des Ansehens und der Förderung der Bereitschaft zu spenden auch gehört, das Interesse bisher fernstehender Personen für eine ehrenamtliche Tätigkeit zu wecken (Müller, DRdA 2009/38, 400). Die konkrete Veranstaltung, mit der ein überregionaler Erfolg der Feuerwehrjugend im Ort ‚sichtbar‘ gemacht wurde, war objektiv geeignet, gerade auch das Interesse bisher fernstehender Jugendlicher für die Tätigkeit in der Feuerwehrjugend zu wecken und diente so dem gesetzlichen Ziel der Sicherung der Jugendarbeit im Sinn des § 1 Abs 2 oö Feuerwehrgesetz. Es handelt sich dabei unter den konkreten Gegebenheiten um Öffentlichkeitsarbeit, die wie ausgeführt unter Unfallversicherungsschutz steht ((10 ObS 153/07h; (10 ObS 42/17z; Müller in SV-Komm § 176 Rz 125).

4.4 Die Wahl des Mittels zur Außendarstellung muss man auch unter den Aspekten des Schutzbereichs der Unfallversicherung grundsätzlich in die Hand der Organe legen (Müller, DRdA 2009/38, 400). Unterliegt – wie im vorliegenden Fall – eine Veranstaltung dem Schutzbereich der Unfallversicherung, so ist auch der Unfallversicherungsschutz für einen ehrenamtlichen Mitarbeiter zu bejahen, der dort in einer Funktion tätig wird (also mit einer Tätigkeit beauftragt wird), und – zur Wahrung des geforderten unmittelbaren Zusammenhangs – nur solange er in dieser Funktion an diesem Fest teilnimmt (Müller, DRdA 2009/38, 401). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil der Kläger das Feuerwerk wie ausgeführt in seiner Funktion als ehrenamtliches Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr als Abschluss des offiziellen Teils des Empfangs abschoss. Dass das Verhalten des Klägers beim Zünden des Feuerwerks in so hohem Maß vernunftwidrig gewesen wäre und zu einer solchen besonderen Gefährdung geführt hätte, dass die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen wäre (RIS-Justiz RS0084133), ergibt sich weder aus den Feststellungen, noch hat die Beklagte ein derartiges Vorbringen erstattet.

5.1 Ausgehend davon liegt ein einem Arbeitsunfall gleichgestellter Unfall des Klägers iSd § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG vor.“247

ERLÄUTERUNG

Nach § 176 ASVG sind bei einer Freiwilligen Feuerwehr Tätigkeiten im Rahmen der Ausbildung, der Übungen und des Einsatzes vom Unfallversicherungsschutz umfasst. Darüber hinaus sind auch Tätigkeiten der Mitglieder im Rahmen ihres gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereiches geschützt, wenn sie für diese Tätigkeiten keine Bezüge erhalten, in die Zusatzversicherung in der UV einbezogen sind und einen Antrag auf erweiterten Versicherungsschutz gem § 22a Abs 4 erster Satz gestellt haben. Der Kl ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr und dort für die Jugendarbeit, die nach der Dienstordnung zu seinen Aufgaben gehört, zuständig. Nach dem Sieg seiner Jugendfeuerwehrgruppe bei einem österreichweiten Wettbewerb hat der Kl einen öffentlichkeitwirksamen Empfang organisiert und wurde dabei verletzt. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob diese Veranstaltung dem Zweck der Sicherung der Jugendarbeit sowie dem Zweck der Öffentlichkeitsarbeit gedient hat und dieser Unfall somit den Unfallversicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG genießt.

In folgenden Fällen hat der OGH einen Unfallversicherungsschutz mangels Vorliegens einer noch dem satzungsmäßigen Wirkungsbereich zuzurechnenden „Umgebungstätigkeit“ abgelehnt: Private Berg- oder Skitouren von Bergrettungsmitgliedern, selbst wenn sie der generellen Ertüchtigung für einen Einzelfall dienen mögen (zB OGH 24.7.2008, 10 ObS 100/08s); organisierte Bergtour eines Bergrettungsvereins zum Entzünden eines Sonnwendfeuers auf einem Berggipfel, mag diese auch als Übung bezeichnet worden sein (OGH 2.12.2003, 10 ObS 208/03s); Vorbereitung einer Weinjause nach dem Arbeitseinsatz einer Freiwilligen Feuerwehr (OGH 5.6.2007, 10 ObS 63/07y); zweitägiger Skiausflug einer Jugendgruppe des Roten Kreuzes (OGH 5.6.2012, 10 ObS 70/12k); Reparatur einer Satellitenanlage auf dem Dach eines Feuerwehrhauses (OGH 18.5.2017, 10 ObS 42/17z). Bei der Teilnahme an einer Besprechung zur Organisation und Durchführung eines Grillfests des Roten Kreuzes, das der Pflege des Kontakts mit befreundeten und anderen Hilfsorganisationen, mit denen eine Zusammenarbeit besteht, dienen sollte, handelte es sich hingegen um eine gem § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG geschützte Tätigkeit, weil die Organisation des örtlichen Hilfs- und Rettungswesens sowie die Zusammenarbeit mit anderen Vereinigungen und Hilfsorganisationen, die ähnliche Zwecke verfolgen, satzungsmäßige Aufgabe des Roten Kreuzes ist (OGH 18.12.2007, 10 ObS 153/07h).

Im konkreten Fall sieht der OGH die gesetzlichen Voraussetzungen als erfüllt. Bei einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung mit Umzug, Ansprachen und Fototerminen handelt es sich nach Ansicht des OGH jedenfalls um Öffentlichkeitsarbeit, weil das Ansehen der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr gesteigert wurde und objektiv geeignet war, gerade auch das Interesse bisher fernstehender Jugendlicher für die Tätigkeit in der Feuerwehrjugend zu wecken.

Da über das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit keine Feststellungen getroffen wurden, musste die Rechtssache an die erste Instanz zurückverwiesen werden.