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Muss Übergangsgeld gesondert beantragt werden?

MONIKAWEISSENSTEINER (WIEN)
  1. Übergangsgeld nach § 306 ASVG idF des SRÄG 2012 steht jüngeren Versicherten nur mehr subsidiär zu.

  2. Die Antragsfiktion des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG erfasst nicht das Übergangsgeld. Der Versicherte muss einen ausdrücklichen Antrag auf Übergangsgeld stellen.

  3. Der mögliche Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens ist nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG durch den Antrag, den Bescheid und das Klagebegehren dreifach eingegrenzt.

Der 1975 geborene Kl hat die Berufe Schierzeuger und Betriebsschlosser erlernt und war im Beobachtungszeitraum länger als 90 Beitragsmonate als Facharbeiter [...] erwerbstätig. Seit 1.1.2015 liegt dauernde Invalidität vor. Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation sind nicht zweckmäßig. Eine berufliche Integration durch Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im Umschulungsberuf Finanz- und Rechnungswesenassistent mit Lehrabschluss ist jedoch möglich.

Mit Bescheid vom 12.3.2015 lehnte die Bekl den Antrag des Kl vom 2.12.2014 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension mangels dauernder Invalidität ab und sprach aus, dass vorübergehende Invalidität im Ausmaß von mindestens sechs Monaten nicht vorliege, daher kein Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation bestehe und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien.

Mit seiner Klage begehrt der Kl zuletzt [...] die Feststellung, dass bei ihm ab 1.1.2015 dauernde Invalidität vorliege, er ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf zweckmäßige und zumutbare Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation und auf Übergangsgeld gem § 306 ASVG bis zum Entstehen des Anspruchs auf Umschulungsgeld habe.

Die Bekl stellte das Vorliegen der dauernden Invalidität sowie die Zweckmäßigkeit von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation außer Streit.

Umstritten blieb in erster Instanz die Rechtsfrage, ob dem Kl zwischen Stichtag (1.1.2015) und dem Zeitpunkt der bescheidmäßigen oder gerichtlichen Feststellung einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld iSd § 306 ASVG zusteht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der dauernd invalide Kl habe weder Anspruch auf Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG noch auf Umschulungsgeld iSd § 39b AlVG, sondern auf Übergangsgeld nach § 306 ASVG. [...] Auch nach der neuen Rechtslage könne [...] nur der Stichtag für die Leistungsfeststellung maßgeblich sein. Das Übergangsgeld diene als Ausgleich für das Fehlen eines Erwerbseinkommens. [...]

Aus Anlass der Berufung der Bekl hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil einschließlich des vorangegangenen Verfahrens im Umfang des Begehrens auf Übergangsgeld als nichtig auf und wies die Klage insoweit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Nach § 361 Abs 1 Satz 2 ASVG [...] gelte ein Antrag auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld sowie auf Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar seien. Einen Antrag auf Gewährung von Übergangsgeld fingiere das Gesetz nach seinem Wortlaut nicht. [...] § 367 Abs 1 Z 2 ASVG, der die Pflicht zur Erlassung von Bescheiden regle, erwähne ausdrücklich den Antrag auf Gewährung von Übergangsgeld aus der PV. [...]

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Kl ist nach § 519 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 2 ASGG zulässig [...], aber nicht berechtigt.

1.1 Leistungsansprüche in der PV sind von den Versicherungsträgern nach § 361 Abs 1 Satz 1 ASVG auf Antrag festzustellen.

1.2 Der 1975 geborene Kl hat am 2.12.2014 einen Antrag auf Zuerkennung von Invaliditätspension gestellt. Nach § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG in der hier anzuwendenden (§ 688 Abs 1 Z 2 ASVG) Fassung des SVAG 2014, BGBl I 2015/2, gilt sein338Antrag vorrangig als Antrag auf Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation sowie von Rehabilitationsgeld sowie auf Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, einschließlich der Feststellung des Berufsfeldes.

1.3 Das Übergangsgeld wird in § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG nicht genannt.

1.4 Der Kl sieht es als Redaktionsversehen, dass die Antragsfiktion des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG das Übergangsgeld als Geldleistung bei der Gewährung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen nicht erfasst. [...] Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, für nach dem 1.1.1964 Geborene eine Versorgungslücke schaffen zu wollen. Eine unsachliche Differenzierung innerhalb der Gruppe der jüngeren Versicherten sieht der Kl darin, dass die Antragsfiktion des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen das Rehabilitationsgeld erfasst, in Fällen der beruflichen Rehabilitation jedoch nicht das Umschulungsgeld. [...]

1.5 Der erkennende Senat hält diese Argumentation zwar rechtspolitisch für verständlich, jedoch de lege lata nicht für stichhältig (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 ASGG).

2.1 [...] [Nur] eine planwidrige Gesetzeslücke ist durch Analogie zu schließen (RIS-Justiz RS0008866 [T2]; RS0106092). Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn die Regelung eines Sachbereichs keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müsste (RIS-Justiz RS0008866 [T1]) oder wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RIS-Justiz RS0008866 [T27]). Dies trifft hier nicht zu.

2.2 Mit dem SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, wurde die Bestimmung des § 253e ASVG über die berufliche Rehabilitation als Pflichtleistung in der PV mit Ablauf des 31.12.2013 aufgehoben [...]. Ab dem 1.1.1964 geborene Personen (jüngere Versicherte) hatten seit dem SRÄG 2012 keinen Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation in der gesetzlichen PV. Für diese Personengruppe wurden berufliche Maßnahmen der Rehabilitation vom Arbeitsmarktservice (AMS) als Pflichtleistung aus der AlV gewährt. Während dieser Zeit erhält der Betroffene ein Umschulungsgeld nach § 39b AlVG. [...] Das SVAG 2016 führte § 253e als Pflichtleistung in der PV erst ab 1.1.2017 für alle Versicherungsgruppen wieder ein. [...]

2.3 Übergangsgeld während der Dauer der Gewährung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation oder einer Ausbildung nach § 198 Abs 2 Z 1 ASVG wurde jüngeren Versicherten nach § 306 Abs 1 ASVG idF des SRÄG 2012 nur mehr subsidiär geleistet. Es steht nur dann zu, wenn kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld (§ 143a) oder Umschulungsgeld (§ 39b AlVG) besteht (Sonntag in Sonntag, ASVG8 § 306 Rz 1). Auf ältere Versicherte war § 306 ASVG idF des BBG 2011 hingegen weiter anzuwenden [...]. Ihnen gebührt nach § 306 Abs 1 Satz 3 ASVG aF Übergangsgeld bei Gewährung beruflicher Rehabilitation nach § 253e oder § 270e ab dem Stichtag für die Leistungsfeststellung. [...]

2.4 Die mit dem SRÄG 2012 geschaffene Differenzierung zwischen älteren und jüngeren Versicherten betraf – soweit hier relevant – die Frage, welcher Versicherungsträger welche Geldleistungen aus der beruflichen Rehabilitation vorrangig zu leisten hat: Die AlV das Umschulungsgeld an jüngere Versicherte, die PV Übergangsgeld an ältere Versicherte und – ausnahmsweise – an jüngere Versicherte.

2.4 Unverändert blieb das in § 361 Abs 1 Satz 1 (auch) für die PV verankerte Antragsprinzip. Eine Leistungsgewährung ist grundsätzlich nur über Antrag zulässig (RIS-Justiz RS0085092), was für ältere und jüngere Versicherte gleichermaßen gilt.

2.5 Nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ kommt eine Pension aus geminderter Arbeitsfähigkeit als ultima ratio nur dann in Betracht, wenn Rehabilitationsmaßnahmen ohne Aussicht auf Erfolg sind (RIS-Justiz RS0113173).

2.6 Dieses – nicht zwischen älteren und jüngeren Versicherten unterscheidende – Prinzip wurde im österreichischen Sozialversicherungsrecht bereits mit dem Strukturanpassungsgesetz BGBl 1996/201 in der Form verankert, dass der Antrag auf eine Pension wegen verminderter Arbeitsfähigkeit nach § 361 zweiter Satz ASVG gleichzeitig als Antrag auf Rehabilitation galt (10 ObS 53/02w; SSV-NF 16/24). Seit 1.1.2011 gilt ein solcher Pensionsantrag vorrangig als Antrag auf Rehabilitation sowie seit dem 1.1.2014 aufgrund der mit dem SRÄG 2012 geschaffenen Änderungen auch auf das Rehabilitationsgeld. Mit dem SVAG 2014 wurde die Umdeutung des Pensionsantrags in einen vorrangigen Antrag auf Leistungen der Rehabilitation weiter konkretisiert, auch die Feststellung des Berufsfeldes zählt nun dazu. [...]

2.7 § 361 Abs 1 ASVG idF des SRÄG 2012 ist nach § 669 Abs 1 Z 2 ASVG mit 1.1.2014 in Kraft getreten. [...] Die Erweiterung der Antragsfiktion in § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG durch das SVAG 2014, BGBl 2015/2BGBl 2015/2, ist rückwirkend am 1.1.2014 in Kraft getreten (§ 688 Abs 1 Z 2 ASVG). Eine Differenzierung zwischen älteren und jüngeren Versicherten findet sich nach wie vor nicht. Beide Gruppen sind einander gleichgestellt, soweit es Antragsprinzip und Antragsfiktion betrifft.

2.8 Dass das Rehabilitationsgeld, nicht aber Geldleistungen im Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitation in § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG genannt werden, ist mit seiner Funktion zu erklären: Der Gesetzgeber hat das Rehabilitationsgeld mit dem SRÄG 2012 als Ersatz für die befristete Invaliditätspension geschaffen. Personen, deren Pensionsantrag mangels dauernder Invalidität abgelehnt wurde, bei denen jedoch bescheidmäßig das Vorliegen vorübergehender Invalidität im Ausmaß von mindestens sechs Monaten festgestellt wird, sollen Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Bereich der KV haben. [...]

2.9 Es kann dem Gesetzgeber vor diesem Hintergrund nicht unterstellt werden, dass er nach der grundlegenden Systemänderung durch das SRÄG 2012 bei der Erweiterung der Antragsfikti-339on das (jüngeren Versicherten nur mehr subsidiär zustehende) Übergangsgeld vergessen hat. Die Antragsfiktion des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG erfasst nicht das Übergangsgeld. Der Versicherte muss einen ausdrücklichen Antrag auf Übergangsgeld stellen. Dafür spricht auch – worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat – die einen Antrag auf Übergangsgeld erwähnende Bestimmung des § 367 Abs 1 Z 2 ASVG.

3.1 Der Versicherte darf in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG eine Klage nur erheben, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. „Darüber“ bedeutet, dass der Bescheid über den der betreffenden Leistungssache zugrundeliegenden Anspruch ergangen sein muss. Der mögliche Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist durch den Antrag, den Bescheid und das Klagebegehren dreifach eingegrenzt (Neumayr in ZellKomm2 § 67 ASGG Rz 4 mwN; RIS-Justiz RS0124349; RS0105139). [...]

3.2 Der Kl hat am 2.12.2014 bei der Bekl einen Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension gestellt. Die Bekl hat in ihrem ablehnenden Bescheid vom 12.3.2015 iSd § 367 Abs 4 ASVG in der damals noch anzuwendenden Fassung des SVAG 2014, BGBl I 2015/2, entschieden, dass weder dauernde noch vorübergehende Invalidität vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig sind. Ein – nicht gestellter – Antrag auf Übergangsgeld war nicht Gegenstand ihrer Entscheidung.

ANMERKUNG

Der 1975 geborene Kl fällt in den Anwendungsbereich der sogenannten „Invaliditätspension neu“ gemäß Sozialrechts-Änderungsgesetz (SRÄG) 2012 (BGBl I 2013/3). Unstrittig ist, dass er die Berufe Schierzeuger und Betriebsschlosser erlernt und auch in mehr als 90 Monaten im Beobachtungszeitraum ausgeübt hat. Das Vorliegen von Invalidität ist gem § 255 Abs 1 und 2 ASVG zu prüfen. Während die Bekl im Bescheid sogar das Vorliegen vorübergehender Invalidität verneinte, stellte sich im Sozialgerichtsverfahren auf Grund der Sachverständigengutachten das Vorliegen dauernder Invalidität heraus. Zugleich wurde auch die Zweckmäßigkeit von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation durch Umschulung zum Finanz- und Rechnungswesenassistenten außer Streit gestellt. Der OGH bestätigt, dass auch sogenannte jüngere Versicherte (ab Geburtsjahrgang 1964) Anspruch auf Übergangsgeld nach § 306 Abs 1 ASVG haben können. Das Klagebegehren auf Gewährung von Übergangsgeld im vorliegenden Fall wird dennoch zurückgewiesen, weil kein gesonderter Antrag gestellt worden sei. Versucht man die zahlreichen Änderungen der Anspruchsvoraussetzungen des materiellen Rechts (§§ 253e, 254 Abs 1 Z 1 und 2, 306 ASVG) und die entsprechend novellierten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen (§§ 361 Abs 1, 367 Abs 1 und 4 ASVG) der letzten Jahre in Kombination mit den Prinzipien der sukzessiven Kompetenz (§§ 65, 67, 71 ASGG) zu interpretieren, kann dieser Entscheidung nicht zugestimmt werden.

1.
Verfahren vor dem Versicherungsträger
1.1.
Antrag (§ 361 ASVG)

Der Kl stellte am 2.12.2014 den Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension, der von der Bekl mit Bescheid vom 12.3.2015 abgelehnt wurde. Es liege keine dauernde, aber auch keine vorübergehende Invalidität im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vor; es bestehe kein Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation seien nicht zweckmäßig.

Gem § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG idF des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG, BGBl I 2015/2), das am 13.1.2015 kundgemacht wurde (also vor der Erlassung des Bescheids), gilt ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension) vorrangig als Antrag auf eine Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld sowie auf Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, einschließlich der Feststellung des Berufsfeldes. Seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl 1996/201) galt der Antrag auf eine Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension auch als Antrag auf Leistungen der Rehabilitation. Damit sollte der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ dadurch verstärkt werden, dass der Pensionsantrag gleichzeitig ohne – bis dahin erforderliche – Einholung der Zustimmung des Behinderten zur Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen als Antrag auf Rehabilitation galt (ErläutRV 72 BlgNR 20. GP 249). Mit dem BudgetbegleitG 2011 (BGBl I 2010/111) wurde dann ab 1.1.2011 dieses Prinzip noch einmal verstärkt, in dem „auch“ durch „vorrangig“ ersetzt wurde; es blieb aber bei der umfassenden Formulierung „auf Leistungen der Rehabilitation“. Mit dem SRÄG 2012 (BGBl I 2013/3) wurde ab 1.1.2014 die Wortfolge „einschließlich des Rehabilitationsgeldes“ eingefügt, um die versicherte Person von einer weiteren (separaten) Antragstellung zu entlasten (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 26). Mit der nun seit dem Inkrafttreten des SVAG (BGBl I 2015/2) rückwirkend ab 1.1.2014 geltenden Fassung mit der Aufzählung einzelner Leistungen (Leistung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation und Rehabilitationsgeld, Feststellung, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, einschließlich der Feststellung des Berufsfeldes), die „als beantragt gelten“, wollte der Gesetzgeber die Bestimmung so konkretisieren, dass damit das gesamte Spektrum der medizinischen und beruflichen Rehabilitation abgedeckt wird (ErläutRV 321 BlgNR 25. GP 8; vgl auch Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 361 ASVG Rz 24). Die Begründung des340OGH, dass der Gesetzgeber bewusst nur das die „befristete Invaliditätspension ersetzende Rehabilitationsgeld“ angeführt und das subsidiär immer noch zustehende Übergangsgeld nicht in § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG aufgenommen hat, überzeugt nicht, vor allem, wenn man die Bestimmung in Zusammenschau mit § 367 Abs 4 ASVG sieht.

1.2.
Bescheid (§ 367 ASVG)

Bereits seit 1.1.1977 (32. ASVG Novelle, BGBl 1976/704) wird das Übergangsgeld aus der PV gem § 306 ASVG auch in § 367 (Abs 1) ASVG erwähnt. Ein Bescheid ist zu erlassen, wenn die beantragte Leistung abgelehnt wird und der Versicherte einen Bescheid verlangt. § 306 ASVG eröffnete den Anspruch auf Übergangsgeld aus der PV für die Dauer der Gewährung von beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation, aber auch bei medizinischen Maßnahmen (§ 306 ASVG idF der 32. Novelle; ErläutRV 181 BlgNR 14. GP 43). Die Leistungen der Rehabilitation wurden damals nicht als Leistungen mit Rechtsanspruch, sondern als Leistungsverpflichtung der Versicherungsträger verankert. Allerdings mit Ausnahmen: Entzog sich der Versicherte einer Rehabilitationsmaßnahme, weil sie ihm nicht zumutbar erschien und versagte der Träger die Pension, konnte das Schiedsgericht angerufen werden (ErläutRV BlgNR 181 14. GP 50). Weiters wurde in den Erläuterungen ausgeführt, dass auf das Übergangsgeld ein individueller Rechtsanspruch besteht. Der Pensionsversicherungsträger hat (!) für die Dauer der Maßnahmen das Übergangsgeld zu leisten; aus diesem Grund sah § 367 Abs 1 ASVG ausdrücklich eine Bescheidpflicht bei Antragstellung auf Übergangsgeld vor. Der Versicherte konnte somit seit Inkrafttreten der 32. Novelle zwar den Anspruch auf Rehabilitation nicht durchsetzen, sehr wohl aber den Anspruch auf Übergangsgeld. Mit dem BudgetbegleitG 2011 wurde in § 367 ASVG dann nach dem Übergangsgeld die Wortfolge „oder auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation“ eingefügt und ab 1.1.2014 dann durch „medizinische“ Maßnahmen ersetzt. Diese Novellierungen in § 367 ASVG (einer verfahrensrechtlichen Bestimmung) erfolgten jeweils in Zusammenhang mit Änderungen des materiellen Rechts: Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 war in § 253e ASVG ein Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation eingeführt worden, der mit dem SRÄG 2012 für ab 1.1.1964 geborene Versicherte abgeschafft, durch das SVÄG 2017 aber wieder eingeführt wurde (siehe unter Pkt 2.). Seit dem SRÄG 2012 wurde in § 367 Abs 4 ASVG – mittlerweile ebenfalls mehrfach novelliert – die Erlassung eines Bescheids in Zusammenhang mit einem Antrag auf Invaliditätspension gesondert geregelt. Der Versicherungsträger hat in Fällen, in denen Invalidität nicht dauernd vorliegt, jedenfalls mit Bescheid darüber abzusprechen. Es ist zu entscheiden, ob vorübergehende Invalidität vorliegt und ab wann diese vorliegt und ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind; eingefügt wurde auch die Verpflichtung, über den Anspruch auf Rehabilitationsgeld abzusprechen (BGBl I 2015/2). Der Anspruch auf Übergangsgeld blieb subsidiär bestehen, eine gesonderte Pflicht des Versicherungsträgers zur Feststellung des Anspruchs in § 367 Abs 4 ASVG findet man nicht; hier kann sehr wohl eine planwidrige Lücke gesehen werden. Der OGH nimmt in der vorliegenden Entscheidungsbegründung nur auf § 367 Abs 1 ASVG Bezug (siehe vor allem Pkt 2.9. letzter Satz – gemeint wohl § 367 Abs 1 Satz 2 iVm Z 2), obwohl wie ausgeführt für Anträge auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit § 367 Abs 4 ASVG präjudiziell ist.

2.
Vorliegen dauernder Invalidität und Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation (§§ 253e, 254 ASVG)

Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 2.12.2014 und der Bescheiderlassung am 12.3.2015 bestand für den Kl kein Rechtsanspruch auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation, weil § 253e ASVG durch das SRÄG 2012 (BGBl I 2013/3) ab 1.1.2014 für Versicherte ab dem Geburtsjahrgang 1964 aufgehoben worden war. Die beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen wurden vom AMS als Pflichtleistung gewährt und es bestand Anspruch auf Umschulungsgeld gem § 39b AlVG „ab der Feststellung des Pensionsversicherungsträgers, wenn die Geltendmachung binnen vier Wochen erfolgt“. Ab 1.1.2017 wurde § 253e ASVG durch das SVÄG 2016 (BGBl I 2017/29, neu formuliert durch das SVÄG 2017, BGBl I 2017/38) wieder eingeführt. Diese Änderung der Rechtslage ist im vorliegenden Sachverhalt zu beachten, weil der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 31.3.2017 erfolgte.

In Erinnerung gerufen werden muss, dass die PVA das Vorliegen dauernder, aber auch vorübergehender Invalidität verneint hatte. Mit Einbringung der Klage war der Bescheid außer Kraft getreten (§ 71 ASGG), nach stRsp tritt der gesamte Bescheid außer Kraft, weil infolge der inhaltlichen Verknüpfung des Anspruchs auf Invaliditätspension und beruflicher Rehabilitation eine Trennung nicht möglich ist (RS0084896, RS0086568). Das Sozialgericht hat das Verfahren neu zu führen und alle Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Es muss auch die negative Anspruchsvoraussetzung nach § 254 Abs 1 Z 2 ASVG prüfen (vgl ua OGH 25.11.2014, 10 ObS 93/14w; damals entsprach Z 1 der nunmehrigen Z 2); dies geschieht im vorliegenden Fall. Im Sozialgerichtsverfahren stellt sich das Vorliegen dauernder Invalidität heraus, auch eine konkrete, zumutbare und zweckmäßige berufliche Rehabilitationsmaßnahme wurde geprüft und gefunden. Von der Bekl wird das Vorliegen der dauernden Invalidität ebenso wie die Zweckmäßigkeit der beruflichen Rehabilitation außer Streit gestellt. Das Erstgericht gibt dem Klagebegehren statt und spricht auch das Übergangsgeld nach § 306 ASVG zu, weil weder Anspruch auf Rehabilitationsgeld noch auf Umschulungsgeld bestehe und das Klagebegehren entsprechend geändert wurde. Erstmals wird dem Kl somit die Maßnahme der beruflichen Rehabilitation und die Geldleistung zugesprochen.341

Das Berufungsgericht hebt das Urteil und das Verfahren im Umfang des Begehrens auf Übergangsgeld jedoch auf und weist die Klage zurück. Ein Antrag auf Übergangsgeld werde nicht fingiert, § 306 Abs 1 letzter Satz, aus dem abgeleitet werden könne, dass Übergangsgeld auch ohne einen ausdrücklich darauf gerichteten Antrag zu leisten sei, sei für nach dem 31.12.1963 geborene Versicherte nicht anzuwenden. Dazu ist mA auszuführen, dass dann die Einfügung der Wortfolge „wenn kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld (§ 143a) oder Umschulungsgeld (§ 39b AlVG) besteht“ völlig ins Leere geht. Der Gesetzgeber führt in den Erläuterungen ausdrücklich aus, dass diese Leistung (nur mehr) subsidiär gebühren soll (ErläutRV 2000 25. GP 23). Der OGH bestätigt zwar, dass Übergangsgeld auch jüngeren Versicherten (ab Jahrgang 1964) ausnahmsweise zu leisten ist, bestätigt aber auch das OLG insoweit, als ein gesonderter Antrag notwendig sei. Auch in der Begründung des OGH bleibt offen, in welchen Fällen jüngere Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld haben.

3.
Welche Leistung gebührt ab welchem Zeitpunkt?

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass jüngeren Versicherten Rehabilitationsgeld, Umschulungsgeld und Übergangsgeld zustehen kann. Das Rehabilitationsgeld gem § 143a ASVG muss hier nicht weiter erörtert werden, weil letztlich dauernde Invalidität festgestellt wurde.

3.1.
Umschulungsgeld

Gem § 39b AlVG idF des SRÄG 2012, die hier anzuwenden war, hatten Personen, für die nach den entsprechenden Regelungen des ASVG bescheidmäßig festgestellt wurde, dass Invalidität (Berufsunfähigkeit) voraussichtlich im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind, Anspruch auf Umschulungsgeld. Das Umschulungsgeld gebührt ab der Feststellung des Pensionsversicherungsträgers, wenn die Geltendmachung binnen vier Wochen danach erfolgt, andernfalls erst ab Geltendmachung. Die Feststellung des Trägers oder des Gerichts kann mA erst mit dem Zugang einer diesbezüglichen Entscheidung (Bescheid, Urteil) angenommen werden. Die von Weiß (DRdA 2018/1, 64) vertretene Auffassung, dass das Umschulungsgeld ab dem Pensionsstichtag zu gewähren ist, zu der er mit einem „doppelfunktionalen Verständnis“ des Begriffs „Feststellung des Pensionsversicherungsträgers“ gelangt, versucht eine Versorgungslücke über einen Umweg zu vermeiden. In der Praxis des AMS findet diese Interpretation jedenfalls keine Anwendung.

3.2.
Übergangsgeld

Zum Anspruch auf Übergangsgeld gem § 306 ASVG wird in den Erläuterungen zur 32. ASVG Novelle (181 BlgNR 14. GP 43) ausgeführt, dass Anspruch auf Übergangsgeld in der PV (ebenfalls) für die Dauer einer im Rahmen von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen gewährten beruflichen Ausbildung besteht. Der Wortlaut war bereits damals, dass der Träger „Übergangsgeld zu gewähren hat“. Seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 galt der Antrag auf eine Invaliditätspension auch als Antrag auf Maßnahmen der Rehabilitation (siehe bereits 1.1.); weil die Pension seit diesem Zeitpunkt für die Zeit der Rehabilitationsmaßnahme gem § 86 Abs 3 Z 2 ASVG nicht anfällt, wurde auch § 306 ASVG geändert und für diese Zeit ein Anspruch auf Übergangsgeld, ab dem Zeitpunkt ab dem ohne Rehabilitationsmaßnahme die Pension angefallen wäre, eröffnet, um Versorgungslücken zu vermeiden (ErläutRV 886 20. GP 104). Seit dem BudgetbegleitG 2011 gebührte das Übergangsgeld „ab dem Zeitpunkt des Leistungsanfalls“ und seit dem SRÄG 2012 ab dem Stichtag für die Leistungsfeststellung (BGBl I 2011/122). Damit sollte ein kurzzeitiger Pensionsbezug zwischen Antragstellung und Anspruch auf Übergangsgeld vermieden werden (ErläutRV 1512 24. GP 11). In der geltenden Fassung des § 306 ASVG (SRÄG 2012) wird der Zeitpunkt des Leistungsbeginns nicht mehr normiert – darin kann mA eine weitere Rechtslücke erblickt werden.

Stellt sich das Vorliegen dauernder Invalidität – wie im vorliegenden Fall – erst im Sozialgerichtsverfahren heraus, sind seit dem Stichtag (1.1.2015) und dem Urteil erster Instanz (31.3.2017) viele Monate vergangen. Das Erstgericht ist seiner Anleitungspflicht nach § 182a ZPO offenbar nachgekommen und hat nach einer Änderung des Klagebegehrens auch das Übergangsgeld ab dem Stichtag zugesprochen. Nach dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz und der völligen Neudurchführung des Verfahrens wurde auch – erstmals – über den Anspruch auf Übergangsgeld entschieden.

4.
Ergebnis

Da das Umschulungsgeld gem § 39b AlVG vom AMS erst ab dem Zeitpunkt der Feststellung, dass Invalidität vorliegt und ein Rechtsanspruch auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation besteht – sei es durch den Pensionsversicherungsträger oder das Sozialgericht – und nach entsprechender Geltendmachung binnen vier Wochen gewährt wird, hat die Bekl das Übergangsgeld bis zum Leistungsanfall des Umschulungsgeldes zu leisten. Folgt man der Rechtsauffassung des OLG und des OGH, hätte mA eine Zurückverweisung an die erste Instanz erfolgen müssen, um den Parteien die Gelegenheit zur Erörterung zu geben, anstatt sie mit einer Rechtsauffassung zu überraschen, die zu einer teilweisen Nichtigerklärung des Verfahrens und einer Zurückweisung des Begehrens auf Übergangsgeld führte.342