Trost/Waldhör/IljkicUnselbstständig. Selbstständig. Erwerbslos – Studie zu Problemen von Künstlern und Künstlerinnen in der sozialen Absicherung aus juristischer Sicht

Verlag des ÖGB, Wien 2017, 140 Seiten, kartoniert, € 24,90

MARTINRISAK (WIEN)

So vielfällig die Kunst, so vielfältig sind auch die Strategien wie die unterschiedlichen Kunstschaffenden ihren Lebensunterhalt bestreiten. Oft besteht ein Patchwork unterschiedlichster Erwerbsformen, zumeist wenig vorhersehbar und von kurzer Dauer, bisweilen untermischt mit einem nicht-künstlerischen „Brotberuf“. Dabei kommt es zu Lücken zwischen einzelnen Beschäftigungsverhältnissen, dem Wechsel zwischen Sozialversicherungen (ASVG und GSVG) und zu Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen sowie auch zu Rückzahlungsverpflichtungen von Arbeitslosengeld und Leistungen aus dem Künstlersozialversicherungs-Fonds. Diese Situation wird nicht zuletzt auch durch die komplizierte und für die Betroffenen selten leicht durchschaubare Rechtslage verschärft. Die AK Wien hat es gemeinsam mit dem Kulturrat Österreich, einem Zusammenschluss der Interessenvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden, unternommen, die rechtliche und soziale Situation von in Österreich tätigen Kunstschaffenden im Rahmen eines Studienprojektes untersuchen zu lassen. Die diesbezüglichen Ergebnisse360liegen nun in Form zweier Publikationen vor. Während die eine die Situation aus sozialwissenschaftlicher Sicht untersucht (online verfügbar unter http://kulturrat.at/kulturrat_studie_2017.pdfhttp://kulturrat.at/kulturrat_studie_2017.pdf), beschäftigt sich die hier zu rezensierende mit den juristischen Aspekten, wobei die zu Grunde liegenden Rechtsnormen oft sehr komplex und detailliert sind und häufige Novellen erfahren haben. Dies macht den Rechtsbestand sperrig und dessen Aufarbeitung nicht unbedingt leicht.

Das erste Kapitel dieses schlanken Buches beschäftigt sich grundsätzlich mit dem Wechselspiel tatsächlicher Beschäftigungssituationen, deren arbeitsrechtlicher Einordnung und den sozialrechtlichen Konsequenzen derselben. Dabei wird zuerst allgemein auf die unterschiedlichen Vertragstypen und die damit in Verbindung stehenden Versicherungstatbestände als (freie) DN oder als alte/neue Selbständige eingegangen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Schaffung neuer ASVG-Versicherungstatbestände 1996, wobei betont wird, dass es nicht primär um eine Ausweitung des sozialen Schutzes gegangen sei. Vielmehr ging es um eine Erhöhung der Mittel, die aus den zusätzlichen Beitragsleistungen lukriert werden sollten. Bekanntlich war die Rechtslage nicht von langer Dauer, da Teile davon vom VfGH aufgehoben wurden. Sehr schnell folgte das ASRÄG 1997, das zu einer „fairen Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die gesetzliche Sozialversicherung“ führen sollte und das heutzutage zu Recht als eine sinnvolle Weiterentwicklung des Sozialversicherungsschutzes angesehen wird, mit dem auch gut auf die neuen Formen der Beschäftigung, wie insb das plattformbasierte Arbeiten, reagiert werden kann. Die durch mit der Schaffung der „neuen Selbständigen“ gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG verbundenen systemischen Probleme, die vor allem auf das System der vorläufigen Vorschreibung der Beiträge und deren Nachbemessung bei Vorliegen des Einkommensbescheides zurückzuführen sind, harren weiterhin einer Klärung. Eingegangen wird auch auf die AlV und die Einbeziehung der freien DN und zuletzt auch der Selbständigen durch ein Opting in. Damit wird ein kompakter Überblick über die Versicherungstatbestände und die wesentlichen sozialversicherungsrechtlichen Rechtsfolgen einschließlich jener in der AlV geboten, die vor allem auf deren Genese eingeht.

Der nächste Teil bietet einen Überblick über die sozialversicherungsrechtlichen Sonderregelungen für KünstlerInnen, wobei die historische Entwicklung des KünstlerInnenbegriffes die Ausgangsbasis bietet, der sozialversicherungsrechtlich durch zahlreiche Differenzierungen für Sondergruppen (zB SchauspielerInnen, freiberuflich tätige bildende KünstlerInnen) geprägt ist. Hier wäre eine zusammenfassende Tabelle mit den einzelnen Untergruppen und deren sozialversicherungsrechtliche Einstufung sehr hilfreich gewesen, so wie überhaupt das gesamte Werk und besonders dieses Kapitel von einer stärkeren Untergliederung in Form von Unterkapiteln und Zwischenüberschriften wesentlich profitiert hätte. Der zweite Teil dieses Kapitels geht auf das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz (K-SVFG), seine Genese und seine Auswirkungen ein.

An diese beiden eher theoretisch ausgerichteten Kapitel schließt die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung typischer Erwerbsbiographien an, die vom Kulturrat Österreich übermittelt wurden und deren Sachverhalte auf Beratungsgesprächen basieren. Diese zeigen bei all ihrer Unterschiedlichkeit sehr gut die komplexen sozialversicherungsrechtlichen Probleme, die sich aus den unregelmäßigen und unsicheren Erwerbssituationen von KünstlerInnen ergeben – wesentlich daraus, dass bei selbständiger Tätigkeit das Einkommen erst ex post klar festellbar ist, die SV aber eine ex ante-Betrachtung anstellen muss. Dies führt nicht selten zu für die Betroffenen unangenehmen Nachzahlungen oder – was noch einschneidender ist – zur Verpflichtung zur Rückzahlung von Arbeitslosengeld oder von Zuschüssen nach dem K-SVFG. Besondere Schwierigkeiten wirft dabei offensichtlich die Kombination von Leistungen aus der AlV und selbständigem Einkommen ebenso auf wie die Frage, wann denn eine selbständige Erwerbstätigkeit eingestellt ist und wann nur keine Aufträge vorliegen, die betreffende Person aber weiterhin für solche zur Verfügung steht. Auch hier hätte eine stärker sichtbare Untergliederung durch Zwischenüberschriften, Fettdruck und kurze Zwischenergebnisse das Arbeiten mit dem Werk vor allem auch für PraktikerInnen erleichtert.

Geschlossen wird mit einem kurzen Überblick über die Problemlagen, wobei den Ursachen nachgegangen wird und Lösungsansätze geboten werden. Dabei wird zwischen Problemen, die alle unregelmäßig Beschäftigten treffen und jenen, die künstlerInnenspezifisch sind und auf dem K-SVFG beruhen, unterschieden. Dieses Kapitel weist auf bestehende, zumeist systemimmanente Probleme hin und bietet klare, idR eher kleinteilige und daher auch umsetzbare Handlungsanweisungen für die Politik. Damit bietet das vorliegende Werk nicht nur einen guten und kompakten Überblick über die Problemlagen bei der sozialen Absicherung von KünstlerInnen, sondern auch konkrete Lösungsvorschläge zur Verbesserung der derzeitigen Situation. Wer an diesem Thema vor allem sozialpolitisch interessiert ist, der wird hier somit bestens bedient. Das Büchlein hätte inhaltlich mE auch das Zeug zu einem sozialversicherungsrechtlichen Handbuch für Betroffene, wofür jedoch mE eine stärkere Untergliederung, Tabellen und vor allem auch ein Stichwortverzeichnis notwendig wären.