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Kein Anspruch auf Trennungsgeld nach dem KollV Steinarbeitergewerbe

MICHAELGEIBLINGER (LINZ)
  1. Nach § 11 KollV Steinarbeitergewerbe gebührt Trennungsgeld, wenn der AN auf eine außerhalb seines ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte entsendet wird, die vom Betrieb oder Wohnort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann.

  2. Der Wortlaut „ihres ständigen Betriebsortes“ spricht für ein Verständnis dahin, dass es sich um den Ort handelt, in dem ein AN nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung regelmäßig und dauerhaft eingesetzt wird. Bezugspunkt ist nicht der Betrieb des AG, sondern der Betriebsort des AN.

  3. Hat ein AN keine solche Arbeitsstätte aufzuweisen und wurde er daher nicht von seinem ständigen Betriebsort auf eine andere Arbeitsstätte entsendet, was für ihn die nachteilige Konsequenz hätte, dass ihm nun eine tägliche Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte, hat er keinen Anspruch auf Trennungsgeld.

  4. Ein AN, der vom AG für Wiener Baustellen aufgenommen wurde und auch ausschließlich dort eingesetzt wurde, hat daher keinen Anspruch auf Trennungsgeld, auch wenn er seinen Wohnsitz in Slowenien und der AG seinen Firmensitz in Kärnten hat.

Der Kl war von 6.10. bis 24.11.2014 bei der Bekl als Arbeiter beschäftigt. Sein Wohnsitz ist in Slowenien. Die Bekl hat neben ihrem Firmensitz in [...] Kärnten eine Zweigniederlassung in [...] der Steiermark, die auch auf dem Dienstzettel angeführt ist. Das Arbeitsverhältnis unterlag dem KollV für das Steinarbeitergewerbe (idF: KollV), nach dessen § 11 Z 1 betriebsentsandte AN bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen Anspruch auf Trennungsgeld haben. Im Dienstzettel ist als „gewöhnlicher Arbeitsort“ des Kl festgehalten: „Baustelle – Jedoch bleibt dem AG die vorübergehende oder dauernde Versetzung an einen anderen Arbeitsort vorbehalten.“ Der Kl wurde von der Bekl für den Dienstort Wien aufgenommen. Das wusste er und war damit auch einverstanden. Während des Arbeitsverhältnisses war er für die Bekl, die damals nur in Wien Baustellen hatte, auf zwei Baustellen in Wien im Einsatz. Die Bekl stellte ihm in dieser Zeit auf ihre Kosten ein Quartier in Wien zur Verfügung.

Soweit revisionsgegenständlich, begehrte der Kl [...] Trennungsgeld iSd § 11 des KollV. [...]

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, eine Entsendung iSd KollV liege nicht vor. Der Kl sei während der gesamten Dauer des befristeten Dienstverhältnisses beim Bauvorhaben „TU Wien“ eingesetzt gewesen. Mit ihm sei als Dienstort die Baustelle vereinbart worden. Das Dienstverhältnis sei ausschließlich wegen dieses Bauvorhabens begründet worden.

Das Erstgericht wies das [...] Klagebegehren ab. Nach dem KollV solle für den Anspruch auf Trennungsgeld grundsätzlich der Betriebsort des AN entscheiden. Mit dem Kl sei als ständiger Betriebsort Wien vereinbart worden. Er sei daher nicht als „betriebsentsandter“ AN anzusehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge [...]. Unter Betriebsort sei jener Ort zu verstehen, an dem sich der den AN beschäftigende Betrieb befinde (Kärnten oder Steiermark) und von dem aus der AN auf eine Arbeitsstätte (Baustelle) entsendet werde. Die Festlegung einer nicht näher definierten Baustelle als gewöhnlicher Arbeitsort im Dienstzettel sei nicht in Betracht gekommen, zumal es diesfalls dem AG freistünde, jeden Anspruch auf Trennungsgeld auszuschließen, indem jede Baustelle als Betriebsort festgelegt werden könnte. IdS könnten auch eine oder mehrere Baustellen in Wien nicht als „ständiger Betriebsort des Kl“ angesehen werden. Die Bekl habe auch gar nicht behauptet, in Wien zB eine Verwaltung oder ein Büro zu führen. Dass der Kl für Wiener Baustellen aufgenommen worden sei, ändere daran nichts [...]. Nach § 11A Z 1 des KollV [...] würden Arbeiten auf Baustellen jedenfalls als Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes gelten. Anhaltspunkte für eine Differenzierung zum Trennungsgeld bestünden nicht.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsabweisung. Der Kl beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Die dem normativen Teil eines KollV angehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen (RISJustiz RS0008782; RS0008807); maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). Bei der Auslegung von kollektivvertraglichen Normen ist aber auch davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897).

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des KollV lauten:

„§ 11 Trennungsgeld, Quartierbeistellung, Fahrtspesen1. Betriebsentsandte Arbeitnehmer – das sind solche, die auf eine außerhalb ihres ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte entsendet werden, die vom Betrieb oder Wohnort (Familienwohnsitz) so weit entfernt ist, dass ihnen eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann – haben Anspruch auf Trennungsgeld. ...§ 11A Taggeld1. Arbeitnehmer, die außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes, für den sie aufgenommen wurden, zur Arbeit auf Baustellen eingesetzt werden und täglich an ihren Wohnort zurückkehren, erhalten34ein Taggeld, sofern dies in einer Betriebsvereinbarung vereinbart wurde. Arbeiten auf Baustellen gelten jedenfalls als Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes....“

Der Anspruch des Kl auf Trennungsgeld hängt sohin davon ab, ob er iSd § 11 Z 1 des KollV auf eine außerhalb seines ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte entsendet wurde.

3. Der Wortlaut „ihres ständigen Betriebsortes“ spricht für ein Verständnis dahin, dass es sich um den Ort handelt, in dem ein AN nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung regelmäßig und dauerhaft eingesetzt wird. Erster Bezugspunkt ist jedenfalls nicht der Betrieb des AG, sondern der Betriebsort des AN. Nach der – zu mehreren Kollektivverträgen ergangenen – Rsp stellt der Ausdruck „ständiger Betrieb“ (Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw) auf die Arbeitsstelle und nicht auf den Betriebsbegriff iSd ArbVG ab (RIS-Justiz RS0029668). So konnte nach Pkt VIII Z 2 des KollV für die Arbeiter in der erdöl- und erdgasgewinnenden Industrie Österreichs im Montagewesen auch die zuständige Bauleitung (das Baubüro) als Betriebsstätte gelten (RIS-Justiz RS0029668 [T1]) oder bei der Überlassung für eine längerfristige Tätigkeit auf ein und derselben Baustelle ein „ständiger Betrieb“ iSd Art VIII Z 7 und 17 des KollV für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe begründet werden (RIS-Justiz RS0029668 [T3]). Denn Zweck dieser Bestimmung ist, die Arbeiten an der regelmäßigen Arbeitsstelle jenen gegenüberzustellen, die ausnahmsweise und unregelmäßig außerhalb dieses engeren Bereiches zu leisten sind (9 ObA 81/01d).

4. Diese Rsp ist auch auf den Kl übertragbar. [...]

5. Die Zweigniederlassung der Bekl oder ihr Firmensitz in Kärnten sind nicht als „ständiger Betriebsort“ des Kl anzusehen, weil er dort weder aufhältig noch tätig war. Vergleichsweise wurden auch in der E 9 ObA 148/11x, in der ein Montagetischler seine Arbeiten ausschließlich an den jeweiligen Standorten der Kunden verrichtete und zu keinem Zeitpunkt einen fixen Arbeitsplatz im Betrieb des DG hatte, Arbeiten „außerhalb des ständigen Arbeitsplatzes“ – und folglich ein Anspruch auf eine Außerhauszulage – verneint. [...]

6. Der Kl wurde von der Bekl für Wiener Baustellen aufgenommen und auch ausschließlich in Wien eingesetzt. Während seiner 7-wöchigen Tätigkeit für die Bekl gab es keine Veränderung/Entsendung von seinem ständigen Betriebsort auf eine außerhalb seines ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte, die für ihn die nachteilige Konsequenz gehabt hätte, dass ihm nun eine tägliche Rückkehr nicht mehr habe zugemutet werden können. Die Gefahr, dass der Anspruch auf Trennungsgeld vom AG umgangen werden könnte, stellt sich nach Lage des Falls nicht.

7. Auch aus einem Vergleich mit § 11A des KollV (Anspruch auf Taggeld) ergibt sich nichts anderes. Mit der Regelung, dass Arbeiten auf Baustellen jedenfalls als Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes gelten, wird auf den Regelfall einer Tätigkeit auf Baustellen Bezug genommen, während § 11 für die – tendenzielle – Ausnahmesituation einer nachteiligen Veränderung/Entsendung konzipiert ist, die hier nicht vorlag.

8. Der Anspruch des Kl auf Trennungsgeld besteht damit mangels eines Entsendungstatbestandes iSd § 11 Z 1 des KollV nicht zurecht. [...]

ANMERUNG
1.
Einleitung

Der OGH hatte sich in der gegenständlichen E mit dem Anspruch auf Trennungsgeld nach dem KollV Steinarbeitergewerbe auseinander zu setzen. Das gegenständliche Judikat reiht sich in eine – aus AN-Sicht – negative Reihe von Entscheidungen ein, in denen der OGH seine strikte Linie, was den Anspruch auf Trennungsgeld, Zehrgeld oder Außerhauszulage betrifft, beibehält (OLG Wien 7 Ra 148/00m ARD 5185/16/2001: Kein Anspruch auf Trennungsgeld bei fehlender Familie; OLG Wien 7 Ra 38/05t ARD 6524/5/2005: Kein Anspruch auf Trennungsgeld wegen fehlender polizeilicher Wohnsitzbestätigung; OGH8 ObA 36/04hARD 5519/4/2004: Kein Anspruch auf Zehrgeld bei wechselnder Baustellentätigkeit; OGH9 ObA 148/11xARD 6238/4/2012: Kein Anspruch auf Außerhauszulage für Montagetischler).

Der Anspruch auf Trennungsgeld nach dem KollV Steinarbeitergewerbe wurde nicht nur von den Unterinstanzen unterschiedlich ausgelegt, sondern brachte auch in der Praxis regelmäßig ungleiche Ergebnisse hervor. Das vorliegende Urteil ist daher nicht nur AN nach dem KollV Steinarbeitergewerbe relevant, sondern zeitigt auch für andere Kollektivverträge Auswirkungen, in denen gleiche oder ähnlich formulierte Regelungen zu diesem Thema normiert sind. In concreto war zu prüfen, ob ein AN mit Wohnsitz in Slowenien einen Anspruch auf Trennungsgeld hat, wenn er ausschließlich auf Baustellen in Wien eingesetzt wird, obwohl sich der Firmensitz in Kärnten und eine Zweigniederlassung in der Steiermark befinden.

2.
Der Zweck des Trennungsgeldes

Nach ständiger Judikatur dient das Trennungsgeld als Aufwandsentschädigung dazu, die mit der getrennten Haushaltsführung verbundenen Mehrkosten abzugelten (OLG Wien 7 Ra 38/05t ARD 5624/5/2005; OLG Wien 7 Ra 148/00m ARD 5185/16/2001). Der hier anzuwendende KollV für das Steinarbeitergewerbe sieht in § 11 Z 1 eine Regelung zum Trennungsgeld für betriebsentsandte AN vor. Diese lautet: „Betriebsentsandte Arbeitnehmer – das sind solche, die auf eine außerhalb ihres ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte entsendet werden, die vom Betrieb oder Wohnort (Familienwohnsitz) so weit entfernt ist, dass ihnen eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann – haben Anspruch auf Trennungsgeld. Dieses beträgt für jeden Kalendertag € 26,40.

Zumal den Kollektivvertragspartnern in stRsp attestiert wird, dass sie vernünftige, zweckentsprechen-35de und praktisch durchführbare Regelungen treffen (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897), ist ihnen auch hinsichtlich der hier strittigen Regelung zu unterstellen, den Zweck zu verfolgen, Steinarbeitern die bei einer etwaigen getrennten Haushaltsführung verbundenen Mehrkosten abzugelten. Dass die Bekl dem Kl während der Dauer der Beschäftigung auf ihre Kosten ein Quartier in Wien zur Verfügung stellte und somit möglicherweise in Bezug auf das Quartier für den Kl keine Mehrkosten entstanden, war offenbar – zumindest ergibt sich nichts Gegenteiliges aus veröffentlichtem Sachverhalt – kein Thema. Entscheidungsrelevant war vielmehr die Klärung, was als Betrieb, ständiger Betriebsort, ständig ortsfester Betrieb, Arbeitsstätte, Baustelle und Wohnort gilt, weshalb diese Begriffe im Rahmen dieser E-Besprechung näher unter die Lupe genommen werden.

3.
Die Vereinbarung des Arbeitsortes

Im Allgemeinen wird unter dem Dienstort der örtliche Rahmen, innerhalb dessen der AN zu Diensten herangezogen werden kann, verstanden (Rebhahn/Kietaibl in ZellKomm2 § 1153 ABGB Rz 23). MaW gilt als Dienstort der Erfüllungsort der Dienstpflicht. Der Erfüllungsort eines Schuldverhältnisses, was das Arbeitsverhältnis darstellt, wird in § 905 ABGB geregelt. Primär wird auf eine Vereinbarung und subsidiär auf Natur und Zweck des Geschäfts verwiesen (OGH4 Ob 1/61Arb 7.327; Löschnigg, Arbeitsrecht12 [2015] Rz 6/034; Rebhahn/Kietaibl in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 1153 ABGB Rz 22). Dienstort ist also der Ort, an dem sich der AN nach dem Arbeitsvertrag zur Arbeit einzufinden hat, er ergibt sich aus der individuellen Vereinbarung bzw ihrer Auslegung (Verkehrssitte). Dabei wird meist schlüssig auf den Standort des Betriebs bzw gleichwertige „Arbeitsorte“ abgestellt, jedoch können Natur und Zweck des Arbeitsverhältnisses auch wechselnde Arbeitsorte innerhalb eines bestimmten Bereichs ergeben (OGH8 ObA 36/04hArb 12.438).

Vereinbarungen des Arbeitsortes in Textform ergeben sich einerseits aus dem Dienstzettel oder andererseits aus einem schriftlich vereinbarten Arbeitsvertrag.

§ 2 Abs 2 Z 6 AVRAG sieht als zwingenden Inhalt des Dienstzettels Angaben zum gewöhnlichen Arbeits- bzw Einsatzort, erforderlichenfalls einen Hinweis auf wechselnde Arbeits- bzw Einsatzorte, vor (Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 5/092; Reissner in ZellHB AV-Klauseln Rz 15.01). Nach den Materialien ist unter dem gewöhnlichen Arbeits- bzw Einsatzort iSd § 2 Abs 2 Z 6 AVRAG jener Ort zu verstehen, an dem der AN üblicherweise seine Arbeitsleistung erbringt (ErläutRV 1077 BlgNR 18. GP 10). Beim gewöhnlichen Arbeits- bzw Einsatzort geht es um jenen Ort, der regelmäßig den Mittelpunkt des tatsächlichen Tätigwerdens des AN darstellt (Binder/Burger/Mair, AVRAG3 [2016] § 2 Rz 29).

Wird anstellte eines Dienstzettels ein schriftlicher Arbeitsvertrag vereinbart, so sollten in diesem ebenso Regelungen zum Arbeitsort enthalten sein (Reissner in ZellHB AV-Klauseln Rz 15.02).

4.
Der Betrieb

Gem § 34 Abs 1 ArbVG gilt als Betrieb jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. Die Wesensmerkmale des Betriebes sind der Betriebsinhaber, die Betriebsmittel, die Beschäftigten, der Betriebszweck, die einheitliche Betriebsorganisation und der Dauercharakter (OGH4 Ob 36/871Arb 10.016).

4.1.
Ständiger Betriebsort

Dass der Ort, an dem der Betrieb iSd § 34 ArbVG geführt wird, als ständiger Betriebsort gelten soll, wurde vom OGH durch die Anführung einiger Leitsätze entkräftet. Der Ausdruck „ständiger Betrieb“ stellt nach Ansicht des OGH auf die Arbeitsstelle und nicht auf den Betriebsbegriff iSd ArbVG ab (RIS-Justiz RS0029668). So gilt zB im Montagewesen auch die zuständige Bauleitung (das Baubüro) als Betriebsstätte (RIS-Justiz RS0029668 [T1]) bzw wird bei der Überlassung für eine längerfristige Tätigkeit auf ein und derselben Baustelle ein „ständiger Betrieb“ begründet (RIS-Justiz RS0029668 [T3]).

4.2.
Ständig ortsfester Betrieb

Als ständig ortsfester Betrieb gilt nach hL zB der Sitz der Verwaltung, der Bauhof, die Reparaturwerkstätte sowie das Lager, sofern die tatsächliche Arbeitsleistung dort erfolgt. Baustellen sind hingegen keine ständig ortsfesten Betriebe (Wiesinger, Kollektivverträge der Bauwirtschaft4 [2013] § 9 Rz 19). So regelt zB § 11A Z 1 KollV Steinarbeitergewerbe, dass Arbeiten auf Baustellen jedenfalls als Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes gelten.

5.
Die Arbeitsstätte

Gem § 2 Abs 3 ASchG sind Arbeitsstätten sowohl Arbeitsstätten in Gebäuden als auch Arbeitsstätten im Freien. Eine Arbeitsstätte ist idR ein Gebäude, das von einem Unternehmen genutzt wird (Schneeberger in

Heider/Schneeberger
, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz7 [2017] § 2 Rz 4). Die auf Baustellen tätigen AN sind jener Arbeitsstätte zuzurechnen, der sie organisatorisch zugehören; bspw einer regionalen Niederlassung, in der auch die Arbeitseinteilung und die Lohnverrechnung erfolgt. Im Zweifel sind die auf Baustellen tätigen AN dem Unternehmenssitz zuzurechnen (VwGH 31.7.2014, 2013/02/0278).

6.
Die Baustelle(n)

ISd ASchG sind Baustellen zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen, an denen Hoch- und Tiefbauarbeiten durchgeführt werden (Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/191). ISd ArbVG ist Baustel-36le jener Ort, an dem gerade von einzelnen DN eine bestimmte Arbeit innerhalb einer bestimmten, jedoch nicht auf Dauer abgestellten Zeit verrichtet wird, wobei der Betrieb diesen DN als Basis ihres vorübergehenden Einsatzes gilt (EA Wien Re 255/65 Arb 8175). Einzelne Baustellen eines Bauunternehmens sind kein Betrieb iSd § 34 ArbVG (VwGH817/50 Arb 5261; VwGH 14.11.2012, 2012/08/0812; OGH4 Ob 32/53 Arb 5653).

Im Gegensatz zu § 34 ArbVG begründet jedoch nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen eine längerfristige Tätigkeit auf ein und derselben Baustelle, dass diese als „ständiger Betrieb“ gilt (OGH 25.1.2006, 9 ObA 39/05h: Tätigkeit auf der Baustelle für 18 Monate; OGH 5.6.2008, 9 ObA 69/08z: Tätigkeit auf der Baustelle für knapp über drei Monate).

7.
Der Wohnort (Familienwohnsitz)

Den ständigen Wohnort hat jemand dort, wo er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, wobei der Klammerausdruck Familienwohnsitz klarstellen soll, dass der ständige Wohnort im Regelfall dort ist, wo auch der Wohnsitz der Familie ist (OLG Wien 7 Ra 148/00m ARD 5185/16/2001). Diese Rsp deckt sich im Wesentlichen auch mit den Bestimmungen des MeldeG, insb mit § 1 Abs 8 MeldeG, die ebenso für den Begriff des Wohnorts zu beachten sind (Wiesinger, Kollektivverträge der Bauwirtschaft4 § 9 Rz 32).

8.
Ergebnis des OGH

Der OGH machte den Anspruch des Kl auf Trennungsgeld iSd § 11 KollV Steinarbeitergewerbe davon abhängig, ob er auf eine außerhalb seines ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte entsendet wurde oder nicht. Zentralstes Entscheidungskriterium war die Auslegung der Wortfolge „ihres ständigen Betriebsortes“. Der OGH sprach sich für ein Verständnis dahingehend aus, dass es sich dabei um den Ort handelt, in dem ein AN nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung regelmäßig und dauerhaft eingesetzt wird, wobei als erster Bezugspunkt der Betriebsort des AN, sohin die Baustellen in Wien, herangezogen wurde. Dabei stellte er fest, dass die Zweigniederlassung der Bekl in der Steiermark sowie der Firmensitz der Bekl in Kärnten nicht als ständiger Betriebsort des Kl anzusehen sind, weil er dort weder aufhältig noch tätig war. Als ständiger Betriebsort des Kl wurde vielmehr Wien mit den dortigen Baustellen festgestellt – mit dem Ergebnis, dass aufgrund der ausschließlichen Arbeitsleistung während seiner siebenwöchigen Tätigkeit dort keine Entsendung auf eine außerhalb des ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte erfolgte, von der aus ihm eine tägliche Rückkehr nicht mehr habe zugemutet werden können. Auch eine Gefahr der Umgehung des Anspruchs auf Trennungsgeld erachtete der OGH als nicht gegeben (Tinhof, Kollektivvertrag für Steinarbeiter – kein Trennungsgeld mangels Entsendung, DRdA-infas 2017, 160).

9.
Eigenes Fazit

Angesichts der oben erläuterten Begriffe hätte das Urteil des OGH meiner Meinung nach anders, nämlich iSd E des Berufungsgerichts, ausfallen müssen. Insb wird nämlich auch dem Zweck des Trennungsgeldes in der OGH-E nicht Rechnung getragen. Zur Abhandlung des Inhalts der E aber eines nach dem anderen:

Aus dem Sachverhalt der zugrundeliegenden E erschließt sich, dass die Bekl ihren Firmensitz in Kärnten, eine Zweigniederlassung in der Steiermark und zwei Baustellen in Wien hatte. Im Dienstzettel des Kl wurde die Zweigniederlassung in der Steiermark angeführt. Als „gewöhnlicher Arbeitsort“ wurde „Baustelle“ festgehalten, wobei sich die Bekl „die vorübergehende oder dauernde Versetzung an einen anderen Arbeitsort vorbehalten“ hatte. Aus dem Sachverhalt ergibt sich des Weiteren, dass der Kl für den Dienstort Wien aufgenommen wurde, er dies wusste und damit auch einverstanden war.

Wenn gegenständlich das Wort „Betriebsort“ als Synonym für „Arbeitsort“ oder „Dienstort“ steht, so ist dem OGH prima vista recht zu geben, wenn er als „Betriebsort“ des Kl die Baustellen in Wien ansieht, zumal im Dienstzettel des Kl als „Arbeitsort“ „Baustelle“ festgehalten wurde. Dass als Dienstort die Baustelle zu gelten hat, deckt sich auch mit der einschlägigen Rsp, nach welcher sich der Dienstort eines Bauarbeiters mangels anders lautender Vereinbarung auf der jeweiligen Baustelle befindet, an der der AN eingesetzt wird (OGH9 ObA 109/03zARD 5503/4/2004; OGH8 ObA 36/04hArb 12.438). Daraus lässt sich aber lediglich der Ort ableiten, an dem der AN seine Arbeit zu leisten hat; einen Schluss auf den Anspruch des Trennungsgeldes daraus abzuleiten, wäre jedoch verfehlt.

Dass die Baustellen in Wien nicht als ständiger Betriebsort iSd strittigen Bestimmung in Frage kommen, ergibt sich auf den zweiten Blick. Nach der älteren Rsp (siehe oben) stellt eine Baustelle nämlich keinen Betrieb dar. Nach der neueren Rsp (siehe oben) wird ein ständiger Betrieb erst bei einer längerfristigen Tätigkeit auf ein und derselben Baustelle begründet, wobei als Schwellenwert für eine längerfristige Tätigkeit drei Monate herangezogen wurde. Die Beschäftigungsdauer des Kl lag bei einer siebenwöchigen Baustellentätigkeit weit unter dem Schwellenwert. Zudem kamen mehrere und nicht nur ein und dieselbe Baustelle für die Tätigkeit in Betracht. Des Weiteren war auch die Angabe „Baustelle“ im Dienstzettel zu inkonkret, um dadurch von einem ständigen Betriebsort ausgehen zu können, zumal das Schriftformgebot im Dienstzettel auch Klarstellungsfunktion hat (OGH9 ObA 86/01iARD 5312/18/2002).

Als Betriebsort kommt mE vielmehr jener Ort in Betracht, an dem der Betrieb iSd § 34 ArbVG geführt wird, sohin an jenem Ort, an dem die Wesensmerkmale für die Organisation gebündelt sind. Mangels detaillierter Sachverhaltsangaben und im Zweifel gilt als ständiger Betriebsort der Firmensitz in Kärnten, also der den AN beschäftigende Betrieb. Erstens hat die Bekl nicht einmal behauptet, in Wien eine Verwaltung oder ein Büro zu führen,37was für einen dortigen Betriebsort sprechen würde; zweitens gilt es als notorisch, dass Baustellenbetriebe zentral organisiert sind. Zweigstellen (wie jene in der Steiermark) gelten nur dann als eigenständige Betriebe, wenn sie selbstständig bestehen können (EA Linz Re 88/77 Arb 9655). Dafür finden sich im Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

Vom ständigen Betriebsort in Kärnten wurde der AN auf eine außerhalb seines ständigen Betriebsortes gelegene Baustelle, nämlich auf eine Baustelle in Wien, entsandt. Zwar gilt eine Baustelle nicht als Arbeitsstätte iSd § 2 Abs 3 ASchG, zumal die genannte Bestimmung Arbeitsstätten den Baustellen gegenüberstellt (Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/191). Dies hat aber ausschließlich arbeitnehmerschutzrechtliche Konsequenzen und kann nicht die Ablehnung des Anspruchs auf Trennungsgeld nach sich ziehen.

Zumal der Kl von der Bekl vom ständigen Betriebsort aus in Kärnten nach Wien auf Baustellen abgestellt wurde, gilt der Kl nach meinem Dafürhalten als betriebsentsandter AN iSd § 11 Z 1 KollV Steinarbeiter. Dass die Kollektivvertragsparteien mit dem Begriff „Arbeitsstätte“ in § 11 Z 1 KollV Steinarbeiter den Arbeitsstättenbegriff nach § 2 Abs 3 ASchG vor Augen hatten, widerspricht der Intention der thematisierten Regelung. Und genau dem Zweck des Trennungsgeldes, der in der Abgeltung der Mehraufwendungen bei getrennter Haushaltsführung liegt, wenn eine tägliche Rückkehr zum Betrieb oder Wohnort nicht zumutbar ist, trägt die OGH-E – wie bereits an anderer Stelle moniert – gerade nicht Rechnung.

Aus dem Sachverhalt erschließt sich zwar, dass die Bekl dem Kl in der Zeit der Baustellentätigkeit auf ihre Kosten ein Quartier in Wien zur Verfügung stellte. Dass dadurch von vornherein keine Mehraufwendungen für den Kl zu bestreiten waren, wurde in weiterer Folge aber nicht zum Thema gemacht.

In jedem Fall stand die Tatsache fest, dass dem Kl eine tägliche Rückkehr zum Betrieb (= Kärnten) oder Wohnort (= Slowenien) nicht zugemutet werden konnte. Die Strecke vom Zentrum Wien alleine bis zu einem Grenzübergang nach Slowenien (zB Grenzübergang Spielfeld) beläuft sich auf 238 km bzw eine Fahrtzeit (PKW) von 2 Stunden und 20 Minuten (in eine Richtung) (Angaben lt www.google.at/maps). Die Strecke vom Zentrum Wien bis ins Zentrum Kärntens beträgt sogar 299 km bzw eine Fahrtzeit (PKW) von 3 Stunden und 21 Minuten (in eine Richtung) (Angaben lt www.google.at/maps). In einer E zum KollV Arb Bauindustrie und Baugewerbe hat der OGH zum Trennungsgeld eine Strecke von 116 km bzw eine Fahrtzeit (PKW) von 1 Stunde und 20 Minuten in eine Richtung als unzumutbar angesehen (OGH8 ObA 102/00hARD 5113/17/2000 = ecolex 2000, 594). Die entscheidungsrelevanten Wegstrecken und Fahrtzeiten liegen deutlich darüber.

Die vorliegende E des OGH führt aber nun zu einem paradoxen Ergebnis. Für die erstmalige Abstellung auf eine Baustelle, von welcher aus eine tägliche Rückkehr zum Wohnort nicht zumutbar ist, gebührt kein Trennungsgeld (Baustelle # 1 = Wien zum Wohnort: Slowenien). Erfolgt jedoch von der Baustelle # 1 eine Abstellung auf eine Baustelle # 2, von der aus eine tägliche Rückkehr zum Wohnort ebenfalls nicht zumutbar ist, würde Trennungsgeld gebühren, selbst wenn möglicherweise von Baustelle # 2 auch keine längere Distanz als von Baustelle # 1 zum Wohnort zurückzulegen wäre (zB Baustelle # 2 = Schwechat zum Wohnort: Slowenien), da nach Ansicht des OGH im Beispielfall vom ständigen Betriebsort, nämlich der Baustelle # 1, eine Entsendung auf eine außerhalb dieses ständigen Betriebsortes gelegene Arbeitsstätte, nämlich die Baustelle # 2, erfolgt. Ob dieses Ergebnis von den Kollektivvertragsparteien tatsächlich gewollt war, ist mE höchst fraglich.

In Abgrenzung zum Taggeld ist schließlich noch Folgendes festzuhalten:

Sinn und Zweck von Taggeldern ist es, den Verpflegungsmehraufwand zu ersetzen, der dadurch entsteht bzw besteht, dass die günstigen Verpflegungsmöglichkeiten in der bereisten Gegend (jedenfalls anfangs) nicht bekannt sind (betreffend den Zweck von Taggeldern: VwGH96/15/0097ARD 4812/28/97). Nach § 11A Z 1 KollV gebührt AN, die für Arbeiten auf Baustellen eingesetzt werden, ein Taggeld, wenn dies in einer BV vereinbart wurde, selbst wenn sie täglich an ihren Wohnort zurückkehren können. Arbeiten auf Baustellen gelten nach § 11A Z 1 KollV jedenfalls als Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebs.

Gerade in der Baubranche kommt es vor, dass der ortsfeste Betrieb keine Bauarbeiter beschäftigt, sondern davon auszugehen ist, dass die AN auf Baustellen eingesetzt werden (OGH 21.9.2006, 8 ObA 75/06x). Den Kollektivvertragsparteien ist hier sicherlich zu unterstellen, dass sie jene Arbeitseinsätze außerhalb des Betriebes, in denen eine tägliche Rückkehr zum Wohnort nicht zumutbar ist, gegenüber jenen, in denen eine solche zumutbar ist, um das Trennungsgeld aufqualifizieren wollten. Konsequenterweise ist daher zu differenzieren, ob einem auf einer Baustelle beschäftigten AN die tägliche Rückkehr an den Wohnort zumutbar ist oder nicht. Ist ersteres der Fall, gebührt lediglich das Taggeld, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 11A Z 1 KollV vorliegen. Liegt zweiteres vor, so gebührt zusätzlich zum Taggeld auch das Trennungsgeld, da nicht nur der Verpflegungsaufwand, sondern auch der zusätzliche Mehraufwand bei getrennter Wohnungsführung schlagend wird. Dem Berufungsgericht ist daher meiner Meinung nach auch in dem Punkt zuzustimmen, wenn es ausführte, dass Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen dem Taggeld und dem Trennungsgeld in Bezug auf die Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebs, nicht vorliegen.

Zusammenfassend hätte dem Kl Trennungsgeld nach § 11 Z 1 KollV Steinarbeiter gebühren müssen, zumal er auf eine Arbeitsstätte außerhalb seines ständigen Betriebs entsandt wurde und ihm eine tägliche Rückkehr zum Betrieb bzw zum Wohnort nicht zumutbar war. Das Ergebnis des OGH wirkt indes nicht zweckgemäß und birgt in der praktischen Anwendung die Gefahr von Umgehungen beim Trennungsgeld.38