SchumichSharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen

Verlag des ÖGB, Wien 2016 88 Seiten, kartoniert, € 24,90

WALTERSCHERRER (SALZBURG)

Airbnb, Uber und andere Unternehmen, die sich als „Plattformen“ für individuelle, unabhängige Anbieter und Nachfrager – egal ob diese als Privatperson oder als Unternehmen auftreten – verschiedenster Dienste verstehen, haben in jüngster Zeit eine erhebliche Bekanntheit in der Öffentlichkeit erreicht. Airbnb und andere einschlägige Plattformen machen das Übernachten billiger und verschaffen Wohnungseigentümern ein Zubrot durch fallweise Vermietung ihres Heimes. Ganz ähnlich ist das beim individuellen Personentransport in von Privatpersonen betriebenen Quasi-Taxis, wie er von Uber und ähnlichen Plattformen organisiert wird. Auch hier ermöglicht das „Teilen“ einer Ressource, dass einerseits die Leistung für den Nachfrager billiger wird und andererseits der Anbieter der Leistung eine Ressource besser ausnutzen kann. Diese und mögliche andere positive Wirkungen werden in der vorliegenden Arbeit denn auch nicht in Abrede gestellt. Die Lektüre des Buches ergibt aber auch, dass bei der Beurteilung von derartigen auf dem Internet als Infrastruktur basierenden sozialen Innovationen, die neue Formen des „Teilens“ ermöglichen, sozialromantische Vorstellungen in vielen Fällen nicht angebracht sind.

Zunächst zeigt Simon Schumich, dass es beileibe noch nicht klar ist, was alles unter den Begriff „Sharing Economy“ fällt bzw fallen kann. Das „Teilen“ einer Ressource kann demnach auf verschiedene Art und Weise erfolgen: zwischen Unternehmen und Privatpersonen (Business-to-Customer-Sharing, B2C), zwischen Unternehmen und anderen Unternehmen (B2B), und zwischen Privatpersonen (Peer-to-Peer-Sharing, P2P). Allein im Bereich P2P-Sharing werden wiederum sechs verschiedene Formen angeführt, die sich nach der Praktik (verschenken, tauschen, weiterverkaufen, Co-Using, verleihen, vermieten), nach der Art der zu erbringenden Gegenleistung (monetär, nicht-monetär, keine Gegenleistung), nach dem Nutzungsmodus (sequentielle oder gleichzeitige Nutzung des geteilten Gutes) und danach unterscheiden, ob im Zuge des Teilens der Ressource eine Eigentumsübertragung stattfindet oder nicht. Diese generellen Abgrenzungen verschaffen dem Leser mehr Klarheit, da aber das Phänomen Sharing Economy relativ neuartig ist und laufend Mutationen hervorbringt, kann eine „letztgültige“ Definition nicht gegeben werden.

Im Hauptteil der Arbeit werden nach einigen allgemeinen Ausführungen zur Analyse der Sharing Economy sieben „ausgewählte Player der Sharing Economy“ (dh Plattformen) vorgestellt: Vier Plattformen aus dem Bereich P2P, davon zwei nicht gewinnorientierte (Food-Sharing und Fairleihen) und zwei gewinnorientierte (Airbnb und Lendico) sowie drei gewinnorientierte B2C-Plattformen (Helpling, MyHammer, Car2Go). Die Plattformen werden beschrieben (wobei die einzelnen Plattformen unterschiedlich ausführlich dargestellt werden) und zu einigen Plattformen finden sich darüber hinaus Ansätze einer ökonomischen Analyse.

An die Beschreibungen der sieben ausgewählten Player schließt ein Kapitel mit der Überschrift „Digitalisierung aus ArbeitnehmerInnensicht“ an. Hier werden zunächst Forderungen der IG Metall Berlin wiedergegeben, die auf „Gute Arbeit in der digitalisierten Arbeitswelt“ abzielen. Ebenso werden Forderungen der Bundesarbeitskammer zu einer „Gerechten Gestaltung des digitalen Wandels“ referiert. Ein Zusammenhang dieser Forderungen mit der vorher durchgeführten ausführlichen Beschreibung der sieben Player der Sharing Economy wird aber nicht hergestellt. Auf zweieinhalb Seiten werden schließlich arbeitspolitisch interessante Fragen von Crowdworking und über Onlineplattformen organisiertes Arbeiten angesprochen. Das im Untertitel abgegebene Versprechen, die Ökonomie des Teilens aus Sicht der AN zu untersuchen, kann damit aber wohl nicht als eingelöst betrachtet werden.

Das Buch weist darüber hinaus erhebliche Schwächen auf. So wird vor der Beschreibung der sieben ausgewählten Plattformen eine Analyse der Sharing Economy anhand eines in der betriebswirtschaftlichen Literatur weit verbreiteten Modells vorgenommen. Mit diesem Modell können fünf Einflüsse („Five Forces“) analysiert werden, die die Wettbewerbsstruktur einer Branche bestimmen, woraus wiederum Aussagen über die wirtschaftliche Attraktivität der Branche hergeleitet werden können. Dieser Teil hätte ein analytischer Kern233der gesamten Arbeit sein können, er fällt aber extrem kurz aus und ist darüber hinaus mit zahlreichen Fehlern gespickt.

In diesem Abschnitt, wie auch an zahlreichen anderen Stellen, zeigt sich ein – höflich formuliert – unpräziser Umgang mit Begriffen. So wird etwa der Begriff Netzpolitik – also staatliche Einflussnahme auf Märkte, die durch Netzwerkeffekte gekennzeichnet sind – mit Netzwerkeffekten verwechselt, die sich auf Märkten aufgrund von techno-ökonomischen Eigenschaften von netzbasierten Infrastrukturen ergeben. Das Kapitel über Crowdworking liefert ebenfalls ein anschauliches Beispiel, indem der Autor fordert, „Unaufrichtige Online-Plattformen, die korrekt erledigte Aufgaben als ungültig markieren oder nicht vergüten, müssen reguliert werden“. Damit wird angedeutet, dass es nur für die „Unaufrichtigen“ Regeln brauche, nicht aber für die „Aufrichtigen“. Wie findet man aber die „Unaufrichtigen“ aus der Menge der Plattformen heraus, wenn es keine allgemein angewendeten Regeln gibt? Gemeint sollte daher wohl sein, dass man alle Online-Plattformen regulieren solle, um unaufrichtige Plattformen herausfiltern und allenfalls sanktionieren zu können.

Selbst wenn man unterstellt, dass mit dem Buch kein wissenschaftlicher Anspruch erhoben wird, sollte auch ein in einem Fachverlag erschienenes Werk im Umfang von knapp 60 Textseiten keine derartigen Schwächen aufweisen.