Zum 75. Geburtstag von Walter Geppert

BernhardSchwarz (Wien)

Walter Geppert ist schon 75?

Ungläubig musterte ich das Mail, mit dem mich die Redaktion von DRdA ersucht hatte, dazu einige Zeilen für „Personalia“ über ihn als langjähriges Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von DRdA zu verfassen. Das gibt es doch nicht! Es ist nun zwar schon einige Monate her, dass ich ihn gesehen und mit ihm gesprochen hatte, aber die jugendliche Art seines Auftritts, seine Aufgeschlossenheit für alles Neue und Interessante und auch sein weitaus jüngeres Aussehen sind ihm seither sicher nicht verloren gegangen. Eine kurze Nachrechnung aus dem Gedächtnis ergab, dass es sich dennoch um keinen Irrtum handelt. Geburtstag am 31.5.1939 – das stimmt schon mit dem 75er. Ja, es ist schon erstaunlich, wie lange Menschen heutzutage vital und zukunftsorientiert aussehen und sein können. Das ist bei Walter sicher nicht nur eine Folge eines allgemeinen Trends – man könnte diesen auch Verbesserung des sozialen und gesundheitlichen Umfelds nennen –, sondern zum großen Teil auf die Persönlichkeit des Jubilars zurückzuführen, die durch eine positive Grundhaltung und die unermüdliche Aktivität der grauen Zellen gekennzeichnet ist.

Ich kam zum ersten Mal mit Walter Geppert im November 1971 in Kontakt, wenige Tage nach meinem Eintritt in die Arbeiterkammer Wien. Er war damals 32 und hatte – wie alle anderen MitarbeiterInnen der Rechtsabteilung – die Aufgabe, den „Frischgefangenen“ die Anforderungen des Parteienverkehrs in der Rechtsberatung praktisch zu demonstrieren und sie auf die Übernahme dieser Pflichten vorzubereiten. In Erinnerung ist mir Walter deswegen geblieben, weil er plötzlich begann, über sich zu erzählen. Er habe zwei Kinder (das kam sicher an erster Stelle), sei eigentlich Werkzeugmacher und habe die Sozialakademie für Betriebsräte sowie die Berufsreifeprüfung absolviert und beginne nun mit dem Jusstudium. Im nächsten Monat werde er von der Rechtsabteilung in die Sozialpolitik in den zweiten Stock übersiedeln, wohin ihn Gerhard Weißenberg und Josef Cerny aufgrund seiner Leistungen geholt hätten. Wahnsinn, dachte ich, so etwas würde ich nie schaffen. Alles gleichzeitig: Familie, Studium, Arbeit, und noch dazu erfolgreich. Ich war beeindruckt. Der „zweite Stock“ repräsentierte damals für die anderen die Aura höherer Weihen der Arbeiterbewegung und hatte dementsprechend etwas Ehrfurchteinflößendes an sich. Schon der dortige Amtsgehilfe wachte streng wie ein Erzengel darüber, dass niemand in diese Gefilde eindrang, der dort nichts zu suchen hatte.

Wenige Jahre später war ich auch dort gelandet und wir (Cerny und Geppert mit mir als Juniorpartner; Weißenberg war inzwischen zum Sozialminister berufen worden) konnten eine Zeit lang in der sozialpolitischen Abteilung kreativ an vielen rechtlichen und faktischen Veränderungen zugunsten der AN mitwirken, wie das in der Zeit der SPÖ-Alleinregierung mehr oder weniger unbestrittene Zielsetzung der Politik gewesen ist. Nur über das Tempo der Veränderungen gab es unterschiedliche Auffassungen. Walter und ich waren Zimmernachbarn und kommunizierten oft, um gegenseitig Rat zu holen und um etwas zu tratschen (dienstlich286 natürlich, versteht sich). Sein Zimmer war insofern aufgeräumt, als es zwischen riesigen, auf Tisch und Boden liegenden Papierstößen (das papierlose Büro war noch nicht erfunden worden) einen schmalen Korridor gab, der zum Sessel des Tisches führte. Schüchtern fragte ich einmal, ob er sich an eine Gesetzesvorlage vom vergangenen Jahr und unsere Stellungnahme dazu erinnern könne (nein, liebe jungen KollegInnen, man konnte damals noch nicht im Internet danach suchen). Walter dachte kurz nach, machte dann zwei alpinistische Schritte über Papierhaufen, griff in einen Stoß etwa einen halben Meter tief hinein und zog dass passende Schriftstück heraus. Jetzt war ich womöglich noch beeindruckter als damals bei meinem Eintritt über die Fähigkeiten des nunmehrigen Jubilars.

Ende der Siebziger Jahre übernahmen wir beide gemeinsam von unserem Chef Josef Cerny die Vorlesungen in der Sozialakademie für Betriebsräte zum Thema Arbeitsverfassung. Wir teilten uns den Stoff kollegial auf und waren nach wenigen Wochen so gut eingespielt, dass wir sogar die trickreichsten Spaltungsversuche unserer SchülerInnen schadlos überstanden. Beispielsweise erinnere ich mich an zwei besonders begabte Hörer in der ersten Reihe namens Erich Foglar und Hannes Pregartner, die meistens gleich zu Beginn der jeweiligen Stunde eine verzwickte Frage zu stellen pflegten, mit der sie in der vorherigen Stunde schon den jeweils anderen Referenten konfrontiert hatten. Bei unserer – meist nicht abgesprochenen – Antwort wurde ganz genau aufgepasst, ob es irgendeine Nuance einer unterschiedlichen Lösung der Frage zwischen uns gab. Meistens wurden sie nicht fündig. Wir alle hatten aber großen Spaß an diesem Unterricht, und vielleicht konnten wir davon etwas lernen – Hörer und Vortragende. Immerhin hat unser Arbeitsverfassungs-Duett länger als zehn Jahre gehalten. Nie gab es auch nur eine kleine Störung der gegenseitigen Kollegialität.

Lieber Walter, entschuldige bitte, dass ich in dieser Würdigung nur persönliche Erinnerungen einbringe. Aber ich habe mir gedacht, dass dein bisheriger Lebensweg und deine vielen Erfolge, Publikationen und Auszeichnungen schon bei bisherigen Jubiläen (

; DRdA 2009, 279) gebührend erwähnt wurden, und dass es dir nicht entsprochen hätte, das alles bloß zu wiederholen. Deine wichtigsten Funktionen wie diejenige des Bundesministers für Arbeit und Soziales (1989–1990) oder jene des Generaldirektors des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger (1991–2001) zeichnen dich als Spitzenrepräsentanten der Republik im Bereich der Sozialpolitik aus, und das mit vollem Recht. Darüber hinaus bist du auch in der Lage, herausragende Leistungen in der Wissenschaft zu erbringen, wie deine lange Liste von Publikationen zeigt, die stets große, positive Resonanz gefunden haben. Auch in den letzten Jahren hast du an wichtigen Publikationen im Bereich des Sozialrechts gearbeitet, was erneut deine unermüdliche Spannkraft und dein ungebrochenes Interesse an den sozialen Bedingungen unter Beweis stellt.

Am meisten kannst du aber stolz sein auf deine Bescheidenheit, deine Kollegialität und deinen Einsatz für die Schwächeren in der Gesellschaft. Gemeinsam mit vielen anderen wünsche ich dir noch viele aktive und gesunde Jahre.