Einsichtsrechte des Betriebsrats

MonikaDrs (Wien)
Mit der Umstellung auf das Pensionskonto mit 1.1.2014 und der Zustellung der Kontoerstgutschrift ab 2.6.2014 verändert sich der Informationsstatus der überwiegenden Zahl gesetzlich pensionsversicherter Personen. Bei nicht gemeldeten Versicherungszeiten und falsch gemeldeten Beitragsgrundlagen werden wichtige Abgrenzungsfragen in der Vollziehung durch die Sozialversicherungsträger, in der Rsp und in der Literatur zum Teil unterschiedlich beantwortet, zum Teil bleiben die Antworten unklar oder sind aus Sicht der Betroffenen unbefriedigend. Die Abgrenzungsfragen beziehen sich auf den gebotenen Rechtsweg (Schadenersatz nach Zivilrecht vom DG oder Feststellungsverfahren beim Sozialversicherungsträger), den Beginn von Verjährungsfristen und eventueller Pflichten der Versicherten im Zusammenhang mit der Zusendung der Kontoerstgutschrift.
Sachverhalt

Das Pharmaunternehmen P besteht aus zwei Betrieben (B1 und B2). B1 beschäftigt 99 Personen (39 Angestellte [davon 3 leitende Angestellte], 50 ArbeiterInnen [davon fünf Minderjährige] und zehn freie DN); B2 beschäftigt 19 Personen (fünf Angestellte [davon ein leitender Angestellter] und 14 ArbeiterInnen [davon ist einer begünstigter Behinderter]). Im Unternehmen wurden vor einem Jahr alle im Gesetz vorgesehenen Betriebsräte errichtet.

Einige AN beschweren sich beim Betriebsratsmitglied M, dass ihre Gehalts- bzw Lohnabrechnungen nicht stimmen und fordern ihn auf, ihnen zu helfen, wollen aber nicht, dass ihre Namen gegenüber der Unternehmensleitung genannt werden. M will der Angelegenheit noch vor der nächsten Betriebsratssitzung auf den Grund gehen. Er geht daher noch am selben Tag in die Personalabteilung und verlangt Einsicht in die Gehaltsunterlagen aller in P beschäftigten Personen, um so sicherzustellen, dass niemand bei P erkennen kann, welche AN sich bei ihm beschwert haben.

M wird die Einsicht verweigert.

Ist das Vorgehen der Personalabteilung bzw des Betriebsratsmitglieds M korrekt? Welche Möglichkeiten hat hier der BR bzw das einzelne Betriebsratsmitglied?

Wie ist die Rechtslage?
1.
Fragestellungen

Vorweg ist zu klären, welche Rechtsfragen in diesem Fall zu prüfen sind:

  • Als Hauptfrage sind die Mitwirkungsrechte des BR in Bezug auf die Entgelthöhe bzw -abrechnung zu prüfen.

  • Dabei stellt sich auch die Frage, auf welche Personen sich das Mitwirkungsrecht des BR bezieht.

  • Als Vorfrage ist aber zunächst zu klären, wem die Mitwirkungsrechte zustehen bzw wer diese ausüben darf.

  • Davor ist auch noch zu prüfen, welche Betriebsräte im Unternehmen überhaupt zu bilden sind.

2.
Falllösung

Nach dem ArbVG sind die AN in ihrer Gesamtheit, dh die Belegschaft, Träger bestimmter Rechte, deren Ausübung die Errichtung bestimmter Organe voraussetzt. Der BR ist das Organ, das die Belegschaft nach außen vertritt, Tagesentscheidungen trifft und die Rechte der Belegschaft gegenüber dem Betriebsinhaber (BI) wahrnimmt. Dh er ist derjenige, der die Mitwirkungsrechte der Belegschaft und damit auch die Einsichtsrechte wahrnimmt.

Achtung: Der Begriff „BR“ wird als Überbegriff für alle Betriebsräte, für den gemeinsamen BR und umgangssprachlich auch für die einzelnen Betriebsratsmitglieder verwendet.

2.1.
Welcher BR ist zu bilden?

Je nach Aufbau des Unternehmens bzw der vorhandenen AN-Gruppen sind unterschiedliche Betriebsräte zu errichten:

Auf Betriebsebene kommt ein gemeinsamer BR (§ 40 Abs 1 und 3 iVm §§ 50 ff ArbVG) oder ein Gruppen- BR der ArbeiterInnen und der Angestellten (§ 40 Abs 2 und 3 iVm §§ 50 ff ArbVG) sowie ein Betriebsausschuss (§§ 76 f ArbVG) in Frage:261

  • Ein gemeinsamer BR ist in betriebsratspflichtigen Betrieben mit einheitlicher Belegschaft zu bilden; er ist daher zu errichten, wenn es nur ArbeiterInnen oder nur Angestellte gibt, zumindest eine der beiden Gruppen die notwendige Grenze von fünf AN nicht erreicht oder dies von beiden Gruppenversammlungen in getrennter Abstimmung beschlossen wird.

  • Gruppen-Betriebsräte der ArbeiterInnen und der Angestellten sind bei geteilter Belegschaft zu bilden; das ist der Fall, wenn es im Betrieb mindestens fünf ArbeiterInnen und fünf Angestellte gibt und kein gegenteiliger Beschluss der Gruppenversammlungen vorliegt.

  • Zusätzlich ist ein Betriebsausschuss zu bilden, falls es getrennte Gruppen-Betriebsräte der ArbeiterInnen und der Angestellten gibt.

  • Es kommt daher ganz wesentlich auf die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Personen an. Dabei sind nur die AN iSd § 36 ArbVG zu berücksichtigen; dh Personen, die im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit beschäftigt werden, wobei es nach § 36 ArbVG grundsätzlich nicht auf die Gültigkeit des Arbeitsvertrags ankommt; ausschlaggebend ist das Faktum der Einbindung in die Betriebsorganisation („im Rahmen eines Betriebes beschäftigte Personen“). Andererseits sieht § 36 Abs 2 ArbVG einige Ausnahmen vor, weshalb bestimmte in den Betrieb eingegliederte Personen nicht dem ANBegriff des Betriebsverfassungsrechts unterliegen, so zB leitende Angestellte gem § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG. Weiters sind gem § 40 ArbVG nur die stimmberechtigten AN zu berücksichtigen; stimmberechtigt sind gem § 49 Abs 1 ArbVG nur die volljährigen AN.

  • Leitende Angestellte iSd ArbVG sind Personen, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebs zusteht; dabei kommt es insb auf die Entscheidungsbefugnisse in personellen Angelegenheiten an, wie zB die über Einstellungen, Versetzungen und Beendigungen von Arbeitsverhältnissen.* Vorausgesetzt, der Begriff des leitenden Angestellten wurde hier korrekt verwendet (dh den leitenden Angestellten stehen vor allem die oben beschriebenen personellen Entscheidungsbefugnisse zu), sind diese von der im Sachverhalt genannten Anzahl von AN abzuziehen.

  • Im B2 arbeiten zwar fünf Angestellte und 14 ArbeiterInnen. Da der leitende Angestellte aber abzuziehen ist, sind im B2 nur 18 AN, nämlich vier Angestellte und 14 ArbeiterInnen beschäftigt. Die Gruppe der Angestellten erfüllt daher nicht die notwendige Grenze von fünf AN, weshalb im B2 ein gemeinsamer BR zu errichten ist.

  • Gem § 50 ArbVG und § 2 Abs 1 BR-WO hängt die Zahl der zu wählenden (Gruppen-)Betriebsratsmitglieder von der Zahl der (am Tag der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands) im Betrieb beschäftigten AN und ihrer Gruppenzugehörigkeit ab: Der gemeinsame BR in B2 umfasst daher zwei Betriebsratsmitglieder.

  • Im B1 sind hingegen 39 Angestellte (davon drei leitende Angestellte, also nur 36 Angestellte iSd ArbVG), 50 ArbeiterInnen (davon fünf Minderjährige) und zehn freie DN beschäftigt. Die zehn freien DN sind mangels persönlicher Abhängigkeit keine AN und daher nicht zu berücksichtigen. Dasselbe gilt bei den ArbeiterInnen mangels Stimmberechtigung für die fünf minderjährigen AN: Dh im B1 sind 81 stimmberechtigte AN iSd ArbVG beschäftigt: 36 Angestellte und 45 ArbeiterInnen. Da im B1 daher beide Gruppen mindestens fünf Personen umfassen, sind getrennte Gruppen-Betriebsräte zu errichten, sofern kein gegenteiliger Beschluss der Gruppenversammlungen vorliegt. Der Gruppen-BR der Angestellten und der der ArbeiterInnen in B1 umfassen jeweils drei Betriebsratsmitglieder (bei der Berechnung der zu wählenden Zahl an Betriebsratsmitgliedern kommt es nur auf die AN-Eigenschaft und die Gruppenzugehörigkeit, nicht aber auf die Stimmberechtigung an, weshalb hier auch minderjährige AN mitzuzählen sind*).

  • In der Folge ist auch ein gemeinsamer Betriebsausschuss zu bilden, der aus allen Betriebsratsmitgliedern beider Gruppen-Betriebsräte besteht (§ 76 ArbVG) und daher sechs Mitglieder umfasst.

  • In gegliederten Unternehmen, dh Unternehmen, die aus zumindest zwei Betrieben bestehen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und vom Unternehmen zentral verwaltet werden, ist zusätzlich ein Zentralbetriebsrat (ZBR) zu errichten (§§ 80 ff ArbVG; nach Ansicht des OGH* setzt dies allerdings voraus, dass zumindest in zwei Betrieben auch tatsächlich ein BR errichtet wurde). Im Pharmaunternehmen P ist daher auch noch ein ZBR zu installieren. Der ZBR besteht in Unternehmen bis zu 1.000 AN aus vier Mitgliedern (§ 80 ArbVG).

  • Da im B1 auch noch fünf jugendliche AN (dh AN, die noch nicht 18 Jahre alt sind) beschäftigt sind, ist zusätzlich auch ein Jugendvertrauensrat zu errichten (§§ 125 ff ArbVG).

  • Behindertenvertrauensperson (§ 22a Abs 1 BEinstG) ist hingegen keine zu wählen, da im B2 nur einer statt der dafür notwendigen fünf begünstigt Behinderten beschäftigt ist (§ 22a Abs 11 BEinstG).

  • Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Tätigkeitsdauer des BR grundsätzlich vier Jahre beträgt (idR ab Konstituierung; vgl § 61 Abs 1); eine Ausnahme gilt für den Jugendvertrauensrat, dessen Tätigkeitsdauer nur zwei Jahre beträgt (§§ 126 f ArbVG). Da im Unternehmen P vor einem Jahr alle im Gesetz vorgesehenen Betriebsräte errichtet wurden, ist deren Funktionsperiode noch nicht abgelaufen.

2.2.
Welcher BR ist zuständig?

Die Kompetenzabgrenzung zwischen den verschiedenen Betriebsräten und die Möglichkeit einer Kompetenzübertragung ist in den §§ 113 f ArbVG geregelt:

  • Dem Gruppen-BR obliegen alle der Belegschaft zustehenden Befugnisse, soweit sie nicht einem anderen BR zustehen (§ 113 Abs 1 ArbVG). Die Kontrollrechte des § 89 ArbVG stehen dem Gruppen-BR262 daher jedenfalls zu, wenn nur die Interessen einer ANGruppe (dh der ArbeiterInnen oder der Angestellten, je nachdem, um welchen Gruppen-BR es sich handelt) betroffen sind.

  • Der Betriebsausschuss ist für die Überwachungsrechte gem § 89 ArbVG zuständig, soweit die Interessen der ArbeiterInnen und der Angestellten betroffen sind (§ 113 Abs 2 ArbVG). Wenn es sich also beim B1 nur um Beschwerden einer AN-Gruppe handelt, zB nur der ArbeiterInnen, dann ist jedenfalls nur der Gruppen- BR der ArbeiterInnen zuständig. Geht es im Anlassfall hingegen um Beschwerden beider Gruppen und will der Betriebsausschuss die Gelegenheit aufgreifen, um die Gehaltsberechnungen und -auszahlungen aller AN zu kontrollieren, ist nach dem Gesetzeswortlaut („soweit die Interessen aller ... AN-Gruppen betroffen sind“) uU der Betriebsausschuss zuständig. Diesbezüglich ist in den bisher dazu abgegebenen Stellungnahmen aber Zurückhaltung zu erkennen. So ist nach den Ausführungen von Preiss* die Zuständigkeit des Betriebsausschusses in Abgrenzung vom Gruppen- BR restriktiv auszulegen und die Überwachungsrechte gem § 89 lit a (gemeint wohl Z 1) ArbVG stehen idR dem Gruppen-BR zu. Der Betriebsausschuss ist für die Überwachung der Gehaltsunterlagen der Angestellten unzuständig, weil die Arbeiter davon nicht betroffen sind. Er beruft sich dabei auf eine E des EA Wien,* das seine Entscheidung, dem Betriebsausschuss die Einsicht in die Gehaltsunterlagen zu verwehren, aber damit begründet hat, dass der Antrag des Betriebsausschusses kein Vorbringen dazu enthält, warum die Interessen beider AN-Gruppen betroffen sein sollten und die Gehaltsunterlagen der Angestellten nicht durch den zuständigen Gruppen-BR eingesehen werden können. Es betont aber gleichzeitig, dass das Überwachungsrechte nur einem von beiden zusteht; die Zuständigkeit des Gruppen-BR schließt die des Betriebsausschusses in derselben Angelegenheit aus.*

  • Gem § 113 Abs 3 ArbVG werden in Betrieben mit einheitlicher Belegschaft die Befugnisse des Gruppen- BR und des Betriebsausschusses vom gemeinsamen BR übernommen. Dh im B2 kommen dem gemeinsamen BR die Einsichtsrechte des § 89 ArbVG zu.

  • Der ZBR ist, soweit nicht nur die Interessen der Belegschaft eines Betriebes betroffen sind, auch für die Mitwirkung in diversen allgemeinen Angelegenheiten zuständig; die Einsichtsrechte des § 89 Z 1 ArbVG zählen aber grundsätzlich nicht dazu (§ 113 Abs 4 ArbVG). Dem ZBR können aber (vom an sich zuständigen BR) mit Zustimmung des ZBR weitere Kompetenzen – also auch die Einsichtsrechte gem § 89 Z 1 ArbVG – übertragen werden; diese Übertragung kann jederzeit wieder widerrufen werden (§ 114 Abs 1 ArbVG).

  • Der Jugendvertrauensrat hat die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der jugendlichen AN wahrzunehmen (§ 129 ArbVG). Den Mitgliedern des Jugendvertrauensrates steht ausdrücklich auch ein Überwachungsrecht zu (siehe § 129 Abs 3 Z 2 ArbVG). Dieses besteht neben dem Überwachungs- und Einsichtsrecht des Gruppen-BR.*

  • Die Kontrollrechte, insb das Recht des BR auf Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten, stehen dem BR in seiner Gesamtheit zu. Berechtigt ist in dieser Beziehung also weder ein einzelnes Betriebsratsmitglied noch der Betriebsratsvorsitzende, auch wenn dieser es sein wird, dem primär die Gehaltslisten zukommen.*

    Der Betriebsratsvorsitzende hat daher keine Möglichkeit, einzelnen Betriebsratsmitgliedern die Einsicht zu verweigern. In der in FN 8 zitierten E des EA Leoben ging es allerdings nur um das Innenverhältnis Betriebsratsvorsitzender und „einfaches“ Betriebsratsmitglied. Dasselbe muss mE auch für das Außenverhältnis gelten; diese Kontroll- und Einsichtsrechte bedürfen keines vorherigen Betriebsratsbeschlusses und können daher nicht nur vom Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter wahrgenommen werden, sondern auch von anderen Betriebsratsmitgliedern. AA hingegen Schwarz,* der die Ansicht vertritt, dass dies nur für das Innenverhältnis des Kollegialorgans BR gilt: allen Betriebsratsmitgliedern steht daher ein umfassendes Informationsrecht über alle dem Kollegialorgan BR zustehenden Mitwirkungsrechte zu. Im Außenverhältnis hat hingegen der Betriebsratsvorsitzende (bei Verhinderung der Stellvertreter) als alleiniger Vertreter des Kollegialorgans aufzutreten. Soweit es dabei aber nicht um die Abgabe rechtsverbindlicher Erklärungen für den BR geht, geht diese einschränkende Auslegung mE aber zu weit. Grundsätzlich ist daher jedes Betriebsratsmitglied zur Einsicht in die Gehaltsunterlagen berechtigt.*

  • Die Kontrollrechte des § 89 ArbVG, insb das Recht auf Einsichtnahme in die Gehaltsunterlagen, sind ein kollektives Recht, das nicht dem einzelnen AN, sondern der Belegschaft zusteht. Dabei ist es ohne Belang, ob der einzelne AN der Rechtsausübung zustimmt oder nicht. Das Einsichtsrecht steht dem BR daher auch ohne Zustimmung des betreffenden AN zu; umgekehrt vermag seine Verweigerung das Überwachungsrecht des BR auch nicht zu beseitigen.* Es spielt somit keine Rolle, wenn sich die AN nicht trauen, ihre Zustimmung zur Einsichtnahme zu erteilen. Auch263 wenn sie diese zB aus Angst vor ihrem AG verweigern sollten, kann der BR auf das Einsichtsrecht bestehen.

  • Eine Ausnahme gilt nur in Bezug auf die Einsichtnahme in die Personalakten, die dem BR nur bei Einverständnis des AN zu gewähren ist. Diese Ausnahme ist allerdings eng auszulegen und umfasst daher nicht jene Unterlagen, deren Einsichtsrecht sich schon aus den sonstigen Bestimmungen, insb der Generalklausel bzw den anderen Ziffern des § 89 ArbVG, ergeben, auch wenn die fraglichen Unterlagen uU Teil des Personalaktes sein sollten.

  • Bei der Ausübung seiner Mitwirkungsbefugnisse (siehe §§ 89 ff ArbVG) haben der BR und damit auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder die in §§ 38 f ArbVG normierten Grundsätze der Interessenvertretung, insb die Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohl der AN und des Betriebes und das Gebot der Zusammenarbeit mit den überbetrieblichen Interessenvertretungen (insb Gewerkschaften und Arbeiterkammer), zu beachten. Bei der Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte trifft die Betriebsratsmitglieder außerdem eine Verschwiegenheitspflicht (siehe § 115 Abs 4 letzter Satz ArbVG). Dem BR kann die Einsichtnahme daher auch nicht mit dem Einwand des Datenschutzes verweigert werden. Soweit der BR nicht über die notwendigen Sach- bzw Rechtskenntnisse verfügt, um seine Mitwirkungsrechte alleine auszuüben, kann er zB zur Beratung VertreterInnen der gesetzlichen (AK) und freiwilligen Interessenvertretungen der AN (ÖGB) beiziehen (§ 39 Abs 4 ArbVG).

2.3.
Umfang der Mitwirkungsrechte

Das ArbVG sieht verschiedene Mitwirkungsrechte der Belegschaft vor, die im dritten Hauptstück der Betriebsverfassung geregelt sind (§§ 89 bis 114 ArbVG). Im Anlassfall geht es um die Kontrolle der korrekten Gehaltsabrechnung. Dieses Kontrollrecht fällt unter die allgemeinen Mitwirkungsrechte und ist in § 89 ArbVG geregelt. In diesem Paragraphen geht es primär um die Überwachung der Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften durch den BR (§ 89 Satz 1 ArbVG).

Dabei spielt es keine Rolle, auf welcher Rechtsgrundlage diese Rechtsvorschriften beruhen. Dh das Überwachungsrecht bezieht sich nicht nur auf die auf Gesetz oder Verordnung beruhenden Vorschriften, sondern auch auf die Kollektivverträge (und deren Substitutionsformen Satzung, Mindestlohntarif sowie Lehrlingsentschädigung), die Betriebsvereinbarungen, aber auch auf EU-rechtliche Vorschriften. Obwohl dies zum Teil umstritten ist, gilt das mE auch für die im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen.* Nur so kann das Ziel des Gesetzgebers (Sicherstellung der korrekten Behandlung der AN, insb auch korrekte Berechnung und Ausbezahlung der den AN zustehenden Bezüge) umgesetzt werden. Die wesentlichen Arbeitsbedingungen, insb die Entgelthöhe, sind aber eben oft in den Arbeitsverträgen geregelt, sodass nur durch die Einbeziehung der Arbeitsverträge gewährleistet ist, dass der BR kontrollieren kann, dass der AN all das erhält, was ihm zusteht. Zu den die AN betreffenden Rechtsvorschriften gehören außerdem auch die Gleichbehandlungsvorschriften (insb das GlBG). Ob diese eingehalten werden, kann der BR aber regelmäßig erst dann abschließend beurteilen, wenn er auch die Arbeitsverträge kennt. Dem BR ist daher auch Einsicht in sämtliche Arbeitsverträge seiner von ihm vertretenen AN zu gewähren.

Eine Einschränkung erfährt diese Regelung nur insoweit, als es sich um Rechtsvorschriften handeln muss, die den AN in seiner Funktion als AN betreffen. Darunter sind aber nicht nur die arbeitsrechtlichen Vorschriften zu verstehen (wie zB das AngG, MSchG, ASchG), sondern auch alle anderen Vorschriften, soweit sie die Tätigkeit des AN im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses betreffen. Darunter fallen daher auch die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (insb zur Abfuhr der Beiträge an die SV), aber zB auch die Bestimmungen des DSG, soweit es um die Erhebung und Verarbeitung von Daten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis geht.

Dieses Überwachungsrecht beinhaltet ein laufendes Kontrollrecht des BR. Der BR kann daher auch tätig werden, wenn keine bestimmten Verdachtsmomente eines Verstoßes gegen die zugunsten der AN erlassenen Regelungen bestehen. Der BR muss dementsprechend auch nicht offenlegen, welche AN sich beschwert haben.

Neben der oben beschriebenen Generalklausel (Überwachung der Einhaltung der die AN des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften) sieht § 89 ArbVG auch noch eine demonstrative Aufzählung einiger Überwachungsrechte vor, die die Generalklausel konkretisieren sollen.

Für unseren Fall ist vor allem § 89 Z 1 ArbVG von Interesse, wonach der BR berechtigt ist, in die

  • vom Betrieb geführten Aufzeichnungen über die Bezüge der AN (zB Lohn- und Gehaltslisten) und

  • die zur Berechnung dieser Bezüge erforderlichen Unterlagen (zB Arbeitsvertrag, Arbeitszeitaufzeichnungen, inklusive Überstundenlisten, die für leistungsbezogene Entgeltbestandteile notwendigen Unterlagen – zB Provisionsabrechnungen, Umsatz- bzw Gewinnzahlen etc) Einsicht zu nehmen, sie zu überprüfen und

  • die Auszahlung zu kontrollieren (zB durch die Kontrolle der Banküberweisungen).

Unter Bezügen versteht man nicht nur sämtliche Entgeltbestanteile (dh Geld- und Naturalbezüge), wie zB laufendes Gehalt bzw Lohn, inklusive Zulagen, Prämien, Provisionen, Umsatz- und Gewinnbeteiligungen, Überstundenvergütungen, Sonderzahlungen, inklusive Entgeltfortzahlung (zB bei Krankenstand, Urlaub, Feiertagen), Ansprüche aus betrieblichen Pensionszusagen, sondern auch die Aufwandentschädigung; dabei ist es egal, ob die Bezüge vom BI oder von Dritten (zB Trinkgeld) geleistet werden.*

Es spielt auch keine Rolle, auf welcher Rechtsgrundlage dem AN der Bezug zusteht. Das Überwachungsrecht bezieht sich daher nicht nur auf die auf Gesetz, KollV und BV basierenden Bezüge, sondern auch wenn der Bezug auf einem Arbeitsvertrag beruht.264

Dh der BR kann daher auch die korrekte überkollektivvertragliche Bezahlung überprüfen.*

Strittig ist, ob das Überwachungsrecht nur für Bezüge gilt, auf die der AN einen Rechtsanspruch hat oder auch für freiwillig gewährte, jederzeit widerrufbare Zulagen.* ME ist das Einsichtsrecht umfassend zu verstehen: Immerhin sieht das Gesetz keine Differenzierungen vor. Außerdem ist ein beschränktes Einsichtsrecht nur schwer umsetzbar. Aber am Wichtigsten ist, dass das eingeräumte Überwachungsrecht den Zweck verfolgt, dass der BR kontrollieren soll, ob der AN vom BI korrekt behandelt wird. Dabei hat der BR auch die Einhaltung der Gleichbehandlungsvorschriften zu überwachen, weshalb das Einsichts- und Kontrollrecht auch solche Bezüge ohne Rechtsanspruch der AN umfassen muss.

Der BR hat die Höhe der Bezüge inklusive der richtigen Einstufung nach einem allenfalls bestehenden betrieblichen oder kollektivvertraglichen Gehaltsschema, die korrekte Berechnung der Abzüge (insb der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer) und die Rechtzeitigkeit der Auszahlung zu überprüfen (zur Fälligkeit des laufenden Lohns bzw Gehaltes siehe insb § 15 AngG und § 77 GewO).*

Das Überwachungsrecht besteht unabhängig von der Form, in der die Aufzeichnungen geführt werden. Soweit die Aufzeichnungen EDV-mäßig erfolgen, erstreckt sich das Einsichtsrecht auch auf diese Daten.* Wird in einem Unternehmen die Personalverrechnung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung durchgeführt, hat der BR Anspruch darauf, dass ihm ein entsprechender EDV-Ausdruck zur Verfügung gestellt wird, ein Recht auf einen direkten elektronischen Zugriff auf das Personalverrechnungssystem kommt ihm nach der Rsp* aber aufgrund der deutlich höheren Missbrauchsgefahr nicht zu. Es reicht vielmehr aus, wenn dem BR – mit den Originaldaten übereinstimmende – Ausdrucke oder Datenträger zur Verfügung gestellt werden.

Überwiegend wird die Ansicht vertreten, dass der BI nicht verpflichtet sei, dem BR Fotokopien der Lohn und Gehaltslisten zur Verfügung zu stellen bzw der BR kein Recht hätte, sich von den vorzulegenden Unterlagen Kopien anzufertigen.* Der BR hat allerdings das Recht, sich zumindest Notizen über die Lohn- und Gehaltslisten zu machen.*

Das Überwachungsrecht besteht auch unabhängig davon, wer die Lohn- und Gehaltsabrechnungen macht, dh ob sie im Betrieb selbst oder durch eine externe Steuerberatungskanzlei erfolgt.* Es ist die Aufgabe des BI dafür zu sorgen, dass dem BR die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.*

2.4.
In wessen Gehaltsunterlagen kann Einsicht genommen werden?

Dem zuständigen BR ist Einsicht in die Unterlagen in die von ihm vertretenen AN zu gewähren (siehe Kap 2.2).

Der BR hat daher kein Einsichtsrecht in Unterlagen

  • der selbständig Erwerbstätigen (siehe Kap 2.1);

  • der leitenden Angestellten, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebs zusteht. Sie fallen zwar unter den AN-Begriff des ABGB, nicht aber unter den AN-Begriff des ArbVG (§ 36 Abs 2 Z 3; siehe Kap 2.2), weshalb der BR für sie nicht zuständig ist und diesem auch keine Mitwirkungsrechte in Bezug auf diese Personen zukommen; dies gilt aufgrund der vom OGH vertretenen zweiseitig zwingenden Wirkung des ArbVG* selbst für den Fall, dass sie dem Einsichtsrecht zustimmen sollten;

  • bereits ausgeschiedener (pensionierter) AN; diese gehören nach stRsp des OGH* nicht mehr zur Belegschaft und können daher nicht vom BR vertreten werden.

3.
Zusammenfassung

Die Personalabteilung als Vertreterin des BI hat das Einsichtsrecht in die Gehaltsunterlagen dem M mE zu Unrecht verweigert. Der BR hat jederzeit – auch ohne Nachweis eines konkreten Verdachts – das Recht, Einsicht in die Gehaltsunterlagen zu nehmen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nur dem zuständigen BR, dh idR dem Gruppen-BR (B2: dem gemeinsamen BR) bzw bei Jugendlichen auch dem Jugendvertrauensrat das Einsichtsrecht zusteht. Dieses Recht kann (folgt man der oben zitierten Ansicht) nicht nur vom Vorsitzenden, sondern von jedem Betriebsratsmitglied wahrgenommen werden. Der BR bzw das jeweilige Betriebsratsmitglied kann aber nur Einsicht in die Gehaltsunterlagen der von ihnen vertretenen AN verlangen; dem Gruppen- BR(-mitglied) der Angestellten ist daher die Einsicht in die Gehaltsunterlagen der ArbeiterInnen, der selbständig Erwerbstätigen, der leitenden Angestellten, aber auch der inzwischen ausgeschiedenen AN zu verwehren. Wird das Einsichtsrecht allerdings unzulässigerweise dem zuständigen BR bzw einem Betriebsratsmitglied des zuständigen BR verweigert, muss dieses Einsichtsrecht notfalls vor Gericht eingeklagt werden.265